- Entsühnung
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Als Sühne (von ahd. suona = Gericht, Urteil, Gerichtsverhandlung, Friedensschluss) wird der Akt bezeichnet, durch den ein Mensch, der schuldig geworden ist, diese Schuld durch eine Ausgleichsleistung aufhebt oder mindert.
Weltliche Ordnung, verwaltungsrechtliche Buße und Strafrecht
Hauptartikel Buße (Verwaltungsrecht)
Wenn ein Ungleichgewicht durch Schaden oder Schuld hervorgerufen, nicht durch direkte Wiedergutmachung auszugleichen ist, wird der Gerechtigkeit genüge getan, indem der Ausgleich durch verwaltungsrechtliche Buße oder Strafe wieder hergestellt wird. Schuld wird gesühnt, abgetragen, gebüßt, bestraft. Dadurch soll die vom Unrecht betroffene Person Genugtuung erleben.
Sühne wünschen oft auch schuldig gewordene Personen oder Personen, die sich schlicht schuldig fühlen, indem sie durch Sonderleistungen oder Verzichte selbststrafend einen abtragenden Ausgleich erfahren.
Sühne in den Religionen
Hauptartikel Buße (Religion)
Im religiösen Kontext wird mit Sühne oder Buße der Akt bezeichnet, durch den ein Mensch, der das Verhältnis zu seinem Gott durch eine Sünde verletzt hat, wieder mit Gott versöhnt wird.
Die Sühne kann in vielen Religionen vom Gläubigen durch magische Handlungen, kultische Sühneopfer, asketische Übungen oder kultische Reinigungen nach den jeweiligen religiösen Vorschriften geleistet werden.
Auch im alttestamentlichen Kult gibt es Sühnopfer. Die Gottesgemeinde Israels war sich aber dessen bewusst, dass menschliche Sühneleistungen die Versöhnung mit Gott nicht bewirken können, sondern ein Zeichen der Anerkennung der Schuld und der Bitte um Vergebung sind: Gott allein kann in seiner freien Gnade Versöhnung gewähren; das Tieropfer (etwa beim "Großen Versöhnungsfest" - Jom Kippur) wird als gnädige Einrichtung Gottes gesehen, der auf das Schuldbekenntnis des Volkes hin Gnade schenkt. Gott sieht demnach nicht auf äußerliche Opfer, sondern auf das bußfertige Herz (vgl. Psalm 103, Jes. 40,16 u.a.)
Im Neuen Testament wird der Opfertod Jesu Christi am Kreuz auf dem Hügel Golgatha als das einmalige, vollkommene Sühnopfer verstanden, das Christus stellvertretend für Israel und die Völker dargebracht habe. Insofern ist es der gnädige Gott selbst, der in Jesus Christus die Sühneleistung erbringt, die kein Mensch (alle Menschen sind und bleiben Sünder) erbringen kann: „Gott versöhnte in Christus die Welt mit sich selbst…“ (2. Kor. 5,19).
Diese neutestamentliche Lehre wurde von den Reformatoren (Martin Luther, Ulrich Zwingli, Johannes Calvin u.a.) neu entdeckt und als „Evangelium“ von der „Rechtfertigung des Sünders durch Christus allein und allein aus Gnade“ ins Zentrum der kirchlichen Lehre und des kirchlichen Lebens gerückt. Gleichzeitig wurden durch die Reformatoren alle Praktiken der sogenannten „Werkgerechtigkeit“ verworfen, mit denen man den Versuch unternahm, durch Sühneleistungen „Verdienste“ zu erwerben und Anspruch auf Gnade zu erlangen (etwa durch Werke wie Beten, Fasten, Wallfahrten, Stiftungen, Erwerb von „Ablässen“ usw.).
Literatur
- Eberhard Jüngel: Das Evangelium von der Rechtfertigung des Gottlosen als Zentrum des christlichen Glaubens, Tübingen 1998
- John Piper: Überwältigt von Gnade – Aurelius Augustinus, Martin Luther, Johannes Calvin, Bielefeld 2006
- J. Werbick: Sühne im Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 9, Freiburg/Basel/Rom/Wien 3. Auflage 2000.
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