Diktäische Höhle

Diktäische Höhle
Tropfsteinimpressionen aus dem Inneren der Höhle

Die Höhle von Psychro (griechisch Ψυχρό) (auch bekannt als Zeus-Höhle) befindet sich bei dem Ort Psychro oberhalb der Lasithi-Hochebene auf der griechischen Insel Kreta, etwa 48 km südöstlich von Iraklio. Sie war eine wichtige Kultstätte der Minoer, was durch Funde belegt wird, die bis in die frühminoische Epoche (etwa 2800 v. Chr.) zurückreichen. Mit diesem Kult steht möglicherweise der griechische Mythos in Verbindung, wonach Zeus in dieser Höhle geboren worden war und von Amaltheia und den Kureten versorgt wurde. Die Höhle von Psychro konnte eindeutig als diese mythische Höhle identifiziert werden, die im Altertum Δικταίον Αντρον (Dikteion Antron, „Diktäische Höhle“) genannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Die Diktäische Höhle in der Mythologie

Nach dem Bericht des Hesiod über die Geburt des Zeus:

„Dorthin [nach Kreta] brachte Gaia durch schwarze Nacht ihn [den neugeborenen Zeus] schnell nach Lyktos, nahm in die Arme auf ihn und barg ihn in tiefer Höhle, unterhalb der auf dem bewaldeten Berge Aegaeon ihr heiligen Orte, …“

Hesiod: Theogonie 453–491

Bei Apollodor wird dieser Bericht dahingehend ergänzt, dass der junge Zeus der Sorge der Kureten und der Töchter des Melisseus („Honigmann“), den Nymphen Adrastea und Ide, übergeben wurde. Die Nymphen nährten den Säugling mit der Milch der Amaltheia, während die Kureten den Knaben bewachten und laut mit ihren Speeren gegen die Schilde schlugen, um so das Schreien des Neugeborenen zu übertönen, damit er nicht von seinem Vater Kronos gefunden werde, der ja beabsichtigte, den Sohn zu verschlingen.[1]

Nach Athenaios wurde die Erzeugung von Lärm durch das laute Grunzen einer Sau besorgt, an deren Zitzen sich der junge Zeus nährte. Aus diesem Grund wäre das Schwein für die Kreter ein heiliges Tier und kein Kreter wäre bereit, Schweinefleisch zu essen.[2]

Außer in der Sage über die Geburt des Zeus spielt die diktäische Höhle auch noch in der Bericht über die Entführung der Europa bei Lukian von Samosata eine Rolle. Dort findet nämlich die göttliche Vermählung zwischen Europa, der phönizischen Königstochter, und ihrem Entführer Zeus statt:

„… und Zeus in eigner Gestalt führte Europen, die nun von süßer Schamröte glühte und sich nicht die Augen aufzuschlagen getraute, da sie freilich nun merkte, worum es zu tun war, der diktäischen Höhle zu.“

Lukian von Samosata: Meergöttergespräche 15,4

Weitere Quellen in der antiken Literatur finden sich bei Strabon (Geographica 10,4,12), Dionysios von Halikarnassos (antiquitates Romanae 2,61) und Diodor (Bibliotheke 5,70).

Ausgrabungen

Um 1880 hatte der Zufallsfund eines Jägers, der in der Höhle die Bronzestatuette eines Stiers gefunden hatte, eine irreguläre Schatzsuche durch die Anwohner der umliegenden Dörfer ausgelöst, bei der vor allem im oberen Teil der Höhle eine große Zahl von Bronzeobjekten und Tonstatuetten gefunden wurde. Die Nachricht von diesen Funden veranlasste Joseph Hatzidakis, damals Präsident der Bildungsfreunde von Iraklio, und den italienischen Archäologen Federico Halbherr im Jahr 1886 die Höhle zu besuchen und eine informelle Grabung durchzuführen.[3]

Die eigentliche archäologische Erschließung der Höhle begann 1895. Schon im Jahr zuvor hatte der britischen Archäologe Evans (bekannt als Ausgräber von Knossos) Lasithi besucht und von den Einwohner einige Funde aus der Höhle gekauft. Nun begann er zusammen mit seinem Kollegen John Linton Myres eine systematische Erforschung des Höhlenraumes. Zunächst beschränkte man sich auf die oberflächennahen Schichten und die Spaltenräume der Stalagmiten, da die beschränkten Mittel ein Abräumen der zahlreichen von der Decke herabgestürzten Felsstücke nicht erlaubten. Bei der Fortsetzung der Grabung 1896 informierte ein junger Mann namens Jorgos Margojannakis Evans über den Fund eines „zerbrochenen Steines mit Buchstaben“. Wie es sich herausstellte, handelte es sich um das Fragment eines Opfertisches aus Speckstein mit drei Höhlungen für Libationsopfer. Die Schriftzeichen erwiesen sich als Linear A.[4]

Im darauffolgenden Jahr 1897 wurde bei einer von dem französischen Archäologen Demargne durchgeführten inoffiziellen Grabung ein weiteres Stück des Opfertisches gefunden, außerdem ein weiterer Opfertisch aus dem gleichen Material mit nur einer Höhlung, sowie Tongefäße und ein goldenes Band.

Demargne war auch an der nächsten offiziellen Grabung beteiligt, die von dem britischen Archäologen David George Hogarth, Direktor der British School of Archaeology in Athen, im Jahr 1899 durchgeführt wurde. Die Grabungsmethoden Hogarths sind aus heutiger Sicht kritisierbar, insbesondere die Verwendung von Sprengstoff bei Ausgrabungen ist heute unüblich. Hogarth verwendete Schießpulver, um das herabgefallene Deckgestein zu zertrümmern. Immerhin gelang es anscheinend, einen großen Teil der Funde aus den oberflächennahen Schichten und den Tropfsteinspalten zu sichern. Außer einer kurzen Mitteilung[5] ist keine Dokumentation der Grabung veröffentlicht worden.

Die bekannten Funde aus den offiziellen und inoffiziellen Grabungen wurden von John Boardman in einer 1961 erschienenen Monografie zusammengestellt.

Die gefundenen Artefakte sind heute über verschiedene Museen verteilt:

Literatur

  • B. Rutkowski, Krzysztof Nowicki: The Psychro Cave and Other Sacred Grottoes in Crete. Polnische Akademie der Wissenschaften, Warschau 1996. 
  • L. Vance Watrous: The Cave Sanctuary of Zeus at Psychro: A Study of Extra-Urban Sanctuaries in Minoan and Early Iron Age Crete. Université de Liège/University of Texas at Austin, Lüttich/Austin 1996. 
  • Jorgos I. Panajotakis: Die Diktäische Höhle. Lassithi 1988. 
  • L. Vance Watrous, H. Blitzer: Lasithi: A History of Settlement on a Highland Plain in Crete. In: Hesperia Supplements. 18, 1982, S. i–xiv, 1–122. 
  • John Boardman: The Dictaean Cave and Iron Age Crete. In: The Cretan Collection in Oxford Series. Clarendon Press, Oxford 1961. 
  • W. Boyd-Dawkins: Remains of Animals Found in the Dictaean Cave in 1901. In: Man. 32, Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland, 1902, S. 162–165. 

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Apollodor Bibliotheke 1,5 (1,1,6)
  2. Athenaios: Deipnosophistai 9,18
  3. F. Halbherr, P. Orsi: Scoperte nell’ Antro di Psychro. In: Museo dell' Antichità Classico. Vol. 2, 1888, S. 905–910. 
  4. Arthur Evans: Further discoveries of Cretan and Aegean scripts. In: Journal of Hellenic Studies. 17, 1897, S. 305–357. 
  5. D. G. Hogarth: The Cave of Psychro in Crete. In: The Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland. 30, 1900, S. 90–91. 

35.16274325.4452127Koordinaten: 35° 9′ 46″ N, 25° 26′ 43″ O


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