Erdnahe Asteroiden

Erdnahe Asteroiden

Als erdnahe Asteroiden (engl. Near-Earth asteroid; NEA) werden Asteroiden bezeichnet, deren Umlaufbahn sie in die Nähe der Erdbahn führt. Diese Objekte bewegen sich nicht wie die meisten Asteroiden im Asteroidengürtel um die Sonne, sondern näher in Richtung der Bahnen von Mars und Erde, teilweise auch Venus und Merkur. Die Zusammensetzung der erdnahen Asteroiden entspricht aber der Zusammensetzung anderer Hauptgürtel-Asteroiden [1].

Inhaltsverzeichnis

Einordnung

Typen erdnaher Orbits

Die erdnahen Asteroiden unterteilt man im Wesentlichen in die drei Gruppen Amor, Apollo und Aten. Die Einordnung richtet sich nach ihren Bahnformen.

Als erster dieser ungewöhnlichen Kleinplaneten wurde 1898 als Nummer 433 der hantelförmige Eros entdeckt. Bei Bahnradien zwischen 1,13 und 1,78 AE (Mars: 1,43–1,61 AE) kam er der Erde bis 0,15 AE nahe (58 Monddistanzen) und diente 1900 und 1931 zur genauen Vermessung des Sonnensystems. 2000 fand die Begegnung mit der Raumsonde NEAR statt. 1911 entdeckte Johann Palisa Nr. 719 Albert (1,19–4 AE), der aber erst 2000 wiedergefunden wurde. Als vor 70 Jahren weitere „absonderliche“ Bahnen entdeckt wurden, begann man sie zu typisieren. Heute unterscheidet man drei Bahntypen:

Amor-Typ

(433) Eros ist ein Asteroid des Amor-I-Typs

Asteroiden vom Amor-Typ haben Bahnhalbachsen außerhalb der Erdbahn und Bahnexzentrizitäten, die nicht ausreichen, um dennoch ein Perihel innerhalb der Erdbahn zu erreichen. Sie werden nach dem Asteroiden (1221) Amor benannt, der 1932 entdeckt wurde und sich in einem Abstand von 1,08–2,76 AE um die Sonne bewegt. Der nächste Abstand zur Sonne – das so genannte Perihel – beträgt bei diesem Bahntyp zwischen 1,017 und 1,3 AE. Die Amor-Asteroiden kreuzen also nicht die Erdbahn, können ihr aber von außen nahe kommen. Frühe Vertreter dieser Gruppe sind der 1898 entdeckte (433) Eros, der sich der Erdbahn bis 0,15 AE nähert, sowie (719) Albert und (887) Alinda. Der größte Vertreter dieser Gruppe ist mit 31,7 km Durchmesser der Asteroid (1036) Ganymed. Am 21. Juni 2008 waren 2088 Asteroiden des Amor-Typs bekannt.

Die Asteroiden des Amor-Typs lassen sich je nach Länge ihrer Bahnhalbachse in vier Untergruppen einteilen:

  • Amor I: Dieser Gruppe gehören Amor-Asteroiden an, deren Halbachsen zwischen Erd- und Marsbahn (1–1,52 AE) liegen. Außerdem besitzen Amor-I-Objekte die geringste Exzentrizität aller Asteroiden des Amor-Typs. Aufgrund dieser Bahneigenschaften kreuzen manche dieser Objekte nicht die Marsbahn. Amor-I-Asteroiden, welche eine Bahnhalbachse nahe der Erdbahn haben, nehmen aufgrund der relativ geringen Exzentrizität eine erdähnliche Umlaufbahn ein und werden daher auch zu den Arjuna-Asteroiden gezählt. Knapp 20 % aller Amor-Asteroiden gehören dem Amor-I-Typ an.
  • Amor II: Die Halbachsen der Mitglieder dieses Subtyps liegen zwischen der Marsbahn (1,52 AE) und dem inneren Rand des Hauptgürtels bei 2,12 AE und ihre Bahnen besitzen Exzentrizitäten von 0,17 bis 0,52. Sie kreuzen daher die Marsbahn und ihr Aphel liegt meist innerhalb des Asteroidengürtels. Etwa ein Drittel der Amor-Asteroiden gehören dieser Gruppe an, darunter auch der Namensgeber (1221) Amor.
  • Amor III: Amor-III-Asteroiden haben Halbachsen, die mit Längen zwischen 2,12 und 3,57 AE innerhalb des Asteroidengürtels liegen. Jedoch sind ihre Exzentrizitäten (0,4–0,6) groß genug, dass ihr Perihel in der Nähe der Erdbahn und ihr Aphel in bis zu einem AE Nähe zu Jupiter liegen kann. Dieser Gruppe gehören etwa die Hälfte aller Objekte des Amor-Typs an. Darunter ist auch der größte Amor-Asteroid (1036) Ganymed. Einige der Mitglieder der Amor-III-Gruppe stehen in 3:1-Resonanz zu Jupiter und werden daher zu den Alinda-Asteroiden gezählt, zu denen auch einige Apollo-Asteroiden gehören.
  • Amor IV: Zu dieser Gruppe gehören Amor-Asteroiden, deren Halbachse jenseits des Asteroidengürtels liegt. Aufgrund ihrer hohen Exzentrizitäten (0,65–0,75) führt ihre Bahn sie sowohl in relative Erdbahnnähe als auch in Gebiete außerhalb der Jupiterbahn. Der bekannteste Vertreter ist der Asteroid (3552) Don Quixote.

Apollo-Typ

Radarbild von (4179) Toutatis, einem Asteroiden des Apollo-Typs

Objekte mit Bahnhalbachsen außerhalb der Erdbahn (> 1,0167 AE) und Exzentrizitäten, die ausreichen, um trotzdem Periheldistanzen innerhalb der Erdbahn (< 1,017 AE) zu erreichen, werden als Apollo-Asteroiden bezeichnet. Asteroiden vom Apollo-Typ kreuzen daher die Erdumlaufbahn und werden nach (1862) Apollo benannt. Einige Objekte können im Perihel sogar ins Innere der Venus-Umlaufbahn gelangen. Von Apollo-Asteroiden geht als Erdbahnkreuzer ein gewisses Risiko für einen Einschlag auf der Erde aus. Der Apollo-Asteroid (29075) 1950 DA war das erste Objekt, für das ein positiver Wert auf der Palermo-Skala für Einschlagsrisiken ermittelt wurde.

Bahnbestimmungen haben gezeigt, dass die Asteroiden des Hauptgürtels infolge gravitativer Störungen des Jupiter auf Apollo-Bahnen übergehen können. Ein Beispiel dafür sind die Alinda-Asteroiden, zu denen einige Objekte des Apollo-Typs wie z. B. (4179) Toutatis gehören. Sie bewegen sich in 3:1-Resonanz zu Jupiter und werden so in ihrer Bahn gestört, wodurch die Exzentrizitäten dieser Objekte beständig erhöht werden, bis die Resonanz bei einer Annäherung an einen der inneren Planeten aufgelöst wird.

Der größte Apollo-Asteroid ist (1866) Sisyphus mit 8,5 km Durchmesser. Weitere bekannte Vertreter sind (2102) Adonis und (69230) Hermes, der 1937 in 1,5-facher Monddistanz an der Erde vorbeizog und danach als verschollen galt, bis er im Jahr 2003 schließlich wiedergefunden wurde. 1990 waren 63 Apollo-Asteroiden bekannt, 1999 bereits 415, im November 2003 laut Minor Planet Center (MPC) 1190, und am 21. Juni 2008 waren es 2940.

Aten-Typ

Asteroiden vom Aten-Typ (benannt nach (2062) Aten) besitzen Bahnhalbachsen innerhalb der Erdbahn und Exzentrizitäten, die dazu führen, dass ihr Aphel außerhalb der Erdbahn liegt. Sie laufen daher größtenteils innerhalb der Umlaufbahn der Erde. Die Aphel-Distanzen sind dabei größer als 0,9833 AE, was der Perihel-Distanz der Erde entspricht. Jedoch existieren auch einige Objekte, deren Exzentrizität nicht ausreicht, um ein Aphel jenseits der Erdbahn zu erreichen. Sie wurden vorübergehend dem Subtyp der Apohele-Asteroiden zugerechnet. Einige Aten-Asteroiden haben ein Perihel, das innerhalb der Venus- oder gar Merkurbahn liegt. Sie gelten dann als Venus- bzw. Merkurbahnkreuzer.

Wie die Apollo-Asteroiden sind auch die Objekte des Aten-Typs Erdbahnkreuzer, von denen ein gewisses Risiko für Einschläge auf der Erde ausgeht. Im Dezember 2004 führte für wenige Tage der Aten-Asteroid (99942) Apophis (damals unter der provisorischen Bezeichnung 2004 MN4 bekannt) die Liste der Objekte mit dem größten Einschlagsrisiko an, mit einer Palermozahl von bis zu 1,1 für einen möglichen Einschlag im Jahr 2029. Durch spätere Beobachtungen konnte der Einschlag im Jahr 2029 jedoch ausgeschlossen werden; allerdings ist ein späterer Einschlag am 13. April 2036 nicht ausgeschlossen, mit einer Palermozahl von −2,42 und einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit von 1:45455.

Der nur etwa sechs Meter kleine Aten-Asteroid 2004 FU162 näherte sich der Erde am 31. März 2004 bis auf 6.500 km. Kein anderer derzeit bekannter Kleinplanet ist der Erde je näher gekommen.

Der 0,9 km große Namensgeber der Typklasse (2062) Aten wurde 1976 entdeckt und kommt auf seiner Bahn (0,79–1,14 AE) der Erde alle 10.000 Jahre nahe. Weitere bekannte Vertreter sind (2100) Ra-Shalom, (2340) Hathor und (3753) Cruithne.

1990 kannte man 9, 1999 schon 60 und im November 2003 196 Asteroiden dieses Typs. Am 21. Juni 2008 waren 500 Aten-Asteroiden bekannt.

Arjuna-Asteroiden

Arjuna-Asteroiden stellen eine seltene Form erdnaher Asteroiden dar und gehören einer der drei zuvor beschriebenen Typklassen an. Sie bewegen sich auf einer erdähnlichen Umlaufbahn.

Weitere Besonderheiten

Sonnennahe Asteroiden

Manche dieser Kleinkörper haben ihren sonnennächsten Punkt innerhalb der Venus- oder sogar innerhalb der Merkurbahn.

Am 21. Juni 2008 waren 1342 Asteroiden bekannt, die die Venusbahn schneiden. 405 davon haben ihren sonnennächsten Punkt sogar innerhalb der Merkurbahn.

Bekannte Vertreter sind:

  • (1566) Icarus (1949 entdeckt; Sonnenentfernung 0,19–1,97 AE)
  • der kometenhafte, von IRAS 1984 entdeckte (3200) Phaethon (0,14–2,40 AE). Im Perihel hat er eine Geschwindigkeit von 200 km/s und trotz Temperaturen von 600 °C keine kometare Emission (ESA 2002).

Folgende Asteroiden haben eine größte Sonnendistanz von weniger als 0,9833 AE und bewegen sich deshalb ständig innerhalb der Erdbahn (Stand: 21. Juni 2008):

  • (163693) 2003 CP20
  • (164294) 2004 XZ130
  • 1998 DK36
  • 2004 JG6
  • 2005 TG45
  • 2006 KZ39
  • 2006 WE4
  • 2007 EB26
  • 2008 EA32

Erdbahnkreuzer

Asteroiden des Apollo- und Aten-Typs sind „Erdbahnkreuzer“, die theoretisch eine kleine Kollisionsgefahr mit der Erde darstellen. Daher wird seit einigen Jahren systematisch nach ihnen gesucht. Am 29. Januar 2008 um 09:33 Uhr MEZ zog der Asteroid 2007 TU24 im Abstand von ca. 1,44 Mondbahnradien (etwa 538.000 km) an der Erde vorbei.

Siehe auch

Quellen

  1. D.F. Lupishko and T.A. Lupishko: On the Origins of Earth-Approaching Asteroids. In: Solar System Research. 35, Nr. 3, May 2001, S. 227–233

Weblinks


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