Dramatische Dichtung

Dramatische Dichtung
Die Musen des Dramas huldigen Goethe (Kreidezeichnung: Angelika Kauffmann)

Drama (von griechisch δρᾶμα dráma „Handlung“) ist ein Oberbegriff für Texte mit verteilten Rollen. Manchmal wird er sehr weit gefasst und schließt sämtliche Theaterstücke, Operntexte oder Drehbücher mit ein, manchmal wird er als Eingrenzung verwendet, etwa nur für die „gehobenen“ oder im Gegenteil für die besonders spannenden oder sentimentalen Theaterstücke. Drama ist Theater mit Textgrundlage, im Unterschied zum improvisierten Stegreiftheater. – Die Dramatik ist neben Epik und Lyrik eine der drei grundlegenden dichterischen Gattungen.

Inhaltsverzeichnis

Genauere Definition

Das Hauptkennzeichen des Dramas nach Aristoteles ist die Darstellung der Handlung durch Dialoge. Dadurch unterscheidet es sich in der Antike vom erzählenden Epos – seit der Neuzeit unterscheidet es sich damit hauptsächlich vom Roman. Nach modernem Verständnis sind Dramen dafür geschrieben, durch Schauspieler im Theater aufgeführt zu werden. Oft enthalten sie daher neben den Dialogtexten auch Anweisungen für die Schauspieler und seit dem 19. Jahrhundert für den Regisseur. Das Lesedrama ist eine spezielle Form des Dramas, die nicht in erster Linie aufgeführt, sondern wie ein Roman gelesen werden soll.

Die Handlung eines Dramas ist häufig in Akte und diese wiederum sind in Szenen oder Auftritte gegliedert. Wenn es mehrere Dekorationen pro Akt gibt, gibt es manchmal eine zusätzliche Einteilung in Bilder. Das klassische französische Drama (Racine, Corneille) teilt sich in fünf Akte. Die italienische, stark mit der Oper verbundene Tradition (vgl. Metastasio) bevorzugt drei Akte. Die Form des Einakters ist aus Zwischenspielen zwischen den Akten der drei- bis fünfaktigen Dramen hervorgegangen.

Geschichte

Das europäische Drama entstand zur Zeit der griechischen Antike im 5. Jahrhundert v. Chr. in Athen: Aischylos, Sophokles und Euripides waren die wichtigsten Dichter der Tragödie. Aristoteles unterteilte im darauf folgenden Jahrhundert in seiner Poetik das Drama in die Tragödie und die später entstandene Komödie. Seine Theorie der Katharsis wurde wegweisend für die europäische Dramengeschichte.

Das geistliche Spiel des Mittelalters ist weder Tragödie noch Komödie. Erst seit der Renaissance erfolgte eine Weiterentwicklung des antiken Dramas. Lange Zeit war das Versdrama die vorherrschende Gattung. In neuerer Zeit überwiegt in den Sprechstücken freie Prosa. – Dass ein Drama gesprochen wird, ist nicht selbstverständlich. Die Oper ab etwa 1600 verstand sich als Wiedergeburt des klassischen griechischen Dramas (siehe Florentiner Camerata).

Während die spanische und englische Dramatik um 1600 (Lope de Vega, Shakespeare) noch Ausläufer einer mittelalterlichen Theatertradition ohne theoretischen Hintergrund war, besann sich die Französische Klassik auf das antike Drama und legte strenge Regeln dafür fest (doctrine classique, Regeldrama), zum Beispiel die sogenannten Drei Aristotelischen Einheiten. Seither haben Dramentheorien eine wichtige gesellschaftliche Funktion, indem sie versuchen, Normen aufzustellen oder zu bekämpfen.

Seit dem 18. Jahrhundert sind Bezeichnungen wie Schauspiel, Lustspiel, Tragikomödie, Bürgerliches Trauerspiel, Charakterstück mit überlappenden Bedeutungen in Gebrauch. Seit dem 19. Jahrhundert wird das Melodrama, das besonders gefühlsbetonte oder spannende Handlungen hat, oft zum Begriff Drama verkürzt.

Manchmal wird das Drama von anderen Theatergattungen unterschieden. Johann Wolfgang Goethe grenzte es von der Tragödie ab (das modernere Drama sei vom „Wollen“, die ältere Tragödie vom „Sollen“ bestimmt), Gustav Freytag unterschied es vom Schauspiel (als einer weniger hochstehenden Gattung).

Aus der Theatertheorie des 20. Jahrhunderts stammen Unterteilungen wie Soziales Drama, Analytisches Drama oder Geschlossene und offene Form im Drama. In dieser Zeit haben neue Medien zu neuen Formen der Dramatik geführt, wie dem Hörspiel oder dem Filmdrama.

Kein dramatischer Text, sondern eine Therapiemethode ist das Rollenspiel im Psychodrama. In den letzten Jahrzehnten haben sich viele Theaterformen ohne Dramentext etabliert, die auch unter dem Schlagwort Postdramatisches Theater zusammengefasst werden. Umgekehrt wird die strenge Unterscheidung zwischen improvisiertem und schriftlich festgelegtem Dialog durch Formen des Rollenspiels im Internet aufgeweicht.

Siehe auch

Literatur

  • Bernhard Asmuth: Einführung in die Dramenanalyse. 6. Auflage. Metzler, Stuttgart 2004, ISBN 3-476-16188-9.
  • Gustav Freytag: Die Technik des Dramas. Reclam, Stuttgart 1983, ISBN 3-15-007922-5 (Nachdr. d. Ausg. Leipzig 1863).
  • Georg Hensel: Spielplan. Der Schauspielführer von der Antike bis zur Gegenwart. Directmedia Publ. 2007, ISBN 978-3-89853-565-6 (1 CD-ROM).
  • Hans-Thies Lehmann: Postdramatisches Theater. Verlag der Autoren, Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-88661-284-8.
  • Manfred Pfister: Das Drama. 11. Auflage. Fink, München 2001, ISBN 3-7705-1368-1.
  • Peter Szondi: Theorie des modernen Dramas (1880–1950). In: Ders.: Theorie des modernen Dramas (1880-1950). Versuch über das Tragische; Hölderlin-Studien; mit einem Traktat über philologische Erkenntnis („Schriften 1“). Suhrkamp, Frankfurt/M. ³1989, S. 9–148, ISBN 3-51810-027-0.

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