Don Carlos (Schiller)

Don Carlos (Schiller)
Titelblatt und Frontispiz (anonymes Porträt) des Erstdruckes.
Einband (zeitgenössisch) des oben abgebildeten Exemplars

Don Karlos, Infant von Spanien ist ein dramatisches Gedicht in fünf Akten. Friedrich Schiller verfasste das Drama in den Jahren von 1783 bis 1787. Es behandelt vordergründig politisch-gesellschaftliche Konflikte – so die Anfänge des Achtzigjährigen Krieges, in dem die niederländischen Provinzen ihre Unabhängigkeit von Spanien erkämpften – und familiär-soziale Intrigen am Hofe von König Philipp II. (1556–1598). Zugleich lässt Friedrich Schiller in seinem Drama Fragen erörtern, die zur Entstehungszeit des Stückes in Deutschland diskutiert wurden.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

In der Sommerresidenz Aranjuez treffen Don Karlos und sein Jugendfreund Marquis von Posa einander nach langer Zeit wieder. Posa ist gerade aus Brüssel angekommen und mittlerweile Abgeordneter der niederländischen Provinzen. Er will Karlos davon überzeugen, sich als Statthalter in die unruhige Provinz Flandern (Spanier erzkatholisch, Niederländer protestantisch) schicken zu lassen. Der Prinz erzählt seinem Freund verzweifelt, dass er noch immer seine ehemalige Verlobte Elisabeth liebt, die nun die Frau seines Vaters König Philipp geworden ist. Posa arrangiert daraufhin ein Treffen zwischen Karlos und der Königin, in dessen Verlauf Karlos seiner Stiefmutter seine Liebe gesteht. Elisabeth jedoch schlägt seine Avancen aus und ermutigt ihn, sich der Liebe zum Vaterland anstatt der Liebe zu ihr zu ergeben.

Zurück in Madrid, bittet Karlos den König um die Statthalterschaft; König Philipp aber vertraut ihm nicht genug und zieht den Herzog von Alba vor. Draußen erhält der Infant einen Liebesbrief, für dessen Absenderin er die Königin hält. Er folgt der darin enthaltenen Aufforderung, sich in ein entlegenes Kabinett des Schlosses zu begeben, findet dort jedoch die Prinzessin Eboli vor, die ihm ihre Liebe gesteht. Karlos erfährt aus einem Brief, dass die Prinzessin von König Philipp begehrt wird; im Rückblick auf das Gespräch wird Eboli klar, dass Karlos die Königin liebt. Wegen dieser Zurückweisung und wegen ihrer Eifersucht, beschließt sie Rache zu nehmen. Herzog Alba und Pater Domingo verbünden sich unterdessen gegen Karlos; sie überzeugen Eboli, Karlos’ Liebe zur Königin an deren Gemahl zu verraten und fordern sie auf, der Königin belastende Schriftstücke zu stehlen. Karlos berichtet Posa heimlich in einer Kartause von seinen Geschicken. Posa hält den Prinzen davon ab, den Brief des Königs an Eboli der Königin zu zeigen und gemahnt ihn an seine Ziele.

Der König fühlt sich inzwischen von seiner Frau betrogen. Alba enthüllt ihm das Treffen zwischen Königin und Karlos, und Domingo berichtet von Gerüchten im Volk, dass die Infantin nicht natürliches Kind des Königs sei, sowie einer Beichte der Prinzessin Eboli, worauf Philipp sich entschließt, Frau und Sohn töten zu lassen. Er wähnt sich von allen verlassen und kommt auf den Gedanken, den Marquis von Posa zu seinem Berater zu machen. Posa weist die Bitte des Königs zunächst zurück und gibt sich als Freiheitskämpfer. Der König, beeindruckt, macht ihn zum Minister und trägt ihm auf, das Verhältnis zwischen Karlos und der Königin zu untersuchen.

Der Marquis sucht sodann Elisabeth auf und macht mit ihr aus, dass Karlos gegen den König rebellieren und heimlich nach Brüssel gehen solle. Dann überbringt er Karlos einen Brief der Königin und erbittet dessen Brieftasche. Die Königin hat unterdessen den Diebstahl von Briefen aus einer Schatulle entdeckt und bezichtigt den König. Es kommt zum Streit. Der Marquis überbringt dem König die Brieftasche Karlos’. Philipp entdeckt den Brief der Prinzessin Eboli an seinen Sohn; er versieht den Marquis mit uneingeschränkter Handlungsvollmacht und verfasst einen Haftbefehl gegen den Infanten. Graf Lerma gibt diesen Vorfall an Karlos weiter, der daraufhin bestürzt zur Prinzessin Eboli läuft, in der er seine letzte Vertraute sieht. Dort verhaftet ihn Posa. Die Prinzessin gesteht der Königin nun den Diebstahl der Briefe. Posa berichtet der Königin von einem Plan und fordert sie auf, den Königssohn an seinen alten Schwur zu erinnern, einen neuen Staat zu schaffen.

Der Marquis besucht Karlos im Gefängnis und klärt diesen über die falschen, ihn (Posa) kompromittierenden Briefe auf, die er dem König zugespielt hat. Herzog Alba kommt und erklärt Karlos als frei, der ihn aber wegschickt, weil er die Freiheit nur vom König selbst empfangen will. Nach Albas Abgang berichtet Posa über den Verrat der Eboli und enthüllt dem Infanten seinen ganzen Plan, sich für den Freund zu opfern. Plötzlich hört man einen Schuss, und der Marquis sinkt, tödlich getroffen, zu Boden. Der König erscheint, um seinen Sohn freizugeben, der ihn aber als Mörder ablehnt. Karlos spricht über das edle Gemüt seines ermordeten Freundes und dessen Plan. Überdies ruft er die Schuld des Königs ins Bewusstsein. Ein Offizier der Leibwache berichtet von einem Aufstand der Bürger in der Stadt, die Karlos frei sehen wollen. Lerma überredet den Thronfolger zur Flucht nach Brüssel.

Der König kann nicht fassen, dass Posa sich für seinen Freund (Karlos) geopfert hat. Der Großinquisitor führt ihm seine Fehler vor Augen und verlangt Karlos als Opfer. Dieser hat sich inzwischen, verkleidet als Geist seines Großvaters, in das Zimmer der Königin geschlichen. Dort liefert ihn Philipp dem Großinquisitor aus.

Zum Verständnis

Historischer Bezug

1479 entstand der einheitliche spanische Staat unter der Regierung und Verwaltung von Isabella I. (Kastilien) und Ferdinand II. (Aragón) (als Ferdinand V. König der vereinigten spanischen Monarchie). Nach dessen Tod 1516 bestieg sein Enkel Karl I. den Thron, der zugleich als Karl V. 1519 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wurde. Unter ihm stieg Spanien zur Weltmacht auf. Es umfasste den größten Teil der Pyrenäenhalbinsel (außer Portugal), Sizilien, Sardinien und das Königreich Neapel. Dazu kamen bald die Länder des sogenannten Burgundischen Erbes. Nach dem Krieg Spaniens gegen den französischen König Franz I. kamen Mailand und eine Anzahl oberitalienischer Gebiete dazu.

Als Thronfolger Karls I. regierte ab 1556 sein Sohn Philipp II. Wenig später fielen die Niederlande an Spanien. Die niederländischen Adeligen protestierten gegen die Einführung der Inquisition und die Vermehrung der Bistümer, weil dies ihrer eigenen Macht Grenzen setzte. Der Bildersturm von 1566 verursachte die Entsendung einer Strafexpedition unter Herzog von Alba (1567 – 1573). 1648 wurde die Revolution der Niederländer durch die Anerkennung der Republik der Generalstaaten beendet.

Die Gefangennahme und der Tod Don Carlos’ inspirierten Schiller. Daran, dass Schiller in seinem Drama die Entsendung Albas nach Flandern und die Begrüßung des Herzogs von Medina–Sidonia nach dem Untergang der Armada zeitlich parallel darstellt (tatsächlich lagen zwischen beiden Ereignissen 20 Jahre), erkennt man (wie auch an anderen Änderungen, die mancher als Geschichtsklitterung bewerten mag), dass es nicht Schillers Absicht war, ein realistisches Drama zu schreiben.

Entstehungsgeschichte

Einen ersten Hinweis auf den Stoff erhielt Schiller durch Wolfgang Heribert von Dalberg, der ihn auf die Bearbeitung des Abbé Saint-Réal hinwies. Am 15. Juli 1782 schrieb ihm Schiller: „Die Geschichte des Spaniers Don Carlos verdient allerdings den Pinsel eines Dramatikers und ist vielleicht eines von den nächsten Sujets, die ich bearbeiten werde.“ Am 9. Dezember 1782 bat er seinen Freund, den Bibliothekar Wilhelm Friedrich Hermann, um eine Reihe von Büchern, darunter die Œuvres de Monsieur l’Abbé Saint-Réal. Schiller schrieb am 27. März 1783 an Reinwald, dass er nun fest entschlossen sei, den Don Karlos in Angriff zu nehmen: „Ich finde, […] mehr Einheit und Interesse zu Grunde hat, als ich bisher geglaubt, und mir Gelegenheit zu starken Zeichnungen und erschütternden oder rührenden Situationen gibt. Der Charakter eines feurigen, großen und empfindenden Jünglings, der zugleich der Erbe einiger Kronen ist, – einer Königin, die durch den Zwang ihrer Empfindung bei allen Vorteilen ihres Schicksals verunglückt, – eines eifersüchtigen Vaters und Gemahls, – eines grausamen heuchlerischen Inquisitors und barbarischen Herzogs von Alba usf. sollten mir, dächte ich, nicht wohl misslingen[…] dazu kommt, dass man einen Mangel an solchen deutschen Stücken hat, die große Staatspersonen behandeln – und das Mannheimer Theater dieses Sujet von mir behandelt wünscht.“ Um den Stoff umzusetzen benötigte Schiller zusätzliches Material und bat in dem Brief um mehr Werke, wie Brantomes Geschichte Philipp ІІ. Außerdem studierte Schiller die History of Phillip ІІ. des Engländers Watson und die Historia de España des Spaniers Ferreras.

Die erste Arbeitsphase ging von Ende März bis Mitte April 1783. Dort entstand der so genannte „Bauerbacher Entwurf“, ein in fünf Akte scharf gegliederter Handlungsabriss. Intensiv dachte Schiller in dieser Zeit über die Gestalt des Titelhelden nach, worauf er Reinwald am 14. April 1783 schrieb: „Wir schaffen uns einen Charakter, wenn wir unsere Empfindungen, und unsere historische Kenntnis von fremden, in andere Mischung bringen […]. Denn ich kann einen großen Charakter durchaus fühlen, ohne ihn schaffen zu können. Das aber wäre bewiesen wahr, dass ein großer Dichter wenigstens die Kraft zur höchsten Freundschaft besitzen muss, wenn er sie auch nicht immer geäußert hat. Der Dichter muss weniger der Maler seiner Helden – er muss mehr dessen Mädchen dessen Busenfreund sein […] Carlos hat, wenn ich mich des Maßes bedienen darf, von Shakespeares Hamlet die Seele – Blut und Nerven von Leisewitz Julius und den Puls von mir […].“ In diesem Brief äußert Schiller zum ersten Mal die Absicht, eine polemische Tendenz in sein Stück zu integrieren.

Ende Juli 1783 zog Schiller nach Mannheim und wurde am 1. September als Theaterdichter angestellt. Erst ein Jahr später nahm er die Arbeit zu „Don Karlos“ wieder auf. Am 24. August 1784 bekennt er Dalberg in einem Brief „Carlos ist ein herrliches Sujet, vorzüglich für mich. Vier große Charaktere, beinahe von gleichem Umfang, Carlos, Philipp, die Königin und Alba öffnen mir ein unendliches Feld. Ich kann mir es jetzt nicht vergeben, dass ich so eigensinnig, vielleicht auch so eitel war, um in einer entgegengesetzten Seite zu glänzen, meine Phantasie in die Schranken des bürgerlichen Kothurns einzäunen zu wollen […] froh bin ich, dass ich nun mehr so ziemlich Meister über den Jamben bin. Es kann nicht fehlen, dass der Vers meinem Carlos sehr viel Würde und Glanz geben wird.“

Nach Streichers Angaben war Schiller im Juli 1784 schon bis in den ІІ. Akt vorgerückt. Am 26. Dezember 1784 trug Schiller den І. Herzog Karl August vor. Schiller gründete dann eine Zeitschrift, deren erstes Heft im März 1785 mit dem Titel „Rheinische Thalia“ erschien. Sie bestand nur aus Beiträgen des Dichters, darunter die neun Auftritte aus denen der І. Akt bestand. Bis zum 11. September 1785 lebte Schiller in Gohlis bei Leipzig und kam dort mit dem ІІ. Akt voran. Allerdings erreichte er in Dresden beziehungsweise Loschwitz seine intensivsten Fortschritte, wo er im Sommerwohnsitz Christian Gottfried Körners, eventuell auch im Schillerhäuschen, daran schrieb. Das zweite, unter dem Titel „Thalia“ erschienene Heft enthielt die ersten drei Auftritte des ІІ. Aktes. Das dritte Heft (April 1786) endete mit dem sechzehnten, derzeit letzten Auftritt des ІІ. Aktes.

Soufflierbuch der Mannheimer Aufführung von „Don Karlos, Infant von Spanien“, 1787

Im Frühjahr 1787 vollendete Schiller sein Drama, gleichzeitig schuf er Bühnenarbeiten und stellte das Druckmanuskript für die Buchausgabe fertig. Den І Akt kürzte er um fast tausend Verse, indem er auch Ausdrücke minderte und glättete. Am 12. Oktober 1786 schrieb Schiller an den Hamburger Theaterdirektor Schröder, dass sein „Don Karlos“ zum Ende des Jahres fertig werde und dass dieses Stück zu einer theatrischen Aufführung fähig war. Schröder wünschte sich eine Zusammenfassung in Jamben und erhielt eine Theaterbearbeitung im Umfang von 3.942 Versen. Eine Bühnenfassung in Prosa, die genannte „Rigaer Prosafassung“ entstand im April 1787.

Ende Juni 1787 lag die erste Buchausgabe unter dem Titel „Don Karlos, Infant von Spanien, von Friedrich Schiller, Leipzig, bei Göschen, 1787“ vor. Eine verbesserte zweite Auflage erschien auch noch 1787. Weitere Auflagen, darunter eine Prachtausgabe in Großoktav, erschienen bis 1804 bei Göschen. Die letzte von Schiller bearbeitete Ausgabe erschien 1805 im ersten Band der Cottaschen Sammlung „Theater von Schiller“ unter dem Titel „Don Karlos, Infant von Spanien, Ein dramatisches Gedicht.“ Schiller strich dort 78 Verse, nahm eine Reihe von Detailveränderungen vor und ließ jeden Vers mit einem Großbuchstaben beginnen.

Neben dem Titel der Nationalausgabe, „Don Karlos“, wird das Drama auch noch oft als „Don Carlos“ zitiert und behandelt. Eine weitere, zeitgenössische Schreibweise ist „Dom Karlos“.

Der Marquis von Posa als Sprachrohr Schillers?

Obwohl grundsätzlich und aus guten Gründen immer Vorsicht geboten ist, von irgend einer literarischen Figur allzu schnell auf die Ansichten des Autors / der Autorin zu schließen, dürften im zentralen zehnten Auftritt des dritten Aufzugs, dem Vier-Augen-Gespräch zwischen dem Marquis von Posa und König Philipp, doch recht deutlich Schillers eigene Überzeugungen dieser Jahre zu einigen zentralen politischen Fragen in Worte gefasst sein:

Der König schöpft sofort Verdacht, der Marquis sei ein „Protestant“, was dieser aber zurückweist. Er sei ein „Bürger derer, welche kommen werden“, also eigentlich eine Gestalt des späten 18. Jahrhunderts, mithin Schillers Gegenwart. Mit der Demokratie oder einer bürgerlichen Revolution habe er nichts im Sinn; denn: „Die lächerliche Wut | Der Neuerung, die nur der Ketten Last, | Die sie nicht ganz zerbrechen kann, vergrößert, | Wird mein Blut nie erhitzen“. Er träumt von einer Zeit, in der „Bürgerglück […] dann versöhnt mit Fürstengröße wandeln“ werde. „Von Millionen Königen ein König“ solle Philipp werden. Dazu müsse er nur seinen Untertanen „Gedankenfreiheit“ geben.

Der Marquis ist aber durchaus auch in verschiedenen Szenen so dargestellt, dass nicht immer eindeutig ist, ob sein Verhalten so richtig ist, z. B. seine Verstellungskünste – z. B. gegenüber Philipp und sogar gegenüber dem Freund Carlos – als Mittel zum Zweck, seine Ziele zu erreichen. Er verkörpert sicher am meisten Schillers politisch-gesellschaftliche Ideale, aber Schillers Herz schlägt zugleich, was menschliche Gefühle angeht, mindestens ebenso sehr für Don Carlos. Verstand und Gefühl gehören aber nach Schillers ästhetischem Ideal gerade zusammen.

Don Karlos und sein Vater, beide als tragische Helden?

König Philipp wird bei Schiller nicht nur als der kaltherzige Alleinherrscher gezeigt, den Karlos in ihm sieht und der er auch ist; er wirkt zumindest in vergleichbarem Maße auch als Opfer der in ihren Konventionen erstarrten Hofgesellschaft, die Überkommenes um jeden Preis und allein um der Macht (auch der katholischen Kirche) willen zu erhalten sucht. An der dramatischen Umschwungstelle der Handlung, inmitten des dritten Aktes, ist Philipp allein und auf der Suche nach einem „Menschen“. Darin ist er manch tragischem Helden der Antike ähnlich, z. B. Kreon und Ödipus (Onkel und Vater der Antigone).

Damit befindet sich Philipp in der gleichen Situation wie, laut Schiller, der Theaterbesucher selbst, bis hinauf zum Fürsten. In seiner Schrift Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet schreibt Schiller, die Zuschauer sollen im Theater mit der „Wahrheit“ konfrontiert werden, und zwar auf eine Weise, die ihr Herz erreicht. Insbesondere für Fürsten sei das Theater oft das einzige Medium, durch das sie von der „Wahrheit“ erreicht würden: „Hier nur hören die Großen der Welt, was sie nie oder selten hören – Wahrheit; was sie nie oder selten sehen, sehen sie hier – den Menschen.“ Der Marquis von Posa ist ein Instrument, durch das diese Intention Schillers umgesetzt wird.

Der König als Opfer des politischen Systems, das er repräsentiert (nämlich des nicht aufgeklärten, tyrannischen Absolutismus), soll sich letztlich zum „Aufgeklärten Absolutismus“ bekehren und ein „guter Fürst“ werden, indem er in seinem Land Gedankenfreiheit einführt; vgl. hierzu auch Immanuel Kants Forderung in seiner Schrift Was ist Aufklärung?: Sapere aude! „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes (…) zu bedienen!“ Außer den persönlichen Mut fordert Schiller (indirekt über Posa) auch die politischen Rahmenbedingungen, um dies tun zu dürfen und zu können.

Weitere Themen und Motive

Schillers Drama Don Karlos greift einige nicht zuletzt für Schiller selbst typische Konventionen und Motive auf:

  • Im Konflikt zwischen der Figur des Titelhelden und seinem Vater König Philipp verarbeitet Schiller das Motiv des Generationenkonflikts, das er bereits in seinen Jugendwerken Die Räuber und Kabale und Liebe aufgenommen hat: Die Vertreter zweier unterschiedlicher Altersgruppen symbolisieren die Ablösung eines alten, überkommenen Gesellschaftssystems durch ein neues.
  • Eine weitere Konfliktebene zeigt sich in Karlos’ Schwanken zwischen persönlicher Neigung (schwärmerische Liebe zu Elisabeth) und politischer Pflicht (Eingreifen in den niederländischen Befreiungskrieg), ein Thema, das immer wieder Gegenstand dramatischer Literatur ist (siehe z. B. Shakespeares Antonius und Cleopatra oder Grillparzers Die Jüdin von Toledo).
  • Die Isolierung des absoluten Herrschers ist ein bekanntes Motiv, siehe hierzu z. B. Shakespeares Historiendrama Heinrich V..
  • Es können Bezüge hergestellt werden zu Schillers Werk Über die ästhetische Erziehung des Menschen.

Formale und sprachliche Aspekte

Die dramatische Bauform

Mit Don Karlos orientiert sich Schiller mehr als in seinen früheren Stücken, wie etwa den Räubern, an den dramaturgischen Forderungen der aristotelischen Poetik, wie sie im 18. Jh. rezipiert worden ist. Die Einheit von Ort und Zeit ist allerdings weniger gegeben als die der Handlung und die Erfüllung der Ständeklausel:

  • „Don Karlos“ spielt an mindestens zwei verschiedenen Orten: Aranjuez und Madrid, dort jeweils auch in verschiedenen Räumen, Gebäuden etc. (Schloss, Gefängnis etc.).
  • Die Zeitspanne der Handlung in „Don Karlos“ beträgt ca. 5 Tage. Somit übersteigt Don Karlos die damals typische Zeitregelung. Im strengen traditionellen Sinn sollte die Handlung eines Dramas in 24 Stunden abgeschlossen sein (was z. B. in Kabale und Liebe noch erfüllt ist). Dennoch kann man hier insofern von einer einheitlichen Zeit ausgehen, als es keine großen Zeitsprünge gibt (mehrere Wochen, Monate oder sogar Jahre).
  • Die Einheit der Handlung ist in „Don Karlos“ aber klar gegeben. Zwar könnten Szenen wie die Eboli-Handlung auch für sich selbst existieren, grenzen sich aber auch nicht vom linearen Handlungsverlauf ab, sondern schließen sich zusammen. Die Handlung drängt zielstrebig in einer durchgehenden Spannungskurve auf das Ende hin.
  • Die heldenhaften Charaktere einer aristotelischen Tragödie, wie tragisch und damit fehlerhaft auch immer sie sein mögen, repräsentieren immer Personen hohen Standes (wogegen bei Komödien auch mittlere u. niedrige Stände wichtige Rollen haben können). Ähnlich kommen auch alle Personen, die in „Don Karlos“ bedeutsam sind, entweder aus dem Königshaus oder sind Adlige.(Bsp.: Don Karlos – Kronprinz, Philipp II – König von Spanien). Recht üble Charaktere wie Domingo oder Alba sind allerdings ebenfalls gesellschaftlich hochgestellt. Das widerspricht aber nicht der Dramentheorie Aristoteles’ und war auch zu Schillers Zeit nicht ungewöhnlich (vgl. z. B. schon den charakterlich ‚negativ‘ gezeichneten Caesar in Gottscheds Sterbender Cato).

Das gesamte Werk ist in einer fünfhebigen reimlosen Jambenform (dem so genannten Blankvers) geschrieben. Dieser sprachlich gebundene Stil ist typisch für in der Typologie von Volker Klotz [1] sogenannte „geschlossene“ Dramen, während „offene“ Textformen häufig in Prosa verfasst sind.

Auch in der Tektonik des Stückes folgt Schiller dem Modell einer klassischen, geschlossenen Dramaturgie, wie sie später der Literatur- u. Theaterwissenschaftler Freytag rekonstruiert hat:

  • 1. Akt (Exposition): Verhängnisvolle Liebe des Prinzen. Neuerliches Bekenntnis des Prinzen zum Freiheitsideal und zum politischen Engagement.
  • 2. Akt (erregendes Moment): Karlos’ Rückfall und die dadurch angelegten Schwierigkeiten (die Feindschaft der Eboli und des Herzogs Alba). Am Aktschluss wird Karlos durch Posas Eingreifen zur Besinnung gebracht.
  • 3. Akt (Höhepunkt): Die scheinbare Möglichkeit einer Verständigung zwischen dem absolutistischen Monarchen und dem Vorkämpfer der Freiheit.
  • 4. Akt (retardierendes Moment): Umschwung der Handlung durch die im 2. Akt angelegte Intrige und die dadurch notwendig werdende Aktion Posas, bis hin zum Scheitern Posas und zum Triumphieren der Hofpartei am Aktschluss.
  • 5. Akt (Katastrophe): Karlos’ Scheitern in der Realität im Augenblick der inneren Vollendung.

Die Beachtung strenger formaler Aspekte einerseits und die inhaltliche Thematisierung des Strebens nach Freiheit andererseits stellen das Drama an die Grenze zwischen Sturm und Drang und Weimarer Klassik.

Rezeptionsgeschichte

Interpretation als historisches Schlüsselstück

Verdi (evtl. bereits Schiller) platziert die Oper in Teilen an den Ort Fontainebleau, der über mehrere französische Epochen hinweg den Königen und Kaisern als Landsitz diente. Möglicherweise handelt es sich hier um eine Anspielung auf Philipp VI. (aus dem Haus Valois) und Johanna von Burgund sowie Sohn Johann II. (Frankreich) mit Ehefrau Jutta von Luxemburg, deren beide Frauen um das Jahr 1348 an der Pest verstarben. In der Folge nahm sich der Vater die Verlobte des Sohnes zur Gemahlin. Zugleich tobte Krieg gegen England, der aber beigelegt werden konnte. Weiterhin starb der Vater nur wenige Zeit darauf mit 57 Jahren. Als Todesursache wird Altersschwäche angegeben.

Vertonungen

Als berühmteste Vertonung gilt Giuseppe Verdis Don Carlos aus dem Jahr 1867. Der russlanddeutsche Komponist Alfred Schnittke bekam 1975 in der Sowjetunion den Auftrag, die Bühnenmusik zu Don Karlos zu schreiben. Die Inszenierung am Moskauer Mossowjet-Theater sollte in einer sakralen Kulisse stattfinden. Offiziell, um die düstere Stimmung der spanischen Inquisition einzufangen, aber auch, um seine verstorbene Mutter zu ehren, komponierte er ein modernes Requiem mit einem Glaubensbekenntnis, was im sowjetischen Komponistenverband eine Provokation darstellte. Die Uraufführung fand 1977 in Budapest statt.

Textausgaben

  • Lieselotte Blumenthal, Benno von der Wiese (Hrsg.): Schillers Werke. Nationalausgabe. Band 7, Teil I: Paul Böckmann, Gerhard Kluge, Gerhard (Hrsg.): Don Karlos. Infant von Spanien. Letzte Ausgabe 1805. Weimar 1974.
  • Kiermeier-Debre, Joseph (Hrsg.): Friedrich Schiller - Dom Karlos, Originaltext mit Anhang zu Verfasser, Werk und Textgestalt, incl. Zeittafel und Glossar, erschienen in der Bibliothek der Erstausgaben, 2. Auflage 2004, Deutscher Taschenbuch Verlag, München. ISBN 978-3-423-02636-9

Sekundärliteratur

  • Bertold Heizmann: Friedrich Schiller. Don Karlos. Lektüreschlüssel für Schüler. Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-015352-2.
  • Bertold Heizmann: Friedrich Schiller. Don Karlos. Lektüreschlüssel für Schüler. Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-15-015352-9
  • Harro Gehse: Friedrich Schiller: Don Karlos. Königs Erläuterungen und Materialien. Band 6. Bange, Hollfeld 2005, ISBN 3-8044-1832-5.
  • Matthias Luserke-Jaqui: Friedrich Schiller. Francke, Tübingen, Basel 2005, ISBN 3-7720-3368-7.

Siehe auch

Weblinks


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