Aennchen

Aennchen
Datei:Aennchen Schumacher.jpg
Porträt der Aennchen Schumacher, nach einer Fotografie von 1877, an der Hauswand ihres Gasthofes in Bonn-Bad Godesberg
Gasthof „Zur Lindenwirtin Aennchen“

Aennchen Schumacher (* 22. Januar 1860 in Godesberg, heute Bonn-Bad Godesberg; † 2. März 1935 ebenda) war eine besonders bei Studenten berühmte Wirtin und Sammlerin studentischen Liedguts (Autorin des „Ännchen-Liederbuchs“).

Leben und Werk

Aennchen Schumacher übernahm gerade 18-jährig nach dem Tod ihres Vaters, des Gastwirts Wilhelm Schumacher († 11. März 1878), die Leitung des „Gasthofs zum Godesberg“ gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Gertrud Rieck. Ihr rheinischer Frohsinn, ihre liebenswürdige Autorität und ungewöhnliche Musikalität machten den Gasthof bald zu einem der beliebtesten studentischen Treffpunkte Deutschlands. Am 4. Dezember 1891 kauften die Schwestern das Gasthaus von deren Mutter und bauten es aus.

Ihren Beinamen „Lindenwirtin“ verdankt sie einem damals bekannten Studentenlied, Keinen Tropfen im Becher mehr, gedichtet von Rudolf Baumbach 1877, in dem eine namenlose „Lindenwirtin“ auftritt:

Keinen Tropfen im Becher mehr
und der Beutel schlaff und leer,
lechzend Herz und Zunge,
Angetan hat's mir der Wein,
deiner Äuglein heller Schein,
Lindenwirtin, du junge!

Baumbach hatte bei Abfassung dieses Liedes nicht an Ännchen Schumacher gedacht. Diese entdeckte ihrer eigenen Angabe zufolge das Lied 1885 auf der Suche nach Liedern für ihre eigene Sammlung. Ihr gefielen Text und Melodie (komponiert von Franz Abt 1884) so sehr, dass sie es den Studenten in ihrem Gasthaus vorspielte und beibrachte. Das Lied wurde von allen Korporationen mit Freude aufgenommen und gesungen. Schließlich verging kein Abend, an dem das Lied nicht gesungen wurde. So trug Ännchen Schumacher maßgeblich zur Popularität des Liedes bei, wenn sie nicht sogar für dessen heutige Bekanntheit verantwortlich zeichnet.

Schließlich wurde zum Lied noch eine siebte Strophe hinzugedichtet, in der Ännchen selbst mit der Lindenwirtin identifiziert wurde. In ihrer Biographie erklärt Ännchen Schumacher die Urheberschaft dieser siebten Zusatzstrophe: Demnach schrieben diese Prof. Dr. Tacke und Dr. Dafert an einem Sonntagmorgen nach dem Besuch ihres Gasthofes am Vortag und trugen sie Ännchen Schumacher noch am selben Tage vor. Wenig später wurde im Lindensaal, als wieder einmal „die Lindenwirtin“ gesungen wurde, von diesen Herren des Stammtisches von Zimmer 4 (Zimmer der Poppelsdorfer Herren) ein Silentium diktiert und anschließend die folgende 7. Zusatzstrophe den anwesenden Studenten erstmals vorgetragen:

Wißt ihr, wer die Wirtin war,
schwarz das Auge, schwarz das Haar?
Ännchen war's, die Feine.
Wißt ihr, wo die Linde stand,
jedem Burschen wohlbekannt?
Zu Godesberg am Rheine.

Ännchen Schumacher wehrte sich anfänglich nach Kräften dagegen, dass sie Lindenwirtin genannt wurde, weil sie – wie sie selbst schreibt – „nicht so zärtlich veranlagt war“. Allerdings war das vergebens. Infolge dieser an sie herangetragenen Identifikation benannte Ännchen Schumacher 1891 ihren Gasthof in „Zur Lindenwirtin“ um. Sie betrieb die Gastwirtschaft bis zum Ende des Ersten Weltkriegs.

Die vielen Studentenlieder, die in ihrer Wirtschaft gesungen wurden, schrieb sie auf und brachte sie zuerst als „Kleines Kommersbuch“ (1903) heraus, welches in späteren Auflagen den Untertitel „Aennchen-Liederbuch“ erhielt (Illustriertes Kommersbuch (Ännchen-Liederbuch), Godesberg 1924).

Jeden Abend fanden sich über 500 Studenten der verschiedensten studentischen Verbindungen friedlich im Gasthof zusammen. Dieser Zustand war weitläufig als „Bad Godesberger Burgfrieden“ bekannt. Das „Ännchen“ wurde liebevoll die „Mutter der Studenten“ genannt und war für ihre weit über die Belange des Gasthofes gehende Fürsorge bekannt. Zu ihrem 75. Geburtstag, kurz vor ihrem Tod, trafen etwa 5000 Glückwunschkarten aus der ganzen Welt ein, viele nur mit „Aennchen in Deutschland“ adressiert, und sogar der frühere deutsche Kaiser Wilhelm II. gratulierte. Über die Feier berichteten der Deutschlandsender und die Reichssender Köln, München, Frankfurt, Breslau und Hamburg. An diesem Tag wurde sie zur Ehrenbürgerin von Bad Godesberg (damals noch eigenständig; heute zu Bonn gehörend) ernannt.

Eine der wohl berühmtesten Postkarten erreichte die Lindenwirtin „Aennchen“ aber 1902 aus Kiautschou in China. Offiziere der kaiserlichen Marine gaben als Adresse nur ein kleines „n“ und Deutschland an. Die seltsamste und wohl auch kürzeste Anschrift, die jemals für eine Postkarte verwendet wurde, genügte, um die Karte um den halben Erdball ans Ziel ihrer Bestimmung zu bringen. Der Kleinbuchstabe „n“ steht für „n-chen“, gleich lautend wie das Restaurant.

Heute sind in Bonn–Bad Godesberg eine Aennchenstraße, ein Aennchenplatz und ein gemütliches Gourmetrestaurant nach ihr benannt. Letzteres war eigentlich als „Ännchenmuseum“ der Stadt Bad Godesberg gedacht und ist heute ein Treffpunkt für rheinische Prominenz und lokale Privatiers.

Literatur

  • Artikel Schumacher, Ännchen, in: Kluge, Friedrich/Rust, Werner: Deutsche Studentensprache, Bd. 2, Nürnberg 1985, S. 182 f.
  • Ruland, Wilhelm: Ännchen von Godesberg. Ein Rheinlands-Sang aus unseren Tagen. 3. Aufl. Koblenz 1900.
  • Josef Niesen: Bonner Personenlexikon, Bouvier Verlag, Bonn 2007, ISBN 978-3-416-03159-2
  • Ännchen Schumacher: Biographie von Ännchen Schumacher Godesberg, Godesberger Kommersbuchverlag 1929, S. 95 f. (Textergänzungen: Hopkins, Merk Wien)
  • Kommersbuch. Grosse Illustrierte Klavierausgabe. Sammlung von Aennchen Schumacher Godesberg. Godesberg [1924].

Weblinks


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