- Einheitsfrontpolitik
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Einheitsfront bezeichnet die Kooperation von Kommunistischen Parteien (KPen) mit vornehmlich sozialistischen oder sozialdemokratischen Kräften und anderen organisierten Kräften der Arbeiterschaft. Die Methode der Einheitsfront, die auf dem Prinzip der Einheit aller Arbeiter im Kampf beruht, ist so alt wie die Arbeiterbewegung selbst. Die Erste Internationale, die ein politisch heterogener Zusammenschluss von Marxisten, Blanquisten, Anarchisten u. a. Strömungen war, wird gemeinhin nicht als Einheitsfront bezeichnet, ebenso wenig wie die deutsche Sozialdemokratische Partei, die 1875 durch eine Fusion aus Marxisten um August Bebel und Wilhelm Liebknecht und Anhängern von Ferdinand Lassalle entstand.
Bedeutung erlangte der Begriff erst in den 1920er Jahren, wo er auch als erstes offiziell verwendet wurde. Der Begriff „Einheitsfront“ gilt dabei als eine Losung und eine Strategie der Kommunistischen Internationale (Komintern), die diese seit ihrem III. Weltkongress von 1921 verfolgte, um die seit dem 19. Jahrhundert und besonders seit 1914/1918 bestehende ideologische und organisatorische Aufspaltung der Arbeiterbewegung zu überwinden. Die mit der Umsetzung der Einheitsfrontlinie verbundene Losung war „Heran an die Massen!“ Als Konsequenz fanden 1922 in Berlin Verhandlungen der Komintern mit Vertretern anderer Linksparteien statt. Auf dem IV. Weltkongress wurde diese Linie 1922 offiziell bestätigt.
Inhaltsverzeichnis
Konzeption und Methodik der Einheitsfront
Grundlage der Einheitsfrontkonzeption ist die programmatische und organisatorische Eigenständigkeit der beteiligten Kräfte. (Motto: Getrennt marschieren - vereint schlagen! Durch den gemeinsamen Kampf für gemeinsame Ziele, für die unmittelbaren Interessen der Masse der lohnabhängig Beschäftigten (Arbeiterklasse), der Arbeiter, Arbeitslosen und städtischen und ländlichen Kleinbürger (arme Kleinbauern) sollte die Masse der Proletarier und „Halbproletarier“ von der praktischen Überlegenheit der revolutionären Methoden und Programmatik überzeugt werden. Die Einheitsfrontkonzeption beruht dabei auf der Überzeugung, dass Revolutionäre nur im entschlossenen Kampf um die kleinsten Tagesforderungen der Massen (höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen etc.), bei denen die Kommunisten sich als die Entschlossensten und Weitgehendsten zeigen würden, deren Vertrauen gewinnen könnten.
Erklärtes Ziel der KPen war es, die sozialdemokratische und christliche Basis durch die praktischen Erfahrungen im gemeinsamen Kampf mit den Kommunisten von ihrer so genannt staatstragenden, reformistischen, zaudernden und kompromisslerischen Führung zu lösen. Für die Kommunisten, die außer in Russland (Sowjetunion) in den meisten Ländern eine Minderheit innerhalb der Arbeiterbewegung darstellten, war die Einheitsfrontpolitik vor allem eine Methode zur Gewinnung der Macht über die Arbeiterbewegung.
Geschichte der Einheitsfront bis zum Aufkommen des Nationalsozialismus
Theoretische Rezeption der Einheitsfrontlinie und ihre Anwendung in Deutschland
Nach dem als „Märzaktion“ bekannt gewordenen gescheiterten Versuch der KPD, im Jahr 1921 mittels eines isolierten und schlecht vorbereiteten Aufstands an die Macht zu gelangen, ging man in Deutschland zu einer langfristig angelegten Taktik über. Die im selben Jahr von der Komintern ausgearbeitete Einheitsfrontstrategie (die zur weltweiten Strategie wurde) basierte wesentlich auf der deutschen Erfahrung. Hinzu kam eine theoretische Verallgemeinerung der russischen Erfahrung von 1917. (Phase zwischen Februarrevolution und Oktoberrevolution, wo die Bolschewiki durch eine Einheitsfront gegen den Kornilow-Putsch zur stärksten Kraft in den Sowjets wurden.)
Von der „linken“ und „ultralinken“ Opposition innerhalb der KPD, die weiterhin eine „Offensivtheorie“ (unmittelbare Orientierung auf die revolutionäre Machteroberung und Bekämpfung der Sozialdemokratie) vertrat, wurde diese neue Linie allerdings als „opportunistisch“ abgelehnt. Ebenso von der linkskommunistischen KAPD und den niederländischen Theoretikern des „Linkskommunismus“ bzw. „Rätekommunismus“ (Herman Gorter, Anton Pannekoek), gegen deren Ansichten Lenin bereits in seiner Schrift Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus im Jahr 1920 polemisiert hatte. Die endgültige Trennung zwischen (V)KPD (der aus der Vereinigung von alter KPD und linker USPD hervorgegangenen, an der Komintern orientierten Massenpartei) und der kleinen, sich in den nächsten Jahren zunehmend isolierenden „linksradikalen“ KAPD wurde besiegelt.
Die neue VKPD (die sich bald darauf wieder einfach KPD nannte) wandte die Einheitsfrontmethode seitdem an (mit Ausnahme der „linken“ Phase 1924/25 unter der Führung von Ruth Fischer und Arkadi Maslow, wo die KPD vorübergehend zur "Offensivtheorie" zurückkehrte). Bis zur „ultralinken Wendung“" nach dem VI. Komintern-Weltkongress von 1928 war die Einheitsfrontlinie die vorherrschende strategische Doktrin der Kommunisten.
Bekannte Beispiele für die Anwendung der Einheitsfrontmethode in Deutschland waren der Widerstand gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920 (obwohl vor der offiziellen Formulierung der Einheitsfrontmethodik durch die Komintern) und die (letztlich doch gescheiterte) gemeinsame Kampagne von KPD und SPD zur Fürstenenteignung (1926).
Einheitsfrontregierung als höchste Form
Die Einheitsfrontregierung – als eine Koalitionsregierung von Kommunisten und linken Sozialdemokraten – wurde in der Theorie der Komintern als „höchste Form der Einheitsfront“ bezeichnet. Jedoch kann eine Einheitsfrontregierung ihre aus kommunistischer Sicht progressive und die revolutionäre Machtergreifung des Proletariats fördernde Rolle nur in einer Situation des Aufschwungs der Arbeiterbewegung spielen. Es bedürfe eines zugespitzten Klassenkampfes und einer allgemeinen Radikalisierung des Proletariats, bei der sich die Machtfrage unmittelbar stellt.
In Deutschland gab es eine solche Einheitsfrontregierung während der vorrevolutionären Situation im Herbst 1923 in Sachsen und Thüringen. Unter der Ägide der dortigen Arbeiterregierung (mit kommunistischen Ministern) bildeten sächsische und thüringische Arbeiter eine Art Miliz, „Proletarische Hundertschaften“, welche als bewaffnete Gegenmacht zur Reichswehr und zu den rechten Wehrverbänden („Stahlhelm“ und andere) fungierten. Für die KP war die Einheitsfrontregierung ein Schritt zur revolutionären Machteroberung, zur Errichtung einer „Arbeiter- und Bauernregierung“ nach sowjetischem Typ - Bestrebungen, die dann den energischen Widerstand der Reichsregierung herbei riefen.
In jener Phase gelang es der KPD kurzzeitig, zur führenden Kraft in der deutschen Arbeiterbewegung zu werden. Selbst in ländlichen Gebieten, wie bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Stelitz im Sommer 1923, erlangte die KPD ebenso viele Stimmen wie die SPD. Eine betriebsinterne Abstimmung im Juli unter den Berliner Metallarbeitern ergab 54.000 Stimmen für die KPD gegen 22.000 für die SPD. Doch verlor die KPD diesen Einfluss schnell wieder, nachdem die geplante revolutionäre Machteroberung, der „Deutsche Oktober“, im Herbst 1923 scheiterte.
Das Scheitern einer antifaschistischen Einheitsfront
In der politischen Praxis war das Verhältnis der KPen zu den Sozialdemokraten in den 1920er und frühen 1930er-Jahren weniger durch Einheit als vielmehr durch Gegensätze gekennzeichnet. Die tiefen Gegensätze zwischen den revolutionären Kommunisten und den staatstragenden Sozialdemokraten führten dazu, dass man sich als Feinde ansah.
Die Sozialdemokratie sah in Kommunisten und der extremen Rechten (Deutschnationale und Nationalsozialisten) gemeinsame Feinde der Demokratie und der Republik. Die Sozialdemokratische Führung lehnte daher die Zusammenarbeit ihrer Mitglieder mit den Kommunisten ab.
Die Sozialfaschismusthese der KPen wiederum - die 1925 erstmals formuliert wurde - und in der 2. Hälfte der 20er Jahre (seit dem VI. Weltkongress) zur offiziellen Linie der Komintern wurde, stellte die Sozialdemokratie als den „linken Flügel des Faschismus“ dar, der darum vorrangig zu bekämpfen war.
Ereignisse wie der „Blutmai“ von 1929, wo ein sozialdemokratischer Polizeipräsident Karl Friedrich Zörgiebel in Berlin auf eine (illegale) kommunistische Demonstration schießen ließ, verschärften die Spaltung. Die Bildung einer effektiven antifaschistischen Einheitsfront aus Kommunisten, Sozialdemokraten, freien Gewerkschaften und christlichen Arbeiterverbänden kam deshalb nicht zustande. In Deutschland wurde damit ein effektives Zusammengehen der Arbeiterorganisationen gegen die erstarkenden und mittels ihrer Sturmabteilungen (SA) gewaltsam und terroristisch gegen die Arbeiterbewegung vorgehenden Nationalsozialisten verhindert.
Oppositionelle Kommunisten wie vor allem Leo Trotzki und die mit ihm verbundene Linke Opposition der KPD, der Leninbund, die Versöhnler sowie die „Rechtsopposition“ (in Deutschland die KPO) und auch andere sozialistische Gruppen wie die SAPD und der ISK bekämpften diese Politik vergeblich.
Zwar hielt sich die von Ernst Thälmann geführte, stalinistisch gewordene KPD nicht mit Aufrufen an die SPD-Basis zurück, eine Einheitsfront zu bilden. Doch sollte dieses „Rote Einheitsfront“ genannte Bündnis als „Einheitsfront von unten“ (gegen die sozialdemokratischen Führer) angelegt sein. Die KPD machte den politischen Bruch der sozialdemokratischen Basisaktivisten praktisch zur Vorbedingung einer Aktionseinheit und führte damit das Prinzip der Einheitsfrontmethode ad absurdum.
Die SPD wiederum schloss sich mit den Gewerkschaften zur scharf antikommunistisch und antinationalsozialistisch ausgerichteten „Eisernen Front“ zusammen.
„Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront ...“ forderten 1934 Bertolt Brecht (Text) und Hanns Eisler (Musik) im Einheitsfrontlied. Zu diesem Zeitpunkt, nach dem Aufstieg des Faschismus in Europa, galt die „Einheitsfrontpolitik“" der Komintern jedoch längst als gescheitert. Doch gelang es 1934 in Frankreich, ein Aktionsbündnis von SFIO, PCF und CGT gegen die extreme Rechte zu schmieden. Dies kündigte einen Kurswechsel in der Komintern an.
Unterschied zur Volksfront
So wurde seit 1935 (ab dem VII. Weltkongress) von der Komintern die Volksfrontpolitik propagiert. Diese vor allem von Georgi Dimitrow theoretisierte Linie sah - im Gegensatz zur proletarischen Einheitsfrontpolitik - ein Zusammengehen der Arbeiterparteien mit bürgerlichen Parteien vor auf der Grundlage eines bürgerlichen Programmes zur „Verteidigung der Demokratie“ gegen den Faschismus. Volksfrontegierungen gab es Mitte der 1930er Jahre in Frankreich (unter Léon Blum) und in Spanien (Francisco Largo Caballero, Juan Negrín). (Siehe: Spanischer Bürgerkrieg.) Seit dem VII. Weltkongress der Komintern wurde die „Volksfrontlinie“ zur grundlegenden Strategie der kommunistischen (stalinistischen) Parteien. Die proletarische Revolution wurde im Sinne einer Etappentheorie zeitlich von einer bürgerlich-demokratischen Phase des Kampfes getrennt. Die Bezeichnung „Deutsche Demokratische Republik“ (und nicht „Sozialistische Republik“) für den 1949 im Osten Deutschlands gegründeten Staat im Machtbereich der Sowjetunion ist eine Folge der „Etappenkonzeption“, die eine „antifaschistisch-demokratische Phase“ als der sozialistischen Umgestaltung notwendig vorausgehend annimmt und diese Etappen/Phasen strikt voneinander trennt. (Im Gegensatz zur Theorie der Permanenten Revolution.)
Obwohl beide Begriffe von den stalinistischen KPen im folgenden oftmals synonym benutzt wurden, handelt es sich um unterschiedliche Konzeptionen der Bündnispolitik und unterschiedliche Zielsetzungen: Während die Einheitsfrontkonzeption den gemeinsamen Kampf aller Arbeiterorganisationen - gemäß dem Grundsatz „Klasse gegen Klasse“ für die sozialen Ziele des Proletariats bedeutet, bleibt die Programmatik der Volksfront (die ihrer Natur nach ein Bündnis von Arbeiterparteien mit bürgerlichen Parteien ist) im Rahmen eines bürgerlich-demokratischen Programms. Einige nichtstalinistische Kommunisten (vor allem Trotzkisten) lehnen die Volksfrontmethode ab und halten an der auf den III. und IV. Komintern-Weltkongress zurückgehenden Einheitsfrontmethode fest.
Heutige Bedeutung der Einheitsfront
Die „klassische“ Einheitsfront ist aufs Engste mit einer spezifischen historischen Situation verbunden: nämlich mit einer Phase des Nebeneinanderexistierens von ideologisch verschiedenen linken/sozialistischen Massenorganisatonen und Parteien mit Orientierung auf die Arbeiterklasse und einer entsprechenden Basis. Mit der Marginalisierung der Kommunistischen Parteien in einigen Ländern und ihrer Entstalinisierung in anderen (bis hin zum faktischen Zusammenbruch dieser Parteien) nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Kollaps des „real existierenden Sozialismus“ 1989-1991 und der Verbürgerlichung der sozialdemokratischen Parteien kann man nicht mehr von einer „klassischen“ Einheitsfront sprechen. Jedoch stellt sich die Frage von Zielsetzung und Charakters von politischen Bündnissen und der Strategie zur Gewinnung von Massenverankerung - also die Anwendung der Einheitsfrontmethode - bei revolutionär-sozialistischen Gruppen auch in der heutigen politischen Praxis.
China
Die zeitweise Zusammenarbeit der chinesischen KP mit der nationalistischen Guomindang/Kuomintang-Partei gegen die japanische Besatzung wird in der offiziellen chinesischen Geschichtsschreibung als Phase der „Einheitsfront“ bezeichnet.
- die erste Allianz der KP Chinas und der Guomindang, siehe Erste Einheitsfront
- die zweite Allianz der KP Chinas und der Guomindang, siehe Zweite Einheitsfront
Siehe auch
Literatur
- Abendroth, Wolfgang: Sozialgeschichte der europäischen Arbeiterbewegung, 5. Auflage, Edition Suhrkamp, Frankfurt am Main 1965, S. 87 ff.
- Krumbein, Wolfgang (Hrsg.): Arbeiterregierung und Einheitsfront. Eine kritische Aktualisierung der Arbeiterregierungskonzeption und Einheitsfrontpolitik in der Weimarer Republik. In: Beiträge zur marxistischen Theorie und Praxis. Nr. 1, 2. Auflage, Februar 1977.
- Rosmer, Alfred: Moskau zu Lenins Zeiten, 1. Auflage, isp-Verlag, Frankfurt am Main 1989 ISBN 3883321605, S. 145ff., S. 154 ff., S. 163 ff.
Weblinks
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