Egon Freiherr von Eickstedt

Egon Freiherr von Eickstedt

Egon Freiherr von Eickstedt (* 10. April 1892 in Jeseritz in der damaligen Provinz Posen; † 20. Dezember 1965 in Mainz) war Anthropologe und Rassentheoretiker im Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Egon von Eickstedt stammte aus einer alten adeligen Familie. Seine Schulzeit verbrachte er in Dresden. Er studierte an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin (heute Humboldt-Universität zu Berlin) und an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt Anthropologie, Medizin, Philosophie, Psychologie, Völkerkunde, Geographie, Geschichte und Sprachwissenschaften. Prägend wurde die Begegnung mit dem Anthropologen und Ethnologen Felix von Luschan in den Berliner Studienjahren ab 1913.

Im Ersten Weltkrieg war von Eickstedt Sanitätsunteroffizier. In dieser Eigenschaft erfolgten 1916 erste anthropologische Untersuchungen an kriegsgefangenen Sikhs, welche in der britische Armee dienten. 1916 heiratete von Eickstedt seine Frau Enjo, geborene da Costa Macedo, eine Brasilianerin portugiesischer Abstammung. Aus den Kriegsgefangenen-Untersuchungen ging 1920 seine Promotion mit einer Arbeit über die nordindischen Sikh hervor.

1921 wurde er Assistent am Anatomischen Institut in Freiburg unter der Leitung des Anthropologen Eugen Fischer. 1924 ernannte man ihn zum Leiter der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien unter Otto Reche. 1926 arbeitete er kurz mit dem Anthropologen Theodor Mollison in München zusammen. Im gleichen Jahr startete von Eickstedt seine erste Indien-Expedition, auf der er umfangreiche anthropologische und ethnologische Daten sammelte. 1927 war er kurz Assistent bei dem Geographen Norbert Krebs in Berlin.

Ab 1928 war er Privatdozent am neu gegründeten Anthropologischen Institut in Breslau und dort ab 1933 ordentlicher Professor. Nach seiner Ernennung als Professor bat von Eickstedt um die Aufnahme in die NSDAP, welches jedoch abschlägig beschieden wurde. Trotz dieser Ablehnung arbeitete er infolge eng mit dem Rassenpolitischen Amt der NSDAP und des 1933 eingerichteten Reichssippenamt zusammen. Von Eickstedt war einer der Gutachter für das Reichssippenamt, welche Abstammungsgutachten erstellten, um in strittigen Fällen die Abstammung von Juden, Halbjuden oder Viertel-Juden“ aufzuklären.

1934 erschien seine „Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit“.

1935 gründete er die „Zeitschrift für Rassenkunde“. Gemeinsam mit seiner Assistentin Ilse Schwidetzky führte er eine groß angelegte Regionaluntersuchung Schlesiens durch.

Von 1937 bis 1939 brach er zu einer zweiten Indienexpedition auf, die ihn auch nach China, auf die Philippinen, Malaysia und Indonesien führte. Die Ergebnisse der Indien-Expeditionen gingen in sein Buch „Rassendynamik von Ostasien ein (1944). Die Überarbeitung der „Rassenkunde und Rassengeschichte“ wuchs sich zu einem dreibändigen Werk aus, das die ganze Anthropologie umfasste und erst in den 1960er Jahren abgeschlossen wurde („Die Forschung am Menschen“, 1940-1962).

Kurz vor Kriegsende Einsatz im Büro der FAMO-Werke.

1945 mussten er und seine Frau aus Breslau flüchten. Über Dresden gelangte von Eickstedt nach Leipzig bis er durch die russische Besatzungsmacht in Untersuchungshaft genommen wurde.

Nach seiner Entlassung im August 1946 verließ er Leipzig und nahm eine Berufung an die Universität Mainz an, wo er, zusammen mit seiner ehemaligen Assistentin Schwidetzky, am Aufbau eines neuen Anthropologischen Instituts beteiligt war. 1949 gründete von Eickstedt die „Zeitschrift für Rassenkunde“ unter dem Namen „Homo. Zeitschrift für die vergleichende Biologie des Menschen“ neu. In den 1950er und 1960er Jahren unternahm von Eickstedt mehrfache Forschungsreisen nach Spanien, Marokko und den Mittleren Osten. 1961 erfolgte seine Emeritierung. Ilse Schwidetzky, seine Assistentin in Breslau von 1933 bis 1945 und spätere Biographin wurde in Mainz seine Nachfolgerin. Sie übernahm auch die Leitung der Zeitschrift „Homo. Zeitschrift für die vergleichende Biologie des Menschen“. Von Eickstedt starb 1965 in Mainz nach einem Herzanfall.

Wirken

In seinem Hauptwerk, dem 1934 erschienenen Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit, entwickelte Eickstedt eine Einteilung der Menschheit in drei geographische »Großrassen« (Europide, Mongolide, Negride) die trotz gegenteiliger Erkenntnisse moderner Populations- und Molekulargenetik bis heute in einigen populären und wissenschaftlichen Schriften verbreitet wird. Diese Großrassen seien während der Eiszeit in drei Isolaten oder „Züchtungsräumen“ durch Mutation und Selektion herausgebildet worden.

Er vertrat die Auffassung, »Rasse« könne in einer »Typenschau« von einem „erfahrenen Wissenschaftler“ anhand des Augenscheins auch unmittelbar wahrgenommen werden.

Bei der Klassifizierung orientierte er sich an der äußeren Erscheinung, die er mit den Methoden der Anthropometrie vermaß. Er glaubte so mit Hilfe seiner »Rassenformeln« die Mischungsanteile verschiedener »Rassen« im Individuum bestimmen und die prozentualen »Rassenanteile« in den Bevölkerungen ermitteln zu können. Dabei setzte er voraus, dass »Rasse« eine räumlich und zeitlich invariante Größe sei, die durch genetische Rekombination bei der Fortpflanzung nicht zerstört werde und daher (anteilig) auf die Nachkommen übergehe.

Rassensystematik nach von Eickstedt (1934)
Europide Mongolide Negride
Blondrassengürtel:

Nordide, Teutonordide, Dalofälide, Fennonordide, Osteuropide
 

Polargürtel:

Sibiride, Westsibiride, Ostsibiride, Eskimide
 
 

Kontaktgürtel:

Äthiopide, Nordäthiopide, Ostäthiopide, Zentraläthiopide, Indomelanide, Südmelanide, Nordmelanide

Braunrassengürtel:

Mediterranide, Grazilmediterranide, Eurafrikanide, Berberide, Orientalide, Indide, Grazilindide, Nordindinide, Indobrachide, Pazifide, Polineside, Mikroneside

Nordmongolide:

Tungide, Sinide, Nordsinide, Mittelsinide, Südsinide
 
 
 

Westnegride:

Sudanide, Nilotide, Kafride, Palänegride
 
 
 

Bergrassengürtel:

Alpinide, Westalpinide, Lappide, Dinaride, Armenide, Turanide, Aralide, Pamiride

Südmongolide:

Palämongolide, Palaungide, Neside
 

Ostnegride:

Neomelaneside, Palämelaneside, Australide
 

Alteuropide:

Weddide, Wedda, Gondide, Malide, Toalide, Ostweddide, Ainuide

Indianide:

Indianide
 

Khoisanide:

Khoisanide, Khoide, Sanide
 

Nordindianide:

Pazifide, Zentralide, Silvide, Planide, Appalacide, Margide

Pygmide:

Bambutide, Negritide, Aetide, Semangide, Andamanide
 

Südindianide:

Andide, Patagonide, Brasilide, Lagide, Fuegide, Südfuegide, Huarpide

Eickstedt war, so der Humanbiologe Horst Seidler und der Arzt Andreas Rett, der Schöpfer einer „rassendiagnostischen Formel“, die im NS-Staat zur Durchführung der Nürnberger Gesetze (1935) angewandt wurde. Diese einfache Formel zielte auf die „rassische“ Klassifizierung einer Person gemäß sechs physischen Kriterien (Körpergröße, Gesichtsform, Nasenform, Haarfarbe, Augenfarbe) ab, die dem NS-Kanon von sechs europäischen „Systemrassen“ („nordische“, „westische“, „ostische“, „ostbaltische“, „dinarische“, „fälische“ „Rasse“) zugeordnet wurden.[1]

Eickstedt war der Überzeugung, dass neben der äußeren Erscheinung auch Charakter und Verhalten eines Menschen durch die »Rasse« determiniert würden.

Japan war für ihn der „gefährlichste biologische und wirtschaftliche Gegner aller Europäer“ (S. 886). Migrationsbewegungen aus den Ländern der südlichen Peripherie Europas nannte er eine „farbige Gefahr“, die als „Einwanderungsbewegung und wirtschaftliche Einflussnahme“ der militärischen Eroberung Europas vorausgehe (S. 887). Bildung in Asien betrachtete er als Bedrohung und „größte[n] Rassenverrat der Weltgeschichte“, da die „unreifen“ Asiaten mit ihrer „Halbbildung in ihrer ganzen Überheblichkeit und Engstirnigkeit, mit ihren niederen Instinkten und ihrem Hass gegen alles Höhere“ zum Führer gegen Europa würden (S. 887). Negride, Drawidas und Südostasiaten bezeichnete er als „Primivrassen“, die für immer in einem infantilen Entwicklungsstadium zurückgeblieben seien, Aborigines, Tamilen und Wedda verglich er mit jungen Gorillas (Die Forschung am Menschen, Bd. 1, S. 53 f.).

Der Wissenschaftshistoriker Benoit Massin ordnete von Eickstedt als „eher ein gemäßigter akademischer Nationalsozialist“ ein.[2] Seine Gutachtertätigkeit für das Reichssippenamt bewertete er mit „so haben Anthropologen und Humangenetiker als Rassengutachter das berufliche Schicksal und ab 1941 das Lebensschicksal von einigen tausend Menschen mit ‚unklarer Herkunft‘ bestimmt.“[3]

Eickstedts Ausgewählte Lichtbilder zur Rassenkunde des deutschen Volkes (1933) wurde in der Sowjetischen Besatzungszone und sein Die rassischen Grundlagen des deutschen Volkstums (1941) in der Deutschen Demokratischen Republik auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[4][5]

Zitate

  • „Rasse, Blut und Boden sind wichtiger als parlamentarische Tageserfolge.“[6]
  • „Unter planmäßiger Förderung des Führes und seiner Mitarbeiter tritt die Rassenwissenschaft ihren Siegeszug in die schon verfallende Welt des Liberalismus an und versetzt ihr durch ihre Durchschlagskraft den Todesstoß. Wegen ihrer weltanschaulichen Bedeutung kann man der Rassenkunde nicht nur den Wert eines beliebigen neuen Wissensgebiet zumessen, man muß sie vielmehr als eine Wissenschaft größter politischer und pädagogischer Ausdehnung betrachten.“[7]
  • „Dem Nationalsozialismus ist wiederholt der Vorwurf der Demagogie in seiner Rassenlehre, vor allem in der Judenfrage, gemacht worden. Und doch kommt man bei einer gründlichen und tiefen Beschäftigung mit dieser Frage zu einem Ergebnis, das den offiziellen Standpunkt der NSDAP vollkommen verständlich macht.“[8]

Werke

Monographien (Auswahl)

  • Die rassischen Grundlagen des deutschen Volkstums. Köln. Schaffstein Vlg. 1934
  • Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit. Stuttgart 1934.
  • Grundlagen der Rassenpsychologie. Stuttgart. 1936
  • Rassendynamik von Ostasien. China und Japan, Tai und Kmer von der Urzeit bis heute.. Berlin 1944.
  • Die Forschung am Menschen 3 Bände. Stuttgart. 1940-1962.
  • Türken, Kurden und Iraner seit dem Altertum. Probleme einer anthropologischen Reise. Stuttgart 1961.

Sammelwerke und Zeitschriften

  • Bevölkerungsbiologie der Großstadt. Stuttgart 1941.
  • Zeitschrift für Rassenkunde. 1935-1944.
  • Zeitschrift Homo. 1949 – ?.

Aufsätze (Auswahl)

  • Rassenelemente der Sikh. In: Zeitschrift für Ethnologie 52/53; Seite 317-368. 1920-21.
  • Beiträge zur Rassenmorphologie der Weichteilnase.In: Zt. f. Morphologie und Anthropologie 25 Seite 171-220. 1925.
  • Die Negritos und das Negritoproblem. In: Anthropologischer Anzeiger 4 Seite 275-293. 1927.
  • Die Negritos der Andamanen. In: Anthropologischer Anzeiger 5 Seite 251-268. 1928.
  • Der Zentral-Dekkan und die Rassengliederung Indiens. In: Anthropologischer Anzeiger 8 Seite 89-103. 1931.
  • Die anthropologische Stellung von Indochina. In: Zt. f. Morphologie und Anthropologie 34 Seite 79-83. 1934.
  • Die Mediterranen in Wales. In: Zeitschrift für Rassenkunde 1 Seite 19-64. 1935.
  • Ganzheitsanthropologie. In: Zeitschrift für Rassenkunde 3 Seite 1-10. 1936.
  • Hormone und Boden. Die Stellung eines Problems. In: Landeskundliche Forschung. Festschrift für Norbert Krebs Seite 67-82, Stuttgart. 1936.
  • Rassen im schlesischen Raum. Sinn und Ergebnisse der RUS. In: Raumforschung und Raumordnung 3 Seite 424-436. 1939.
  • Wie sahen die Hunnen aus? Eine anthropologisch-historische Untersuchung. In: Zeitschrift für Rassenkunde 13 Seite 217-250. 1942.
  • Völkerbiologische Probleme der Sahara. Die Anthropologie der Tuareg und Tebu und die Rassengeschichte der antiken West-Aethiopier. In: Beiträge zur Kolonialforschung Tagungsband I Seite 169-240. 1943.
  • Biodynamik der Europiden. In: Historia Mundi Band 1 Seite 115-134, München. 1952.
  • Rassentypen und Typendynamik von Asien. In: Historia Mundi Band 1 Seite 147-166, München. 1952.
  • Der Ursprung der Inder. In: Indien und Deutschland, Nehru-Festschrift Seite 48-70. 1956.
  • Anthropologie mit und ohne Anthropos. In: Homo 14 Seite 1-16. 1963.

Quellen

  1. Brigitte Fuchs: Rasse, Volk, Geschlecht.: anthropologische Diskurse in Österreich 1850-1960. Campus Verlag 2003. S. 282.
  2. Benoit Massin: „Anthropologie und Humangenetik im Nationalsozialismus oder: Wie schreiben deutsche Wissenschaftler ihre eigene Wissenschaftsgeschichte?“ in: „Wissenschaftlicher Rassismus: Analysen einer Kontinuität in den Human- Naturwissenschaften“ von Christian Saller und Heidrun Kaupen-Haas, Campus Verlag 1999, S. 25.
  3. Benoit Massin: „Anthropologie und Humangenetik im Nationalsozialismus oder: Wie schreiben deutsche Wissenschaftler ihre eigene Wissenschaftsgeschichte?“ in: „Wissenschaftlicher Rassismus: Analysen einer Kontinuität in den Human- Naturwissenschaften“ von Christian Saller und Heidrun Kaupen-Haas, Campus Verlag 1999, S. 41.
  4. http://www.polunbi.de/bibliothek/1948-nslit-e.html
  5. http://www.polunbi.de/bibliothek/1953-nslit-e.html
  6. Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit, S. 889.
  7. Ausgewählte Lichtbilder zur Rassenkunde des deutschen Volkes, 1933 Begleitheft, 2. Auflage S. 5.
  8. Ausgewählte Lichtbilder zur Rassenkunde des deutschen Volkes, 1933 Begleitheft, 2. Auflage S. 19.

Literatur

  • Uwe Hoßfeld: Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland. Von den Anfängen bis in die Nachkriegszeit.. Franz Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08563-7.
  • Heidrun Kaupen-Haas, Christian Saller: Wissenschaftlicher Rassismus. Analysen einer Kontinuität in den Human- und Naturwissenschaften., Campus Verlag 1999, ISBN 3-593-36228-7.
  • Andreas Lüddecke: Rassen, Schädel und Gelehrte. Zur politischen Funktionalität der anthropologischen Forschung und Lehre in der Tradition Egon von Eickstedts. Europäische Huchschulschriften, Reihe III Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Band 880, Peter Lang, Frankfurt a.M. 2000.
  • Ilse Schwidetzky: Egon Freiherr von Eickstedt. In: Homo 3 Seite 49-56, 1952.
  • Ilse Schwidetzky: Egon Freiherr von Eickstedt. Begriff und Gestalt des Lebendigen Menschen. Forscher und Wissenschaftler im heutigen Europa. Gestalter unserer Zeit. Band 4, Seite 317-324, Stalling, Oldenburg 1955.
  • Ilse Schwidetzky: Egon Freiherr von Eickstedt 10.4.1892 - 20.12.1965. In: Homo 16 Seite 197-200, 1965.
  • I. Schwidetzky, A. Kandler-Palsson, R. Knußmann, F.W. Rösing: Biographie Egon Freiherr von Eickstedt (10.4.1892 - 20.12.1965). In: Homo 43 Seite 3-28, 1992.

Weblinks


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