Djagilev

Djagilev
Sergei Pawlowitsch Djagilew in einem Porträt von Walentin Alexandrowitsch Serow aus dem Jahr 1909

Sergei Pawlowitsch Djagilew (russisch Сергей Павлович Дягилев; frz. Transkription Serge Diaghilev; * 19. Märzjul./ 31. März 1872greg. in Selischi, Russland; † 19. August 1929 in Venedig) war ein russischer Herausgeber, Kunstkritiker, Kurator und Impresario.

Der überzeugte Sankt Petersburger trug maßgeblich dazu bei, die russische Kunst der Jahrhundertwende, insbesondere das Ballett, auch im westlichen Ausland bekannt zu machen. Seine Aufführungspraxis des von ihm gegründeten Ballets Russes etablierte, zusammen mit der Avantgarde der Musik und Kunst, eine vollkommen neue Form des Balletts. Aus dem russischen Ballett gingen später viele berühmte Tänzer und Choreografen hervor.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Die frühen Jahre

Djagilew zog 1890 nach Sankt Petersburg. Ursprünglich wollte er dort Rechtswissenschaft studieren, fühlte sich aber bald wesentlich mehr zum florierenden Kunst-, Musik- und Theaterleben in der Stadt hingezogen. Er selbst probierte sich in der Musik, der Malerei und dem Ballett, bemerkte aber schnell, dass sein eigenes Talent seinen Ansprüchen nicht genügte.

Erst auf einer Europareise Mitte der 1890er entdeckte er seine wirkliche Begabung. Er begann Gemälde, alte Möbel und Bronzegegenstände zu sammeln, er besuchte Theater und Museen, traf Émile Zola, Jules Massenet, Charles François Gounod und Arnold Böcklin. Es zeigte sich, dass er die ausgesprochene Fähigkeit besaß, Künstler und Kunst zusammenzubringen. Der Tätigkeit, Kunst zu propagieren, widmete er sein gesamtes weiteres Leben.

Noch in Sankt Petersburg gründete er unter anderem mit den Malern Alexander Benois (Alexander Nikolajewitsch Benua), Léon Bakst (Lew Samoilowitsch Bakst) und Konstantin Somow das fortschrittliche Kunstmagazin Mir Iskusstwa (Die Welt der Kunst 1899 - 1904), mit dem er das Kunstleben der Stadt stark beeinflusste. 1899 wurde er künstlerischer Berater des kaiserlichen Theaters in Moskau und inszenierte dort zahlreiche Opern und Ballette.

Von 1904 bis 1908 zeigte er russische und andere Kunst im Ausland. Er begann mit einer Ikonenausstellung in Paris, gab danach Konzerte in der Grand Opera mit Werken von Michail Glinka, Alexander Borodin, Modest Mussorgski, Nikolai Rimski-Korsakow, Pjotr Iljitsch Tschaikowski und Alexander Skrjabin. Djagilew weigerte sich stets, bewährte Konzepte zu wiederholen und setzte auf neue, spektakuläre, oft als skandalös empfundene. 1906 wurde Paris sein Lebensmittelpunkt.

Ballets Russes

Seine größte bleibende Leistung erbrachte Djagilew im Bereich des Balletts. 1909 stellte er aus den besten Tänzerinnen und Tänzern des Landes das Ensemble Ballets Russes zusammen. Dieses bereiste große Teile der Welt und machte das russische Ballett bekannt. Nach der Oktoberrevolution blieben Djagilew und das Ensemble im Ausland.

Sowohl aufgrund seiner spektakulären Vorstellungen, die nicht immer finanzielle Erfolge waren, aber auch aufgrund seiner Sammelleidenschaft, in späteren Jahren u. a. für russische Bücher, Puschkin-Briefe und Autogramme, waren seine finanziellen Verhältnisse stets prekär. Auch die großzügige Unterstützung von Gabrielle Coco Chanel für einzelne Projekte half wenig.

Grabstein für Sergei Pawlowitsch Djagilew im Juni 2005 auf der Friedhofsinsel San Michele in Venedig. Auf seinen Grabstein steht: Venedig, ständige Anregerin unserer Besänftigungen. Ballettschuhe, Briefe, Steine und Blumen wurden auf der Grabplatte niedergelegt.

1910 organisierte er die erste von 20 Ballett-Spielzeiten in Paris. Diese Periode war von enormem Wert für die Entwicklung des Balletts als ausführende Kunst im Theater. Er förderte das russische Ballett mit berühmten Tänzern wie Anna Pawlowa und Vaslav Nijinsky, mit dem er mehrere Jahre liiert war.

Djagilew verwendete Musik von bekannten Komponisten wie Claude Debussy (Jeux, 1913), Maurice Ravel (Daphnis und Chloé, 1912), Erik Satie (Parade, 1917), Richard Strauss (Josephs-Legende, 1914), Ottorino Respighi (La Boutique fantasque, 1918), Francis Poulenc (Les Biches, 1923). Dabei passte sein Choreograf Michel Fokine meistens die Musik für das Ballett an.

Der künstlerische Direktor für das Russische Ballett war Léon Bakst, mit dem Djagilew und Alexander Benua die Kunstzeitschrift Mir Iskusstwa gegründet hatten. Zusammen entwickelten sie eine schwierigere Form des Balletts mit Elementen, die der breiten Öffentlichkeit gefallen sollten und nicht nur der Aristokratie. Der exotische Anklang des Russischen Balletts hatte Auswirkungen auf die entstehende Art Deco.

Der bemerkenswerteste Komponist, mit dem Djagilew arbeitete, war jedoch Igor Strawinski, und so brachte die Premiere von Der Feuervogel am 25. Juni 1910 den beiden internationale Anerkennung. Kurz darauf folgten Petruschka (1911) und Le sacre du printemps (1913) und später Pulcinella (1920) und Les Noces (1923).

Als Bühnenbildner arbeiteten für ihn neben Léon Bakst und Alexander Benois auch Henri Matisse, Georges Braque, Maurice Utrillo, Jean Cocteau und Pablo Picasso. Er verpflichtete auch bedeutende Choreografen: George Balanchine, Léonide Massine, Bronislava Nijinska und Sergei Michailowitsch Lifar.

Djagilew starb am 19. August 1929 im Exil in Venedig und wurde dort im orthodoxen Teil der Friedhofsinsel San Michele begraben. Auf seinen Grabstein ließ er Venedig, ständige Anregerin unserer Besänftigungen meißeln. In den USA, Frankreich und Italien sind heute Gedenktafeln mit seinem Namen, in der Nähe des Opéra Garnier in Paris ist ein Platz nach ihm benannt, in Monte Carlo hat der "größte Impresario" ein Denkmal erhalten.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Robert Delaunay — (* 12. April 1885 in Paris; † 25. Oktober 1941 in Montpellier; eigentlich Robert Victor Felix Delaunay) war ein französischer Maler und gilt als Hauptvertreter des orphischen Kubismus, auch Orphismus genannt. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Werk 1 …   Deutsch Wikipedia

  • Elza Leimane — Infobox Person image size = 150px name = Elza Leimane caption = birth date = 1984 birth place = Latvia death date = death place = occupation = Ballet dancer partner = Raimonds Martinovs parents = Aivars Leimanis children = Elza Leimane is a… …   Wikipedia

  • Lifar — Sergei Lifar (Briefmarke der Ukrania, 2004) Sergei Michailowitsch Lifar (auch Serge Lifar, russisch Сергей Михайлович Лифарь, ukrainisch Сергій Михайлович Лифар; * 2. Apriljul./ 15. April 1905 …   Deutsch Wikipedia

  • Serge Lifar — Sergei Lifar (Briefmarke der Ukrania, 2004) Sergei Michailowitsch Lifar (auch Serge Lifar, russisch Сергей Михайлович Лифарь, ukrainisch Сергій Михайлович Лифар; * 2. Apriljul./ 15. April 1905 …   Deutsch Wikipedia

  • Sergei Michailowitsch Lifar — Sergei Lifar (ukrainische Briefmarke von 2004) …   Deutsch Wikipedia

  • Sergei Pawlowitsch Djagilew — Sergei Pawlowitsch Djagilew, Porträt von Walentin Alexandrowitsch Serow aus dem Jahr 1909 Sergei Pawlowitsch Djagilew (russisch Сергей Павлович Дягилев; wiss. Transliteration …   Deutsch Wikipedia

  • Sergej Lifar — Sergei Lifar (Briefmarke der Ukrania, 2004) Sergei Michailowitsch Lifar (auch Serge Lifar, russisch Сергей Михайлович Лифарь, ukrainisch Сергій Михайлович Лифар; * 2. Apriljul./ 15. April 1905 …   Deutsch Wikipedia

  • Utrillo, Maurice — ► (1883 1955) Pintor francés. Su obra muestra una original concepción del espacio con perspectivas ascendentes y descendentes. Expresa la tristeza de las casas pobres y la soledad de las calles: Casa de las afueras en París, Vista de Montmartre.… …   Enciclopedia Universal

  • RUSSIE (histoire) — L’histoire de la Russie est celle de la formation d’un vaste empire qui, du Xe au XXe siècle, s’est peu à peu étendu, à partir des plaines de l’Europe orientale aux rives du Pacifique et aux montagnes d’Asie centrale. Le mot «Russie» désigne un… …   Encyclopédie Universelle

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”