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Erich Ehrlinger (* 14. Oktober 1910 in Giengen an der Brenz; † 31. Juli 2004 in Karlsruhe[1]) war SS-Brigadeführer und als Befehlshaber des Sonderkommandos 1b für Massenmorde im Baltikum und in Weißrussland verantwortlich; er war Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) Russland-Mitte und anschließend Amtschef im Reichssicherheitshauptamt (RSHA). Einen Doktorgrad, wie man manchmal liest, hatte er nicht.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Jugend und Studium
Ehrlinger war Sohn des Bürgermeisters (1929-45) von Giengen. 1928 Abitur in Heidenheim, dann Jurastudium in Tübingen, Kiel, Berlin (wo er 1931 in die SA eintrat) und wieder Tübingen. Das völkisch-fremdenfeindliche Klima an der Universität Tübingen (schon im Jahre 1931 gab es dort keinen jüdischen Professor mehr) begünstigte so manche spätere Juristen-Karriere im SD, dem RSHA und in den Einsatzgruppen. Zu diesen oft promovierten Juristen gehörten Walther Stahlecker, Erwin Weinmann, Martin Sandberger, Rudolf Bilfinger, Albert Rapp und Eugen Steimle.
Als NS-Studentenfunktionär war Ehrlinger nicht nur an der Hochschule aktiv. In seinem SA-Führungszeugnis hieß es: „Ehrlinger war einer der wenigen Tübinger Verbindungsstudenten, die sich schon vor der Machtergreifung bedingungslos der SA zur Verfügung gestellt haben. [Ehrlinger war] beim Saalschutz, Propaganda- oder Geländedienst regelmäßig auf dem Platze.“
Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten
Anlässlich eines SA-Führerlehrgangs Anfang 1934 entschloss sich Ehrlinger, seine juristische Berufslaufbahn aufzugeben und hauptamtlicher SA-Funktionär zu werden. Zwischenzeitlich Leiter einer SA-Sportschule auf Burg Rieneck bei Gemünden und Funktionär beim „Chef AW“ (SA-Ausbildungswesen), orientierte er sich nach dessen Auflösung Mai 1935 um und wechselte zum SD. Schon im September 1935 wurde er im Berliner SD-Hauptamt eingesetzt.
Ehrlinger war für den SD 1938 in Österreich, im April 1939 in Prag und im Gruppenstab der Einsatzgruppe IV beim deutschen Angriff auf Polen im Einsatz. Im August 1940 traf er in Norwegen beim Aufbau der dortigen Waffen-SS seinen späteren Vorgesetzten Walter Stahlecker. Im April 1941 übernahm er die Führung des Sonderkommandos 1b innerhalb der Einsatzgruppe A, deren Anführer Stahlecker war.
Ehrlingers 70 bis 80 Mann starke Einheit folgte nach Kriegsbeginn gegen die Sowjetunion der Heeresgruppe Nord ins Baltikum bis in den Raum südlich Leningrad. Er leitete den Massenmord an Juden hinter der Front, insbesondere in der Gegend von Kowno (Kaunas), Dünaburg (lettisch: Daugavpils) und Rositten (lettisch: Rēzekne). Am 16. Juli 1941 wurde vom SD z. B. bezüglich Dünaburg gemeldet, durch das EK 1b seien „bis jetzt 1.150 Juden erschossen“ worden (Ereignismeldung UdSSR Nr. 24). Ehrlinger zeigte sich bei diesen Aktionen „als hartgesottener SS-Täter, der selbst an den Erschießungsgruben stand und die Täter anfeuerte“ (Wildt): „breitbeinig, mit umgehängter Maschinenpistole, die Arme in die Hüften gestützt“.
Nach Beendigung der Aufgabe des Einsatzkommandos wurde er im Dezember 1941 zum Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Kiew ernannt. Auch hier fanden auf seine Anordnung hin viele Exekutionen statt. Bei den Erschießungen häufig anwesend, griff er auch selbst zur Waffe, wenn er der Meinung war, dass sie zu langsam vonstatten gingen.
Im September 1943 wurde er zum SS-Standartenführer ernannt und kam nach Minsk, wo er Beauftragter Kaltenbrunners beim kommandierenden General der Sicherungstruppen und Befehlshaber der Heeresgruppe Mitte wurde und außerdem die Ämter des Chefs der Einsatzgruppe B und des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD für Russland-Mitte und Weißruthenien übernahm. Dort war er am Mord an den verbliebenen Minsker Juden beteiligt und befahl die Teilnahme sämtlicher Offiziere „da es immer noch SS-Führer gebe, die bislang keinen Schuss abgegeben hätten“.
1944 kehrte Ehrlinger nach Berlin zurück und wurde am 1. April 1944 Chef des RSHA Amtes I (Personal). Im November 1944 wurde Ehrlinger auf Grund besonderer Fürsprache Ernst Kaltenbrunners bei Himmler zum SS-Oberführer befördert.
Nach 1945
Nach Kriegsende versteckte sich Ehrlinger zuerst in Schleswig-Holstein unter dem Namen Erich Fröscher und ging dann im Oktober 1945 nach Roth bei Nürnberg. 1950 zog er mit seiner Familie nach Konstanz und arbeitete unter falschem Namen als Empfangschef im dortigen Spielkasino. 1952 heiratete er zum zweiten Mal und offenbarte dabei (ohne Konsequenzen für ihn) seine Identität. 1954 wurde er Leiter der Volkswagenvertretung in Karlsruhe.
Im Dezember 1958 wurde er festgenommen. Vom Landgericht Karlsruhe im Dezember 1961 zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt, ging das Verfahren nach Berufung durch die Staatsanwaltschaft zurück an die erste Instanz, wurde jedoch schließlich „wegen dauernder Verhandlungsunfähigkeit“ Ehrlingers 1969 eingestellt. Auf freiem Fuß war er bereits seit 1965 gewesen.
Literatur
- Michael Wildt: Generation der Unbedingten – Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburger Edition, Hamburg 2003, ISBN 3930908751
- Michael Wildt: Erich Ehrlinger - Ein Vertreter „kämpfender Verwaltung“. In: Klaus-Michael Mallmann, Gerhard Paul: Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täterbiographien. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-16654-X.
Weblinks
PND: Datensatz zu Erich Ehrlinger bei der DNB – Keine Treffer im DNB-OPAC, 26. Dezember 2007 - Biographie und Bild von Ehrlinger (italienisch)
- Vorlesung von Prof. Michael Wildt über die Tübinger Exekutoren der Endlösung (Ehrlinger u.a.) Videoaufzeichnung
Einzelnachweise
- ↑ Peter Stadlbauer: Eichmanns Chef: Erich Ehrlinger
Personendaten NAME Ehrlinger, Erich KURZBESCHREIBUNG SS-Brigadeführer GEBURTSDATUM 14. Oktober 1910 GEBURTSORT Giengen an der Brenz STERBEDATUM 31. Juli 2004 STERBEORT Karlsruhe
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