Diplomatie (Brettspiel)

Diplomatie (Brettspiel)
Diplomacy
Diplomacy Standard-Spielkarte
Diplomacy Standard-Spielkarte
Daten zum Spiel
Autor Allan B. Calhamer
Verlag Eigenverlag (1959),
Games Research (1961, 1971),
Avalon Hill (1976),
Miro Company,
Jumbo,
Parker Brothers,
Waddingtons Games,
Gibsons Games,
Asmodée Editions
Avalon Hill/Hasbro (1999),
Wizards of the Coast/Hasbro (2008),
u.a.
Erscheinungsjahr 1959
Art Konfliktsimulation
Mitspieler 3 bis 7
Dauer 4 Stunden und mehr
Alter ab 12 Jahre

Diplomacy ist ein Brettspiel von Allan B. Calhamer, welches den ersten Weltkrieg in Europa simuliert. Wichtiger als strategisches Geschick sind bei diesem Spiel vor allem das Führen diplomatischer Verhandlungen und das geschickte Aushandeln von Bündnissen zwischen den verschiedenen Spielern. Da es nur einen Sieger bei diesem Spiel gibt, ist man früher oder später gezwungen, die Bündnisse wieder zu brechen.

Calhamer entwickelte das Spiel nach und nach ab Ende der 1940er; 1954 war Diplomacy im Wesentlichen fertiggestellt; danach wurden nur noch Feinheiten geändert. Nachdem verschiedene große Spielefirmen die Produktion von Diplomacy abgelehnt hatten, ließ Calhamer im Jahr 1959 500 Exemplare auf eigene Kosten produzieren. 1960 übertrug er die Produktion an Games Research,[1] welche das Spiel 1961 veröffentlichten. Heute besitzt Hasbro die Rechte an dem Spiel. In den USA kam 2008 beim Hasbro-Label Wizards of the Coast eine neue Version heraus.

Inhaltsverzeichnis

Spielablauf

Auf einer Landkarte Europas, die annähernd die politischen Grenzen vor dem ersten Weltkrieg darstellt, ringen sieben Mächte um die Vorherrschaft. Die Spieler verkörpern die Herrscher der Großmächte England, Frankreich, Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Italien, Russisches Reich und Osmanisches Reich. Das Spielbrett gliedert sich in 56 Land- und 19 Seegebiete, insgesamt stehen den Spielfiguren also 75 Spielfelder zur Verfügung (wobei es auch einige unbezeichnete Gebiete gibt, die wie reguläre Spielfelder aussehen, aber nicht betreten werden dürfen, wie die Schweiz, Irland oder Island). In der Standardvariante besteht das Ziel des Spiels darin, die Kontrolle über mindestens 18 von insgesamt 34 sogenannten Versorgungszentren (VZ) zu erringen. Versorgungszentren sind besonders bezeichnete Spielfelder, die sich ausschließlich auf dem Land befinden (entsprechend sind etwa 60 Prozent aller Landgebiete Versorgungszentren). Die Anzahl der Spielfiguren eines Spielers ist im Verlauf des Spiels an die Anzahl der von ihm kontrollierten Versorgungszentren gekoppelt: pro kontrolliertem VZ gibt es eine Einheit. Wird ein VZ verloren, müssen überzählige Einheiten abgebaut werden. Auf jedem Spielfeld kann sich, wie beim Schach, immer nur eine Einheit aufhalten.

Eine Diplomacy-Partie gliedert sich in Spieljahre, wobei 1901 das erste Spieljahr ist. Jedes Spieljahr ist wiederum in fünf Phasen unterteilt: 2 Bewegungsphasen, in denen die Spielfiguren auf dem Brett verschoben werden können; 2 Rückzugsphasen, in denen sich die Einheiten, die während der vorangehenden Bewegungsphase vertrieben wurden, auf freigebliebene Felder zurückziehen können; und schließlich als letzte Spielphase die Aufbauphase, in der die Anzahl der von jedem Spieler besessenen Versorgungszentren der Anzahl seiner Spielfiguren angepasst wird. Die Spielfiguren werden in Anlehnung an den Militärjargon auch Einheiten genannt, wobei es zwei Typen von Einheiten gibt: Armeen und Flotten. Verfügt ein Spieler über mehr Versorgungszentren als Einheiten, kann er „aufbauen“, hat er weniger, muss er „abbauen“. Welche Einheiten ein Spieler abbaut, bleibt ihm überlassen; neue Einheiten aufbauen kann er jedoch nur in den sogenannten Heimatzentren. Heimatzentren sind die Versorgungzentren, die sich auf dem Territorium der jeweiligen Großmächte befinden und allesamt die Namen großer Städte tragen (also beispielsweise London im Falle Englands, München im Deutschen oder Konstantinopel im Osmanischen Reich). Diese Heimatzentren besitzt jeder Spieler schon bei Spielbeginn, also noch vor dem ersten Zug.

Was Diplomacy von vielen anderen Brettspielen unterscheidet, ist, dass die Züge der einzelnen Spieler nicht nacheinander, sondern gleichzeitig ausgeführt werden. Zu diesem Zweck notiert jeder Spieler seine Züge und reicht sie zur Auswertung ein. Wichtig ist, dass es sich bei den notierten Zügen nur um Planungen handelt, die mit den Planungen der anderen Spieler in Konflikt geraten (und folglich scheitern) können. Demgemäß erfahren die Spieler erst nach der Auswertung, ob ihre Züge erfolgreich waren. Die Auswertung erfolgt auf der Grundlage von rund 20 nicht besonders komplizierten Einzelregeln, die vornehmlich das Halten und die Verdrängung von Einheiten betreffen, aber beispielsweise auch den Konvoi von Armeen über Seegebiete mit Hilfe von Flotten regeln. Eine weitere Besonderheit des Spiels ist die Möglichkeit, vor jeder Bewegungsphase mit den anderen Spielern zu kommunizieren. Da kein Spieler aus eigener Kraft das Spiel gewinnen kann, ist er auf die Unterstützung durch andere Spieler angewiesen. Diese erhält er durch das Schmieden von Bündnissen, durch geschickte „Diplomatie“, was dem Spiel den Namen gab.

Diplomacy-Varianten

Inzwischen haben sich viele Varianten des Spiels entwickelt. Man klassifiziert die Variationen in die zwei Kategorien Kartenvarianten und Regelvarianten.

Bei einer Kartenvariante werden die Spielregeln des Standardspiels auf ein verändertes Spielbrett angewendet. Veränderte Standardkarten haben die Intention, vermeintliche Schwächen zu beseitigen, das Spiel in eine andere Spielzeit oder auf einen anderen Spielort zu transferieren, oder es mit veränderter Spielerzahl spielen zu können. Eine Regelvariante verändert die Spielregeln. So wird z. B. die Startaufstellung variiert oder neue oder veränderte Einheitentypen eingeführt. Mischformen aus Karten- und Regelvarianten sind denkbar und häufig üblich.

Einige bekannte Diplomacyvarianten sind „Modern“ (Europakarte der heutigen Zeit), „Hundred“ (100-jähriger Krieg zwischen England, Frankreich, Burgund) und „1898“ (Spiel mit veränderter Startaufstellung). Als Brettspiel erhältlich war auch die Variante "Colonial", die im Asien des 19. Jahrhunderts angesiedelt ist.

Diplomacy als Fernpartie

Da für eine vollwertige Partie verhältnismäßig viele Spieler (7) gebraucht werden und das Verhandeln eine wesentliche Komponente des Spiels ist, eignet sich Diplomacy hervorragend als Postspiel. Dabei werden die Spielzüge per Post oder E-Mail an einen neutralen Spielleiter gesendet, der die Auswertung vornimmt und das Ergebnis und die abgegebenen Spielzüge veröffentlicht. Da eine durchschnittliche Diplomacy-Partie etwa 10 Spieljahre (1901 bis 1910) dauert, verstreichen während einer solchen Fernpartie in "realer Zeit" – je nach gesetzten Zeitlimits – meist mehrere Monate. Neben der Auswertung durch einen Spielleiter gibt es noch eine spezielle, nur online zur Verfügung stehende Software (sog. Judges), die die Auflösung der Züge übernimmt. Judge-Partien verlaufen in der Regel schneller, da die Software sofort nach Eintreffen aller Züge auswertet und 24 Stunden aktiv ist.

Diplomacy als Computerspiel

Es gab immer wieder Veröffentlichungen von Diplomacy als Computerspiel. Für das Betriebssystem MS-DOS gab es im Jahr 1986 eine sehr einfache Umsetzung in 4-Farben-Grafik mit Namen DipGame, welche lediglich 50 KB umfasste. Das Spiel ist heute noch im Internet erhältlich. Für den C64 gab es verschiedene Diplomacyspiele, die ausgereifteste stammt von Virgin Mastertronics aus dem Jahr 1990. Eine weitere Umsetzung als PC-Spiel erfolgte im Jahr 1999 durch die Firma Microprose. Diese Version hatte bereits eine Netzwerkunterstützung und konnte eine zeitgemäße Grafik vorweisen. 2005 hat das schwedische Softwarehaus Paradox Interactive ein PC-Computerspiel namens Diplomacy mit Einzelspieler- und Multiplayer-Modus veröffentlicht.

Alle bisherigen Umsetzungen haben ein Manko gemeinsam. Da die Verhandlungen zwischen den Spielern als Kernelement des Spieles den wesentlichen Teil des Spielreizes ausmacht, stehen und fallen alle Computerumsetzungen mit der Intelligenz der Computerspieler. Bis heute konnte keine Umsetzung in diesem Punkt überzeugen.

Onlinespiele stellen eine andere Möglichkeit zum computer-basierten Spielen von Diplomacy dar. Dabei werden die Züge und die Kommunikation per E-Mail oder per Weboberfläche ausgeführt. Die Auswertung der Züge wird entweder durch einen elektronischen Spielleiter oder einen Menschen vorgenommen.

Meisterschaften

Die Deutschen Face-To-Face-Meisterschaften sind ursprünglich aus Treffen von Judgespielern hervorgegangen und werden inzwischen jährlich vom deutschen Dachverband DDB organisiert. Er war auch für die Diplomacy-Europameisterschaft 2004 mit 79 Teilnehmern und für die Diplomacy-Weltmeisterschaft 2006 in Berlin mit 133 Teilnehmern verantwortlich.

Die "Deutschen e-Mail Meisterschaften" werden seit dem Jahr 2001 mit teilweisen Regeländerungen (u. a. zeitlich befristete Partien) ausgetragen. Ab Herbst 2005 startete erstmals das DM-Turnier 2006/2007 über einen verlängerten Zeitrahmen von bis zu 2 Jahren.

Überblick

  • DM2001 mit 133 Teilnehmern. Sieger: Uwe Höfker
  • DM2002 mit 143 Teilnehmern. Sieger: Jürgen Lutz
  • DM2003 mit 112 Teilnehmern. Sieger: Mark Hachenberg
  • DM2004 mit 176 Teilnehmern. Sieger: Jochen Englert
  • DM2005 mit 130 Teilnehmern. Sieger: Burkhard Pietsch
  • DM2006/2007 mit 140 Teilnehmern. Sieger: Marc Jünger
  • DM2008/2009 läuft

Historischer Hintergrund

Um die Jahrhundertwende war Europa politisch höchst fragil. Einschneidende Ereignisse waren der deutsch-französische Krieg (1870/71) und der Berliner Kongress (1878). Der erste Weltkrieg stand vor der Tür. Die realen Herrscher, welche zu Beginn einer Diplomacy-Partie im Jahre 1901 regierten, sind in der folgenden Tabelle angegeben:

Russisches Reich Zar Nikolaus II.
England König Eduard VII.
Deutsches Reich Kaiser Wilhelm II.
Frankreich Präsident Émile Loubet
Italien König Viktor Emanuel III.
Österreich-Ungarn Kaiser Franz Joseph I.
Osmanisches Reich Sultan Abdülhamid II.

Weblinks

Communities

Einzelnachweise

  1. The Invention of Diplomacy von Allan B. Calhamer 1974 (englisch)

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