Epimenides der Kreter

Epimenides der Kreter

Epimenides (gr. Επιμενίδης) lebte im 6./7. Jahrhundert v. Chr. in Knossós auf Kreta und in Athen. Er war Philosoph und berühmtester Seher und Reinigungspriester („Katharte“) seiner Zeit sowie ein Zeitgenosse der Sieben Weisen, zu denen er auch gerechnet wird.

Leben und Wirken

Er gehörte dem enthusiastischen Kult des Zeus und der Kureten an, mit dem auf Kreta eine geheime Priesterweisheit verbunden war, soll auch einst in der Diktäischen Höhle bei Knossós entschlafen und erst nach 57 Jahren wieder aufgewacht sein.

Sein Rat war selbst von Staaten begehrt. Er veranlasste Veränderungen in den heiligen Gebräuchen der Athener und bemühte sich, Ehrlichkeit und Billigkeit in Athen einzuführen; auch soll er der Erfinder des Pflugs gewesen sein. Als Lohn soll er sich einen Zweig des heiligen Ölbaums auf der Burg erbeten haben. Der Altar des „unbekannten Gottes“ in Athen, den der Apostel Paulus Jahrhunderte später in seiner Rede auf dem Areopag erwähnte, wurde auf die Initiative von Epimenides hin aufgestellt.

Die Lakedämonier sollen ihn in mehrhundertjährigem Alter in einem Krieg mit den Knosiern gefangen genommen und, weil er ihnen nur Böses geweissagt, hingerichtet, die Argiver aber seinen Leichnam beerdigt haben. Man legt ihm mehrere Gedichte und prosaische Schriften bei, unter denen vielleicht einige Orakelsprüche und Sühnlieder von ihm herrühren.

Es ist nicht sicher, ob die ihm zugeschriebene Dichtung wirklich von ihm verfasst oder nur unter seinem Namen veröffentlicht wurde. Erhalten sind einige Fragmente seiner Aussagen und Schriften aus den Werken anderer antiker Schriftsteller wie Aelian, Pausanias, Plutarch oder Philodem.

Am bekanntesten dürfte die zweite Zeile aus dem Gedicht Cretica sein:

Sie haben dir ein Grab eingerichtet, oh Heiliger und Hoher.
Die Kreter sind immer Lügner, wilde Tiere, faule Bäuche.
Aber du bist nicht tot, du lebst und bleibst für immer
Denn in dir leben und laufen und sind wir.

Die daraus entstandene Umformung der zweiten Zeile „Alle Kreter sind Lügner (und alle von Kretern aufgestellten Behauptungen sind Lügen)“ wird als das Paradoxon des Epimenides bezeichnet, jedoch entsteht der Widerspruch erst in der verschärften Form (was aber z. T. auch ein Problem der Übersetzung aus dem altgriechischen Original ist, bzw. erst durch die Übersetzung entsteht). Die ursprüngliche Form der zweiten Zeile ist bekannt aus dem Brief des Paulus an Titus 1,12 und wurde zuvor von Kallimachos von Kyrene im 3./4. Jh. v.Chr. zitiert. Die vierte Zeile wird von Paulus zitiert, als er sich gegenüber den griechischen Philosophen auf dem Areopag in Athen verteidigt. (Apostelgeschichte des Lukas 17,28)

Auch einige kosmogonische Lehren wurden auf Epimenides zurückgeführt.

Rezeption

Das Paradoxon des Epimenides und ähnliche Paradoxa versuchten Bertrand Russell und Alfred North Whitehead mit der Typentheorie der Principia Mathematica aufzulösen.

An den Mythos von Epimenides' Schlaf knüpft Goethes patriotisches Festspiel „Des Epimenides Erwachen“ an.

Literatur

  • Heinrich: Epimenides aus Kreta. Leipzig 1801
  • Schulteß: De Epimenide Crete. Bonn 1877

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