- Entenflügler
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Als Canard oder Entenflugzeug bzw. Entenflügler bezeichnet man ein Flugzeug, bei dem das Höhenleitwerk nicht konventionell am hinteren Ende des Flugzeugs montiert ist, sondern vor der Tragfläche an der Flugzeugnase.
Man unterscheidet zwischen den echten Entenflugzeugen, bei denen die Höhensteuerung alleine mit dem vorne liegenden Höhenleitwerk erfolgt, und modernen Verkehrsmaschinen und Kampfjets, die zusätzlich zu ihrem herkömmlichen Höhenruder Hilfssteuerflächen besitzen, die vor allem bei Flugmanövern mit extremen Anstellwinkel voll zum Einsatz kommen. Diese Flugzeuge sind meistens Delta-Flügler. Die russische Tupolew Tu-144 hatte beispielsweise ausfahrbare Canard-Flügel für den Langsamflug, die Britisch-französische Concorde lediglich schmale Strakes (Vortex-Erzeuger).
Inhaltsverzeichnis
Begriffserklärung
Der Name canard kommt vom französischen Wort für Ente, deren Flugbild durch weit hinten liegende Flügel (Vogel) ansatzweise ähnlich ist. Besonders im Ausland wird der Begriff canard häufig auch für das Höhenleitwerk selbst verwendet.
Entwicklungsgeschichte
Um das Entenflugzeug ranken sich, ähnlich wie beim Nurflügelflugzeug, viele Mythen. Die Grundidee wurde von den Gebrüdern Wright erstmals nutzbar gemacht und in den folgenden Jahrzehnten gab es eine beständige, allerdings kaum bekannt gewordene Beschäftigung der Konstrukteure mit dem Thema, was sich an der Tatsache ablesen lässt, dass viele Rekordleistungen mit Entenflugzeugen erbracht wurden (s.u.). Den Sprung in eine nennenswerte Serienfertigung hat das Entenflugzeug, abgesehen von den modernen Kampfflugzeugen (die streng genommen keine richtigen Entenflugzeuge sind), aber nie geschafft und selbst ein in etwa 50 Exemplaren gebautes, erstklassiges Reiseflugzeug wie die Beechcraft Starship ist mittlerweile zurückgekauft worden und wird verschrottet. Besonders in den USA wird häufig Burt Rutan als Erfinder des Entenkonzeptes bezeichnet, was aber falsch ist. Vielmehr verhalf er dem Entenflugzeug mit seinen Entwürfen VariEze und LongEz zu einer gewissen Popularität. Die hervorragenden Leistungen dieser Maschinen sind aber weniger dem Entenkonzept, sondern eher der modernen Bauweise mit Laminarprofilen und Kunststoffen anzurechnen. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass das Entenflugzeug für Sonderanwendungen sicher eine Option darstellt.
Funktionsweise
Während beim konventionellen Flugzeug das Höhenleitwerk aus Gründen der Längsstabilität Abtrieb erzeugen muss, erzeugt es beim Canard-Flugzeug Auftrieb. Dadurch ergeben sich folgende
Vorteile der Canard-Bauweise
- in bestimmten Flugzuständen ein günstigeres Verhältnis von Auftrieb zu Widerstand
- ein besseres Überziehverhalten - der maximale Anstellwinkel des vorn liegenden Höhenleitwerks wird bei einem korrekt ausgelegten Entenflugzeug stets zuerst erreicht, dadurch senkt sich die Nase des Flugzeugs selbstständig wieder herab, was einen Strömungsabriss am Tragflügel verhindert
- geringes Geräuschniveau in der Passagierkabine, weil die Triebwerke in der Regel am Heck angeordnet werden
- Der Rumpf kann aufgrund der Schwerpunktlage in der Regel in seiner ganzen Länge für Passagiere, Fracht etc. genutzt werden.
- Ein weit vorne liegender Canard, wie er beim Eurofighter verwendet wird, verbessert die Anströmung des Tragflügels und des Seitenruders bei hohen Anstellwinkeln.
Nachteile der Canard-Bauweise
- eingeschränkte Verwendung von Landeklappen am Tragflügel (erzeugen ein kopflastiges Moment, das vom Entenleitwerk auszugleichen ist und durch einen gleichsinnigen Ausschlag kompensiert wird. Der Canard muss mehr Auftrieb erzeugen. Bei einem herkömmlichen Flugzeug muss das kopflastige Moment durch Abtrieb kompensiert werden.)
- Beeinflussung der Tragflügelumströmung durch das Entenleitwerk (bei den unten genannten modernen Kampfflugzeugen hingegen wird dieser Effekt genutzt, um die Leistung des Deltatragflügels und des Seitenleitwerks zu verbessern)
- schwierige Auslegung, weil stets das Überziehverhalten von Entenleitwerk und Flügel aufeinander abgestimmt werden muss und die Profilwahl des Höhenleitwerkes die Art des Überziehverhaltens beeinflusst
- In der Regel sind wegen des kurzen Hebelarmes zum Schwerpunkt größere Seitenleitwerke nötig. Aus diesem Grund verwendet man bei vielen modernen Entenflugzeugen sehr große Winglets (teilweise mit eingebauten Seitenrudern) an den Flügelenden, um einerseits den Hebelarm zu vergrößern und gleichzeitig den induzierten Widerstand des Tragflügels zu verringern
- häufig ist das Blickfeld des Piloten durch das Entenleitwerk eingeschränkt.
Bekannte Canard-Flugzeuge
- die Tupolew Tu144
- der Flyer, das Flugzeug der Gebrüder Wright, mit dem 1903 der erste Motorflug gelang, sowie weitere ihrer Maschinen mit ähnlicher Auslegung
- das Segelflugzeug „Ente“, mit dem am 11. Juni 1928 der erste bemannte Raketenflug erfolgte
- der Gyroflug SC01 Speed-Canard
- der Eurofighter als aktuelles europäisches Kampfflugzeug
- die Dassault Rafale, ein aktuelles französisches Kampfflugzeug
- die Schweizer Version der Mirage, die Mirage IIIs als Vorläufer der israelischen Kfir und französischen Rafale.
- die israelische IAI Kfir
- die israelische IAI Lavi, eine Entwicklung der 80er Jahre - wurde abgebrochen
- die Rockwell-MBB X-31, mit der erstmals Flugmanöver im sogenannten Post-Stall-Bereich möglich waren (Strömung abgerissen)
- die Grumman X-29 mit negativ gepfeilten Tragflächen, mit der sehr große Anstellwinkel geflogen wurden
- verschiedene Flugzeuge von Burt Rutan wie etwa VariEze, LongEZ, Defiant, Solitaire, Proteus, VariViggen und das Weltrekordflugzeug Voyager, mit dem 1986 der erste Nonstopflug ohne Nachtanken um die Welt gelang
- Beechcraft Starship, das als erstes Flugzeug seiner Klasse in Kunststoffbauweise eine Musterzulassung erhielt
- das Geschäftsreiseflugzeug Piaggio P.180 Avanti
- Saab Kampfflugzeuge: Viggen und Gripen
- das polnische Segelflugzeug IS-5 Kaczka
- die Canard 2FL, Canard SC und HL1 Colibri aus der Schweiz
- die Kampfflugzeuge Kyushu J7W Shinden (Japan), SAI-Ambrosini S.S.4 (Italien) und Curtiss XP-55 Ascender (USA) aus der Zeit des 2. Weltkrieges
- die Muskelkraftflugzeuge Gossamer Condor und Gossamer Albatros, mit denen zwei Kremer-Preise gewonnen wurden
- das erste deutsche Solarflugzeug Solair I (von Günther Rochelt, 1980)
- Mach 3 Flugzeuge North American XB-70 Valkyrie und Suchoi T-4 aus der Zeit des kalten Krieges
- die Blériot Typen V, XXV und XXXIII
- das Hydravion von Henri Fabre als erstes Wasserflugzeug 1910
- die Wilhelm Focke-Ente, Patent 1908, 1. Flug September 1909 auf dem Bornstedter Feld bei Potsdam
- die Focke-Wulf F-19 und F-19a Ente
- die 14-bis von Alberto Santos-Dumont, mit der 1906 erste längere Motorflüge in Europa gelangen
- das russische Kampfflugzeug Suchoi Su-47 Berkut
- das russische Kampfflugzeug Mikojan-Gurewitsch MiG-39
- das sowjetische Experimentalflugzeug MiG-8
- das nicht verwirklichte Flugzeugprojekt Boeing Sonic Cruiser
Siehe auch
Weblinks
- Velocity Aircraft (englisch)
- Geschichte
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