Doping-Affäre Team Telekom

Doping-Affäre Team Telekom
Radsportfans demonstrieren bei der Tour de France

Die Doping-Affäre Team Telekom fand im Jahr 2007 ihren Höhepunkt, nachdem der ehemalige Masseur der Mannschaft der Radsportmannschaft "Team Telekom" (Vorgänger-Team des heutigen Teams Columbia), Jef D'hont, systematisches Doping unterstellt hatte und danach mehrere ehemalige Rennfahrer der Mannschaft (Bert Dietz, Christian Henn, Udo Bölts, Erik Zabel, Rolf Aldag, Brian Holm und Bjarne Riis) Doping mit Erythropoietin (EPO), zum Teil auch Cortison und Wachstumshormonen zugaben.

Im Zuge der Ereignisse beendete T-Mobile am 27. Nov. 2007 sein Sponsoring im Radsportbereich mit sofortiger Wirkung.

Inhaltsverzeichnis

Vorwürfe

Im April 2007 veröffentlichte Der Spiegel den Vorabdruck eines Buches des Belgiers Jef d'Hont, der von 1992 bis 1996 für das Team Telekom als Masseur arbeitete, in dem er der Mannschaft organisiertes Doping vorwarf. So beschuldigte er die Mannschaftsärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid von der Uni-Klinik Freiburg, die ursprünglich auch in der Saison 2007 für das Team verantwortlich sein sollten, die Fahrer mit dem Dopingmittel EPO und weiteren leistungssteigernden Mitteln versorgt zu haben.[1] Nachdem der Molekularbiologe Werner Franke gegen die beiden Mediziner Anzeige wegen des Verdachts auf Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz und wegen versuchter Körperverletzung erstattete, nahm die Staatsanwaltschaft Freiburg gegen Schmid und Heinrich Ermittlungen auf.[2] Wenig später erklärte die Teamleitung die Beendung der Kooperation mit der Uni-Klinik Freiburg zum Ende des Jahres 2007.

D'Hont wirft auch Jan Ullrich, dem einzigen deutschen Gewinner der Tour de France (1997), vor, gedopt zu haben. Neben dem Dopingskandal im Team Telekom gibt es gegen Ullrich weitere Vorwürfe wegen seiner Verwicklung in den „Spanischen Dopingskandal“ kurz vor der Tour de France 2006, die Gegenstand aktueller Untersuchungen sind, führten zum Ausschluss Ullrichs von Teilnahme an der Rundfahrt und zur fristlosen Kündigung durch seinen Arbeitgeber, das Team T-Mobile, am 20. Juli 2006. Ullrich bestreitet bis heute öffentlich, jemals illegale Mittel zur Leistungssteigerung genutzt zu haben, wofür er unter anderem die Tatsache anführt, dass sein einziger positiver Test im Jahre 2002[3], der zu einer sechsmonatigen Sperre führte, auf einer in einer Diskothek konsumierten Pille (amphetaminhaltiges Ecstasy) beruhen soll. Jedoch wurden beim spanischen Doping-Arzt Fuentes gefundene Blutbeutel per DNA-Analyse mittlerweile eindeutig Ullrich zugeordnet.

Geständnisse

Am 21. Mai gestand der ehemalige Telekom-Fahrer Bert Dietz, dass er in seiner Zeit mit der Mannschaft auf Empfehlung der Mannschaftsärzte das Medikament EPO zur Leistungssteigerung genommen hatte und bestätigt die Vorwürfe des ehemaligen Masseurs Jef d'Hont.[4]

Am Tag darauf erklärte auch Christian Henn, ehemaliger Profi bei Telekom und zu diesem Zeitpunkt sportlicher Leiter beim Team Gerolsteiner, dass er von 1995 bis 1999 mit EPO gedopt hatte. Henn sollte aber weiterhin im Team Gerolsteiner in seiner aktuellen Funktion angestellt bleiben.[5]

Nachdem die ehemaligen Profis Jens Heppner, Steffen Wesemann, Georg Totschnig und Danilo Hondo, sowie der ehemalige Teamchef Walter Godefroot dementierten, dass sie selbst gedopt hätten oder von organisierten Doping im Team gewusst hatten[6], gestand mit Udo Bölts, der zu diesem Zeitpunkt für das Team Gerolsteiner arbeitete, ein weiterer ehemaliger Radprofi das Doping mit EPO während seiner Zeit beim Team Telekom. Am selben Tag erklärten die Teamärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid, mittlerweile vom Dienst an der Uni-Klinik Freiburg freigestellt, dass sie Fahrer des Team Telekom beim Doping unterstützt hatten. Schmid wies aber darauf hin, dass dies nur in den neunziger Jahren der Fall gewesen sei. Die Universität Freiburg reagierte mit der fristlosen Kündigung der beiden Mediziner.

Am Donnerstag, dem 24. Mai, reagierte die Leitung des Teams T-Mobile mit Teammanager Bob Stapleton und Sportchef Rolf Aldag bei einer Pressekonferenz auf diese Dopinggeständnisse. Aldag gestand, bis 2002 mit EPO gedopt zu haben.[7] Die Leitung erklärte, trotzdem weiterhin an ihm als Sportchef festhalten zu wollen. Auf dieser Pressekonferenz gestand auch Erik Zabel, dass er während der Tour de France 1996 kurze Zeit mit EPO gedopt hatte, danach aber wegen Unverträglichkeit nicht mehr.[8][9][10] Kurz darauf folgte der ehemalige Telekom-Profi und aktuell sportlicher Leiter bei T-Mobile Brian Holm mit einem Geständnis, ebenfalls mit EPO gedopt zu haben.[11]

Während einer Pressekonferenz am 25. Mai 2007 in Kopenhagen gestand Bjarne Riis, in der Zeit von 1993 bis 1998 EPO, Wachstumshormone und Cortison zur Leistungssteigerung eingenommen zu haben. Das EPO kaufte und nahm er nach seinen Angaben selbst ein. Auch sein Sieg bei der Tour de France 1996 stand unter dem Einfluss des Dopingmittels EPO, Cortison und Wachstumssubtanzen, wie Riis öffentlich zugab: „Ich weiß, dass ich mit unerlaubten Mitteln zum Toursieg kam. Aber ich habe trotzdem dafür gearbeitet. Wenn ihr Euch das Gelbe Trikot jetzt holen wollt, bitte, es bedeutet mir nichts. Es liegt im Pappkarton.“ Der Tour-Sieg 1996 wird Riis nicht mehr aberkannt. Der Präsident des Radsport-Weltverbands Pat McQuaid sagte dazu: "Die achtjährige Verjährungsfrist ist abgelaufen, wir schreiben die Geschichte nicht mehr um".[12]

Jörg Jaksche, der von 1998 bis 2000 im Team Telekom aktiv war, hat gestanden, bereits seit 1997 gedopt zu haben. 1999 hatte er die Einnahme von EPO eingestellt aus Angst erwischt zu werden, doch nach ausbleibenden sportlichen Erfolg fuhr er mit dem Doping fort.[13]

Chronologie der Ereignisse

  • 12. Juni 1999: In den Medien berichtet Der Spiegel erstmalig über illegale Praktiken im deutschen Rennstall. Der damalige Fahrer Jan Ullrich und die Firma des Teamchefs Walter Godefroot gingen juristisch gegen den Artikel vor. Ullrich erwirkte den Abdruck einer Gegendarstellung. Das Nachrichtenmagazin hat sich in weiteren Verfahren vor Gericht mit Ullrich und der Godefroot GmbH auf die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungs-Erklärung verglichen.
  • 30. April 2007: Der frühere Team-Masseur Jef D'hont erhebt im Spiegel schwere Anschuldigungen, die sich inzwischen bestätigten.
  • 2. Mai 2007: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen T-Mobile-Ärzte
  • 15. Mai 2007: Die T-Mobile-Ärzte Andreas Schmid und Lothar Heinrich weisen die Vorwürfe zurück
  • 21. Mai 2007: Der ehemalige Telekom-Fahrer Bert Dietz gesteht Doping
  • 22. Mai 2007: Geständnis von Christian Henn
  • 23. Mai 2007: Udo Bölts gesteht. Am Abend gestehen die Ärzte Schmid und Heinrich
  • 24. Mai 2007: Geständnis auf einer Pressekonferenz in Bonn von Erik Zabel und Rolf Aldag; Brian Holm gesteht ebenfalls Doping
  • 25. Mai 2007: Geständnis auf einer Pressekonferenz in Kopenhagen von Bjarne Riis
  • 29. Mai 2007: Mario Kummer dementiert ein angebliches Dopinggeständnis [14]
  • 5. Juni 2007: Walter Goodefroot, ehemaliger Teamchef des Team Telekom, dementiert auf einer Pressekonferenz etwas von den Dopingpraktiken seiner Fahrer gewusst oder Doping gefördert zu haben.[15]
  • 30. Juni 2007: Jörg Jaksche gesteht gegenüber dem Spiegel mit EPO gedopt zu haben.
  • 18. Juli 2007: Bei Patrik Sinkewitz der bereits ausgeschieden ist, wurde ein positiver Dopingtest bekannt, der am 8. Juni 2007, bei einer Trainingskontrolle durchgeführt worden ist.
  • 27. November 2007: T-Mobile erklärt seinen sofortigen Rückzug aus dem Radsport-Sponsoring. Die Mannschaft Team T-Mobile soll unter Leitung von Bob Stapletons Firma „High Road Sport“ weitermachen.[16]

Literatur

Jan-Felix Litter: "Das T-Mobile Team", in: Lars Nuschke / Christian Becker: "Quo vadis Radsport ? Die Skandalsportart zwischen Doping und Sponsoren", Göttingen: Sierke Verlag 2008, S. 185-198, ISBN 3868440011

Einzelnachweise

  1. Ex-Masseur: Planmäßiges Doping bei Telekom Radsport-News.com (Volk Media, 29. April 2007)
  2. Staatsanwalt ermittelt gegen T-Mobile-Ärzte Radsport-News.com (Volk Media, 2. Mai 2007)
  3. Interview mit der Schweizer Zeitung Blick vom 25. Juli 2006
  4. Ex-Profi Bert Dietz packt aus: Organisiertes Doping bei Telekom Radsport-News.com (Volk Media, 21. Mai 2007)
  5. Organisiertes Doping bei Team Telekom: Auch Henn beichtet Radsport-News.com (Volk Media, 22. Mai 2007)
  6. Gegenwind für Geständnisse eurosport.com (Eurosport Media GmbH, 23. Mai 2007)
  7. Willkommen im T-ränenpalast spiegel.de (24. Mai 2007)
  8. Telekom-Prominenz packt aus eurosport.com (Eurosport Media GmbH, 24. Mai 2007)
  9. Aldag gesteht am Donnerstag in Bonn Radsport-News.com (Volk Media, 23. Mai 2007)
  10. Tränenreiche Geständnisse der "EPO-Generation" Radsport-News.com (Volk Media, 24. Mai 2007)
  11. T-Mobile-Sportdirektor Holm gibt EPO-Doping zu Radsport-News.com (Volk Media, 24. Mai 2007)
  12. Spiegel Online Artikel zu Riis´ Geständnis spiegel.de (25. Mai 2007)
  13. Jaksche-Geständnis "Das Doping-System ist gerecht, weil alle dopen" spiegel.de (30. Juni 2007)
  14. Kein Kummer-Geständnis - Astana-Chef Biver: Falsch interpretiert
  15. Godefroot: "War nicht der Mann hinter dem System" radsport-news.com (Volk Media, 5. Juni 2007)
  16. Sponsor zieht Konsequenzen. Telekom steigt aus Radsport aus. Auf: Sport.ARD.de, 27. November 2007.

Siehe auch


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