- Agent provocateur
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Als Agent Provocateur [aˈʒɑ̃ pʀɔvɔkaˈtœʀ] (frz. etwa für „provozierender Strohmann“) bezeichnet man eine Person, die einen Dritten zu einer gesetzeswidrigen Handlung provozieren soll.
Inhaltsverzeichnis
Strafrecht
Der Einsatz eines Agent Provocateur durch den Staat erfolgt üblicherweise im Auftrag von Behörden wie Polizei oder Geheimdiensten und bezweckt idealerweise die Begehung eines unbeendeten Tatversuchs (Haupttat) mit der Möglichkeit üblicher Beweissicherung (→ in flagranti). Ziel eines solchen Einsatzes ist, verhüllte und gefährliche Kriminalität aus der straflosen Latenz zu locken. Ein Agent Provocateur entstammt regelmäßig dem verdeckten Mitarbeiterumfeld: V-Mann, Verdeckter Ermittler, Inoffizieller Mitarbeiter.
Deutschland
Wer die Tat eines anderen provoziert, um ihn beim Versuch zu überführen, kann nicht wegen Anstiftung zu dieser Haupttat bestraft werden, weil ihm der erforderliche Doppelvorsatz fehlt, insbesondere hinsichtlich des Taterfolgs (§ 26 StGB).
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Einsatz von V-Personen und von verdeckt arbeitenden Polizeivollzugsbeamten zur Bekämpfung besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität, zu der auch der Rauschgifthandel gehört, notwendig und zulässig ist.[1] Tatprovozierendes Verhalten polizeilicher Lockspitzel kann indes nur innerhalb der durch das Rechtsstaatsprinzip gesetzten Grenzen hingenommen werden (vgl. Urt. des Senats in GA 1975, 333, 334; ferner BGH NStZ 1984, 78 m.w.N.).
Die vom Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger Rechtsprechung (NJW 1980, 1761; 1981, 1626; Strafverteidiger 1981, 276; NStZ 1981, 70; 1984, 78) entwickelten wesentlichen Wertungsgesichtspunkte lauten:
- Grundlage und Ausmaß des gegen den Angeklagten bestehenden Verdachts,
- Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme,
- Tatbereitschaft und
- eigene, nicht fremdgesteuerte Aktivitäten des Angeklagten.
Der 1. Senat des BGH nimmt in seinem Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84 kein Verfahrenshindernis durch den unzulässigen Lockspitzeleinsatz an, sondern löst den Fall auf der Seite der Schuld des Angeklagten durch Strafmilderung.
Wird eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch die von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise zu einer Straftat verleitet und führt dies zu einem Strafverfahren, liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK. Dieser Verstoß ist in den Urteilsgründen festzustellen. Er ist bei der Festsetzung der Rechtsfolgen zu kompensieren. Das Maß der Kompensation für das konventionswidrige Handeln ist gesondert zum Ausdruck zu bringen (BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99 – = BGHSt 45, 321).
Urteile des Bundesverfassungsgerichts
- BVerfGE 57, 250- V-Mann Volltext
- BVerfG, NJW 1995, 651
- BVerfGE 107, 339 – NPD-Verbotsverfahren Volltext
BGH-Urteile
- BGHSt 32, 345 - Tatprovokation polizeilicher Lockspitzel Volltext
- BGHSt 45, 321 - Tatprovokation durch Vertrauensperson Volltext
- BGHSt 47, 44 - Tatprovokation durch Vertrauensperson Volltext
Österreich
Die österreichische Strafprozessordnung enthält in § 25 ein ausdrückliches Verbot des Lockspitzeleinsatzes. Gleichwohl hat es der Oberste Gerichtshof bisher stets abgelehnt, aus einer Verletzung dieser Vorschrift prozessuale oder materiellrechtliche Folgerungen für das Strafverfahren gegen den Verlockten zu ziehen.[2]
Beispiele
- Die zaristische Geheimpolizei Ochrana setzte Agents Provocateurs in den revolutionären Bewegungen Russlands ein, einer der bekanntesten war Jewno Fischelewitsch Asef. Er verriet seine Genossen gegen Geld an die Polizei, organisierte aber gleichzeitig Mordanschläge wie den auf den russischen Innenminister Wjatscheslaw Konstantinowitsch von Plehwe 1904 und auf den Großfürsten Sergei Romanow, einen Onkel des Zaren, im Jahre 1905.
- Peter Urbach, ein V-Mann des Berliner Verfassungsschutzes, lieferte Ende der 1960er Jahre Bomben und Waffen an Personen aus der Berliner Studentenbewegung, die später zu den Gründungsmitgliedern der Rote Armee Fraktion gehörten. Außerdem besorgte er eine Bombe für einen Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus durch die Tupamaros West-Berlin 1968.[3] Er erhielt nach seiner Enttarnung eine neue Identität im Ausland.
- Beim Celler Loch ließ die niedersächsische Landesbehörde für Verfassungsschutz im Juli 1978 einen Bombenanschlag auf die JVA Celle ausüben, mit dem Ziel, einen Informanten in die RAF einzuschleusen.
- Im Zuge des NPD-Verbotsverfahrens im Jahre 2001 wurde bekannt, dass NPD-Schlüsselpersonen V-Männer des Verfassungsschutzes waren und gerade deren Äußerungen als Grund für den Verbotsantrag vorgebracht wurden.
- In den USA gehörte es bis zur Abschaffung der "Sodomiegesetze" in den 1960er und 1970er Jahren zur Routine der Polizei, männliche Homosexuelle durch Lockspitzel auf öffentlichen Toiletten und ähnlichen Orten in die Falle zu locken und unter dem Vorwurf der lewdness (deutsch: Unanständigkeit) festzunehmen.
Einzelnachweise
- ↑ BVerfGE 57, 250 [284]; BGHSt 32, 115 [121/122] m.w.N.
- ↑ SSt 27/20 und 50/30
- ↑ Steffen Mayer und Susanne Opalka: Bombenterror gegen jüdische Gemeinde – nach 30 Jahren packt der Täter aus. rbb-online, 10. November 2005
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