- Die Drei Tornados
-
Die 3 Tornados waren eine anarchistische Berliner Kabarettgruppe, die von 1977 bis offiziell 1990 existierte (ihren letzten Auftritt hatten sie 1989). Gegründet wurde sie 1977 von Arnulf Rating und Günter Thews, zu denen im selben Jahr Hans-Jochen Krank hinzukam, der 1981 von Holger Klotzbach abgelöst wurde.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Arnulf Rating gründete zusammen mit Günter Thews zunächst eine Gruppe, die sich selbst als „Berliner Spaßguerilla-Theater“ bezeichnete. Ziel war es, so in einer Eigenwerbung, dass »die Leute oben mit erweitertem Bewusstsein und unten mit nasser Hose herauskommen«.
Mit dem Musiker und Philosophiestudenten Hans-Jochen Krank fand der erste Trio-Auftritt am 25. April 1977 in der Berliner Kneipe »Godoth« statt. Erste größere Auftritte der drei Tornados waren bei Streikaktionen an der FU gegen Berufsverbote im Januar 1977 und bei Anti-AKW-Demonstrationen in Brokdorf. Danach trat das Trio regelmäßig auf Straßen, Plätzen, in Theatern, autonomen Jugendzentren und Kneipen im deutschsprachigen Raum auf.
Auftritte fanden auch im Rahmen des Russell-Tribunals zur Situation der politischen Gefangenen; auf dem Tunix-Kongress in Berlin 1978 statt. Daraus entstand für die »Die Tageszeitung« (TAZ) eine Abonnenten-Werbekampagne in ganz Deutschland.
Die drei Tornados arbeiteten bei der Gründung des Berliner Tempodrom aktiv mit. Auftritte zur Besetzung des UFA-Geländes in Berlin und etlicher Kulturzentren im Land steigerten den Bekanntheitsgrad der Truppe weiter. Gemeinsame Programme fanden mit anderen Künstlern zu Wahlen und Aktionen von initiativen Bürgern statt.
In Ostberlin konnte die Gruppe nur ein Mal auftreten, privat im Prenzlauer Berg. Zuvor hatte die DDR-Führung eine offizielle Einladung nach Begutachtung des Programms zurückgezogen.
1981 verließ Hans-Jochen Krank die Gruppe. Er wurde durch den Zirkuslehrer und Musiker Holger Klotzbach ersetzt. Die besondere Nähe der drei Tornados zur Bevölkerung zeigte sich u.a. bei ihren privaten Auftritten. So war ihr kleinster Auftrittsort in der Küche eines besetzten Bergarbeiterhäuschens in der Zechensiedlung Auguststraße in Gelsenkirchen.
Die erste und einzige längere Fernsehaufzeichnung fand live von der Berliner Funkausstellung im Rahmen des Kinderprogramms August 1979 statt.
Die 3 Tornados hatten in ihrer Spielzeit mit zahlreichen Prozessen und Auftrittsverboten zu kämpfen. Das »Kabarett-Lexikon« konnte einige markante Höhepunkte auflisten. So wurde im Mai 1979 ein Filmbeitrag zu »30 Jahre Grundgesetz« vom SDR nicht gesendet. Der Sketch »Krippenspiel« beim WDR-Jugendmagazin »Radiothek am 30. Dezember 1980 brachte eine katholische Bürgerninitiative in Soest hervor und löste ein Strafverfahren wegen „Beschimpfung religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse oder der Kirche“ (§ 166 StGB) aus. Der Freispruch erfolgte nach vier Instanzen 1983.
Im März 1980 scheiterte eine geplante Live-Sendung im SWF III – Programm, im März machte WDR III eine Einladung zur Talkshow rückgängig, im September 1983 strich der SFB ihre Beiträge zur Sendung »Rock Nacht«. Ein Auftritt im November 1986 in der Sendung »Extratour« von Radio Bremen wurde wegen einer Nummer abgebrochen, die sich gegen das Verbot richtete, sechs Wochen vor der Wahl kein politisches Kabarett mehr zu senden.
Als die 3 Tornados darauf verfielen, sich Fernsehpräsenz via Werbespots zu kaufen, weigerte sich der SFB 1986 (Polizeispot) und 1988 (Barschel-Ehrenwort) diese zu senden. Die Tornados erstritten vor Gericht die Ausstrahlung.
1986 hatten sie einen Auftritt in der AIDS-Satire Ein Virus kennt keine Moral von Rosa von Praunheim.
Der letzter Auftritt der Gruppe war wenige Tage nach dem Mauerfall im November 1989 im Rahmen einer Live-Sendung mit Künstlern aus aller Welt zur Vereinigung in der Berliner Deutschlandhalle.
Nach der Auflösung des Trios gründete Holger Klotzbach mit Lutz Deisinger die Berliner Bar jeder Vernunft und leitet jetzt das Berliner Zelt-Theater "Tipi", während Arnulf Rating als Solo-Kabarettist tätig ist. Günther Thews ist im Alter von nur siebenundvierzig Jahren am 30. Januar 1993 seinem Aidsleiden erlegen. Hans-Jochen Krank ist heute Gymnasiallehrer für Latein in Bad Freienwalde.
Auszeichnungen
1979 wurden sie mit dem Förderpreis der Stadt Mainz zum Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet.
Literatur
- Martin Bayer: Hey, was ist denn da los? Die 3 Tornados: Linke Geschichte als Brachial-Kabarett. In: ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 430, 23. September 1999 [1]
- Klaus Budzinski und Reinhard Hippen: Metzler Kabarett Lexikon. Stuttgart/Weimar 1996 ISBN 3-476-01448-7
- Bernd Drücke: Wie kam die Jungfrau zum Kinde? Die 3 Tornados, Mary, Josef, Jesses und das Krippenspiel. In: Graswurzelrevolution, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, Nr. 274, Dezember 2002, [2]
- Arnulf Rating: Wandertheater auf neuen Wegen: Die Drei Tornados. In: Michael Baumgarten und Wilfried Schulz (Hrsg.): Die Freiheit wächst auf keinem Baum… Berlin: Medusa, 1979 [3]
- Angie Weihs: Freies Theater. Reinbek bei Hamburg, 1981 Auszug
- Die 3 Tornados auf Tour: 1977-1989. München: Trikont (4 CD-Box)
Weblinks
- Homepage 'Die 3 Tornados'
- Homepage von Hans-Jochen Krank mit Fotos und weiteren Links
- Homepage von Arnulf Rating
- Wie kam die Jungfrau zum Kinde?
Wikimedia Foundation.