Ephrem der Syrer

Ephrem der Syrer
Ephräm-Ikone

Ephräm der Syrer (aramäisch: ܡܪܝ ܐܦܪܝܡ ܣܘܪܝܝܐ Mor Aphrêm Sûryoyo) (* um 306 in Nisibis, heute Nusaybin; † 9. Juni 373 in Edessa, heute Şanlıurfa) war ein Heiliger, Schriftsteller und Kirchenlehrer. Er lehrte als Asket in Nisibis, bis Kaiser Jovian im Jahr 363 die Stadt den Persern überlassen musste. Seitdem lebte er in der Nähe der Stadt Edessa.

Er gilt als Begründer der Schule der Perser und neben seinem älteren Zeitgenossen Aphrahat als einer der größten Theologen der syrischen Kirche. Da Ephräm vor den großen Kirchenspaltungen lebte, wird er in vielen östlichen und westlichen Kirchen sehr geschätzt und als Heiliger verehrt. Im Jahr 1920 wurde er durch Papst Benedikt XV. mit der Enzyklika Principi apostolorum Petro zum Kirchenlehrer erklärt.

Das Fest Ephräm des Syrers wird in den katholischen Kirchen am 9. Juni gefeiert (früher: 1. Februar), in den orthodoxen Kirchen am 28. Januar.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Ephräm wurde um das Jahr 306 in Nisibis (heute: Nusaybin/Türkei), einer Grenzstadt zwischen dem römischen und persischen Reich, geboren. Nach einer Überlieferungsvariante ist er der Sohn einer christlichen Mutter aus Amida und eines heidnischen Priesters aus Nisibis, nach einer anderen der Sohn christlicher Eltern aus dem Gebiet um Nisibis.

Mit 18 Jahren empfing Ephräm die Taufe und stand von da an unter dem Einfluss von Jakobus, dem ersten Bischof von Nisibis. Die christliche Großkirche galt zu dieser Zeit allerdings, sehr zum Ärger Ephräms, als „Palutianer“, als häretische Sekte (Ephräm, adv. haer.22). Bardaisaniten, Markioniten und Manichäer bildeten die Mehrheit der Christen in Nisibis und Edessa. Die besondere Frömmigkeit der „Bundessöhne“, einer asketischen, dem Mönchtum ähnlichen Gemeinschaft, prägte Ephräm. Die eigentliche monastische Bewegung, die in Mesopotamien vom Manichäismus beeinflusst war, bekämpfte er jedoch. Aufgrund seiner Frömmigkeit und Intelligenz wurde er zum Lehrer der Schule von Nisibis, später zu deren Leiter ernannt. Es ist überliefert, dass er dort durch Bischof Basilios von Cesarea zum Diakon geweiht wurde.

Im Jahre 363 trat Kaiser Jovian im Grenzkonflikt die Stadt Nisibis an die Perser ab (siehe Frieden von 363). Daraufhin verließ Ephräm zusammen mit vielen anderen Christen seine Heimatstadt und ließ sich, nach kurzen Aufenthalten im Gebiet von Beth Garmai und Amida, in Edessa (heute: Şanlıurfa/Türkei), der Hauptstadt der Osrhoene, nieder. Edessa ist zu jener Zeit das römische Zentrum jenes Landstrichs, zugleich aber auch die Stadt mit der wohl größten Christengemeinde. Unklar ist, ob Ephräm hier die später berühmte Schule von Edessa (auch Perserschule) gründete oder ob eine vorhandene Schule durch ihn und seine Schüler einen Aufschwung erlebte.

Der Überlieferung zufolge lebte Ephräm weiterhin als Eremit in einer Einsiedelei, verbrachte seine Nächte mit Gebet und dem Studium der Heiligen Schrift. Dies ist jedoch wohl die spätere Interpretation seiner Zugehörigkeit zu den Bundessöhnen. Gregor von Nyssa hinterließ uns von ihm folgendes Portrait: „Ephräm ist ein Nacheiferer der ersten Apostel; er kann allen Mönchen und Eremiten als Vorbild dienen. Er lebte ohne Tasche, ohne Stock und hatte weder Silber noch Gold. Seine Nahrung war Haferbrot und Gemüse, sein Getränk bestand aus bloßem Wasser. Sein Leib glich einem Skelett aus Ton.“

Ephräm führte bis zu seinem Tod seine Tätigkeit als Lehrer, als Exeget, als Polemiker, als Prediger und als religiöser Dichter fort. Zu Edessa in Mesopotamien starb Ephräm am 9. Juni 373, zur Zeit des Kaisers Valens.

Werke

Ephräm schrieb seine Werke auf Syrisch. Grundlage seiner Lehre ist seine gute Kenntnis der ganzen Bibel, die er zumeist paraphrasierend zitiert. Hingegen sind ihm die zeitgenössischen griechischen Theologen und ihre Begriffe wie Person, Wesen und Natur weitgehend unbekannt. Die von ihm gebrauchten Begriffe bleiben unbestimmt und stammen möglicherweise aus der frühsyrischen Kirche.

In seinen Werken geht es Ephräm um einen nahtlosen, unmerklichen Übergang vom Alten Testament zum Neuen Testament. Der prälapsare Adam ist erwählt und rein und trägt ein Lichtgewand. Seine Eigenschaften sind Jungfräulichkeit und Herrschaft. Diese Attribute folgen daraus, dass er das vollkommene Ebenbild Gottes ist. Diese Ebenbildlichkeit und die damit verbundenen Attribute gehen im Sündenfall verloren und werden in Christus sowie im paradiesischen Endzustand wiederhergestellt.

In seinen exegetischen Schriften kommentiert Ephräm die Bücher Genesis, Exodus, Josua, Richter, 1. Samuel, 2. Samuel, 1. Könige, 2. Könige, 1. Chronik, 2. Chronik und Ijob, hiervon sind die ersten beiden auf Syrisch erhalten. Gleiches gilt für den Kommentar zum ihm bekannten Evangelium, dem Diatessaron, während der Kommentar zur Apostelgeschichte und zu den Paulusbriefen, von denen der Dritte Korintherbrief von ihm für echt gehalten wird, nur in armenischer Übersetzung erhalten ist.

In seinen dogmatisch-polemischen Prosaschriften bekämpft Ephräm Bardesanes, Markion und Mani. Neben den Kommentaren und diesen Refutationes gilt von den Prosaschriften nur noch die Homilie über unseren Herrn als echt.

Hauptsächlich bedient er sich aber in seinen Werken der gebundenen Rede. Die sangbare Poesie der Madroshé (Hymnen, in ihrer Zeilenzahl und der Zahl ihrer Silben variierende Strophen mit Refrain) und die nicht sangbare Mimré (metrische Reden, Zeilen aus 2 x 7 Silben ohne Strophengliederung) nehmen hierbei eine hervorragende Stellung ein. Von letzteren gelten als echt die Reden über den Glauben, sowie die armenisch erhaltenen Reden über Nikomedien und über Ijob. Weiterhin sind echte Teile in den Sermones enthalten.

Die sangbare Poesie der Madrashè Ephräms ging wohl auf Bardesanes, der in solcher Form seine Lehre verkündet hatte, zurück. Ephräm übernimmt diese Form der Dichtung samt ihrer spezifischen Form der Melodie. Die 15 Hymnen über das Paradies greifen in ihrer Bildersprache möglicherweise auf jüdische Traditionen zurück, die in der syrischen Kirche häufig übernommen und abgewandelt werden. In 56 Hymnen gegen die Häresien wendet er sich gegen die aus den Prosaschriften bekannten Gegner Bardesanes, Markion und Mani, während er sich in den 87 Hymnen über den Glauben mit dem Arianismus auseinandersetzt und seine eigene Christologie und Trinitätslehre entwickelt.

Eine besondere Rolle in Ephräms Werken nimmt die Jungfrau Maria ein. Immer wieder bestaunt er in seinen Marienliedern das Mysterium des Wirkens Gottes, wie es in Maria zum Ausdruck kommt. Ephräm schreibt:

Niemand weiß, wie er nennen soll
Deine Mutter, o Herr!
Nennt er sie ‚Jungfrau‘
- ihr Kind steht dagegen;
‚Vermählte‘, keiner hat sie erkannt.
Wenn aber schon deine Mutter
Unbegreiflich ist – wer kann dich fassen?

Die politische Lage sowie das unduldsame Nebeneinander von heidnischen Kulturen, Judentum und Christentum, und der verschiedenen christlichen Bekenntnisse im römisch-persischen Grenzgebiet forderten Ephräm heraus, die eigene Position zu erläutern und zu verteidigen. Immer wieder besang er dabei das Geheimnis der erlösenden Zuwendung Gottes zu allen Menschen. Gegen die theologische Spekulation forderte er die konsequente Umsetzung von theologischen Einsichten in die christliche Lebensgestaltung, da ihm ein ausschließliches Untersuchen der Größe Gottes durch die „Grübler“, gemeint sind wohl die Arianer, als unangemessen erschien.

Die umfangreichste kritische Edition mit Übersetzung der echten Werke Ephräms wurde zwischen 1955 und 1979 von Edmund Beck, OSB, in der Reihe Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium (CSCO) herausgegeben. Eine Edition mit lateinischer Übersetzung des Kommentars zum Diatessaron wurde von Louis Leloir, OSB, ab 1953 in derselben Reihe veröffentlicht und nach Entdeckung zusätzlicher Fragmente 1991 vervollständigt.

Wirkungsgeschichte

Ephrem Syrus (= Ephräm der Syrer): Sermones selecti, lateinisch; gedruckt in Freiburg von Kilian Fischer, nicht nach 1491. Folio. Incipit der Inkunabel.

Er ist der Klassiker der syrischen Kirche schlechthin. Seine Lebensgeschichte ist frühzeitig durch Legendenbildung überwuchert. Überwältigend ist schon rein umfänglich die Masse des unter seinem Namen im Original und in fremden Sprachen Erhaltenen, ohne auch nur entfernt das von ihm Geschaffene oder ihm Zugeschriebene zu erschöpfen. Ephräms Nachlass wird von Sozomenos mit 3.000.000 Textzeilen angegeben.

Ephräm gilt als „der größte Dichter der Väterzeit“. Er hat die syrisch-aramäische Literatur in Form und Inhalt geprägt. Schon früh fanden seine Werke Einzug in die Liturgie und sollen schon zwei Jahrzehnte nach dem Tode Ephräms gottesdienstliche Verwendung gefunden haben. Im 5. Jahrhundert entstand die syrische Schatzhöhle, die die Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zur Kreuzigung im Stile der Hymnen Ephrems paraphrasiert und die ihm zugeschrieben wurde. Sie galt lange Zeit als echtes Werk Ephräms, steht jedoch deutlich unter monophysitischem Einfluss.

Seine exegetischen Werke werden allerdings in den Katenenkommentaren beider syrischer Konfessionen schon früh durch die Auslegungen der antiochenischen Schule verdrängt.

Übersetzungen sollen seine Werke schon zu seinen Lebzeiten ins Griechische erfahren haben, zudem ins Armenische, Koptische, Äthiopische, Arabische und über das Griechische ins Lateinische. Ihm zugeschriebene Werke in liturgischer Form sind Bestandteile der syrischen, armenischen, koptischen, griechischen und slawischen Liturgien.

Literatur

  • Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, Sp. 2052 ff. (Quellen- und Literatur).
  • K. den Biesen: Bibliography of St. Ephrem the Syrian. Giove in Umbria 2002.

Weblinks


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