- Eric Rohmer
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Éric Rohmer (* 21. März 1920[1] in Tulle, Département Corrèze; eigentlich Jean-Marie Maurice Schérer) ist ein französischer Film- und Theaterregisseur, Essayist, Filmkritiker und -theoretiker.
Inhaltsverzeichnis
Pseudonym
Zur Wahl seines Pseudonyms erklärte Rohmer : „Es war ein Name, den ich einfach so gewählt habe, aus keinem bestimmten Grund, einfach weil er mir gefiel“.[2] Mit diesem Pseudonym signiert er erstmals 1950 einen Artikel in der kurzlebigen Zeitschrift La Gazette du Cinéma. Eine Zeit lang zeichnet er wechselnd als Scherer oder Rohmer, bevor er ab 1955 nur noch das Pseudonym verwendet. Andere Pseudonyme Rohmers sind Gilbert Cordier, Dirk Peters und Sébastien Erms.
Leben und Werk
Nach dem Studium der klassischen Literatur ist Rohmer von 1944 bis 1952 Lehrer in Paris, anschließend bis 1955 in Vierzon. 1946 publiziert er seinen einzigen Roman Elisabeth unter dem Pseudonym Gilbert Cordier (deutsch 2003 Rogner & Bernhard bei zweitausendeins, 10/2005 als Taschenbuch bei Heyne). Im Juni 1948 publiziert er seinen ersten Artikel in der berühmten, aber kurzlebigen La Revue du Cinéma.
Im Juni 1951 veröffentlicht er seinen ersten Artikel in der gerade gegründeten Zeitschrift Cahiers du cinéma. Im Jahre 1955 publiziert er dort in fünf Folgen den filmtheoretischen Essay Le Celluloid et le Marbre (Zelluloid und Marmor), erstmals in den Cahiers unter dem Pseudonym Eric Rohmer. Rohmer hat sich allerdings inzwischen von den damals geäußerten theoretischen Positionen entfernt und seither einen Nachdruck des Essays verweigert. Seit 1957 ist er kommissarisch (für den schwerkranken André Bazin) und seit 1959 offiziell Chefredakteur der Cahiers. Während der ganzen fünfziger Jahre arbeitet er an mehreren Kurzfilmen zusammen mit seinen Kritikerkollegen. 1955 publiziert er zusammen mit Claude Chabrol das erste Buch überhaupt über Alfred Hitchcock.
1959 dreht er seinen ersten Spielfilm Im Zeichen des Löwen (Le Signe du Lion), der erst 1962 einen Verleiher findet. Die Nouvelle Vague (NV) ist nicht mehr so en vogue wie noch einige Jahre zuvor und der Film wird ein Misserfolg in den Kinos. Rohmer ließ sich durch ein Erlebnis von Paul Gégauff, einem bedeutenden Drehbuchautor der NV und häufigem Co-Autor von Claude Chabrol, zu diesem Film inspirieren. Die Persönlichkeit von Gégauff stand Pate für zahlreiche Figuren in den Filmen von Rohmer und anderen NV-Regisseuren. 1962 gründet Rohmer zusammen mit Barbet Schroeder die Produktionsfirma Les Films du Losange („losange“ = Raute, das Firmenzeichen der Gesellschaft). 1963 wird Rohmer von Rivette aus der Chefredaktion der Cahiers verdrängt.
In der Folgezeit kann sich Rohmer nun ganz der Filmarbeit widmen. Bereits 1962 hatte er mit dem Kurzfilm Die Bäckerin von Monceau seinen ersten Filmzyklus Contes Moraux eröffnet. Bis 1972 werden fünf weitere Filme realisiert: Die Karriere von Suzanne (La Carrière de Suzanne, Kurzfilm, 1963), Die Sammlerin (La Collectioneuse, 1966), Meine Nacht bei Maud (Ma nuit chez Maud, 1969), Claires Knie (Le genou de Claire, 1970) und L'Amour L'Après-midi (1972). Meine Nacht bei Maud, der wegen fehlender Unterstützung der französischen Filmförderung Avance sur recettes (= Vorschuss auf das Einspielergebnis) um drei Jahre verschoben werden musste, wird ganz überraschend ein großer Publikumserfolg, bis heute ist es Rohmers erfolgreichster Film.
Während dieser Zeit entstehen auch über zwanzig Filme für das französische Schulfernsehen vor allem zu literarischen und historischen Themen. Außerdem ein langer Fernsehfilm Le celluloid et le marbre (1966), eine Dokumentation über den dänischen Filmregisseur Carl Theodor Dreyer (1965) und der Kurzfilm Place de l'Etoile als Beitrag zu dem Episodenfilm Paris vu par...(1965), dessen andere Teile von Jean-Daniel Pollet, Jean Rouch, Jean Douchet, Jean-Luc Godard und Claude Chabrol stammen.
1972 legt er mit seiner Dissertation L'organisation de l'espace dans le Faust de Murnau sein Doktorexamen an der Universität Paris I (Panthéon-Sorbonne) ab (Deutsch als Murnaus Faustfilm bei Hanser, München, 1980). Von 1972 an hat Rohmer einen Lehrauftrag für Filmregie an der Universität Paris-Nanterre (genau dort, wo auch Cohn-Bendit auf die Barrikaden ging).
1976 entsteht Die Marquise von O. (La Marquise d'O...) nach der Novelle von Heinrich von Kleist. Der Film ist mit deutschen Schauspielern in deutscher Sprache im Schloss Obernzenn in Mittelfranken gedreht worden. 1978 realisiert Rohmer Perceval le Gallois, nach einem mittelalterlichen Stoff des französischen Schriftstellers Chrétien de Troyes. Rohmer verwendet ein extrem stilisiertes theatralisches Dekor und lässt die Schauspieler in mittelalterlicher Sprache sprechen. In diesem Film treten zum ersten Mal zahlreiche Schauspieler auf, die auch später noch mehrfach in Rohmers Filmen zu sehen sein werden, wie Arielle Dombasle, Anne-Laure Meury, André Dussollier und Marie Rivière. 1979 inszeniert Rohmer im Maison de la Culture in Nanterre Das Käthchen von Heilbronn von Kleist. Das Projekt fällt bei Publikum und Kritik durch. Besonders die von Rohmer angefertigte Versübersetzung und die Besetzung werden kritisiert.
1981 beginnt Rohmer mit Die Frau des Fliegers (La femme de l'aviateur) einen neuen sechsteiligen Filmzyklus unter der Überschrift Comédies et proverbes (Komödien und Sprichwörter). Der Film wird mit dem unvorstellbar niedrigen Budget von 125.000 Euro gedreht. Jedem Film dieser Serie ist ein bekanntes (manchmal auch abgewandeltes) Sprichwort als spielerisches Motto vorangestellt. Weitere Filme dieses Zyklus sind: Die schöne Hochzeit (1982) mit Béatrice Romand, Pauline am Strand (Pauline à la plage, 1982), Les nuits de la pleine lune (1984), der sehr stark improvisierte Le rayon vert (1986), für den er den Goldenen Löwen auf dem Filmfestival von Venedig gewinnt, und Der Freund meiner Freundin (1986). Gleichfalls 1986 entsteht außerhalb des Zyklus Quatre aventures de Reinette et Mirabelle, ein dreiteiliger Episodenfilm. Für die Produktion dieses Films gründet Rohmer die Produktionsgesellschaft C.E.R. (Compagnie Eric Rohmer), um das finanzielle Risiko dieses kleinen und sehr billigen Films von Les films du Losange fernzuhalten.
1984 erscheint eine Sammlung von Rohmers Filmkritiken unter dem Titel „Le gout de la beauté“ in der Buchreihe der Cahiers du cinéma, eingeleitet von einem längeren Interview (Deutsch: „Der Geschmack des Schönen“ Verlag der Autoren, Frankfurt/M., 2000).
1987 schreibt Rohmer das Theaterstück Le trio en mi-bémol, eine Comédie en sept tableaux für zwei Personen. Im Dezember 1987 hat das Stück in der Regie von Rohmer Premiere am Théatre Renaud-Barrault in Paris, gespielt von Jessica Forde und Pascal Greggory. Es entsteht auch eine Fernsehfassung.
Mit Frühlingserzählung (Conte de Printemps) eröffnet Rohmer 1990 seinen dritten Filmzyklus Contes des quatre saisons (Erzählungen der vier Jahreszeiten). Es folgt 1992 Conte d'hiver.
1993 entsteht außerhalb des Zyklus wiederum produziert von der C.E.R. L'arbre, le maire et la médiathèque ou les sept hasards, der billigste Spielfilm seiner Karriere. In diesem fröhlichen Allotria um Kommunalpolitik in der französischen Provinz spielen die bekannten Gesichter Arielle Dombasle, Pascal Greggory und Fabrice Luchini. Der satirische Aspekt geht allerdings in all den Wortkaskaden ein wenig unter. 1995 folgt dann Les Rendez-vous de Paris, ein dreiteiliger Episodenfilm, mit Geschichten von Paaren in unterschiedlichen Stadtvierteln von Paris.
Auch publizistisch ist Rohmer wieder aktiv: 1996 erscheint der Essay De Mozart en Beethoven. Essai sur la notion de profondeur en musique bei Actes Sud (deutsch: Von Mozart zu Beethoven, Residenz-Verlag, Salzburg, 1997). Rohmer hatte sich schon immer auch für klassische Musik interessiert.
Der Jahreszeiten-Zyklus wird 1996 mit Conte d'été fortgesetzt, der in der Bretagne gedreht wird. 1998 folgt Conte d'automne.
Mit 81 Jahren macht Rohmer seinen kostspieligsten Film. Die Lady und der Herzog (L'anglaise et le Duc) ist durchgehend mit Hilfe der digitalen Videotechnik entstanden. Die Handlung basiert auf den Erlebnissen der Engländerin Grace Elliott während der Französischen Revolution. Die gemalten Kulissen für die Außenszenen wurden mit den Aufnahmen der Schauspieler tricktechnisch kombiniert.
Triple Agent, der seine Premiere auf der Berlinale 2004 erlebt, ist Rohmers letzter Film. Die deutsche Kritik ist allerdings nur mäßig angetan von dieser Agentengeschichte aus den 1930er Jahren.
Im Frühjahr 2004 widmet ihm die Cinémathèque française eine komplette Retrospektive und die DVD-Edition von Rohmers Filmen ist nach Erscheinen der dritten Box nun auch komplett. Die Cahiers du cinéma widmen ihm im März 2004 ein längeres Dossier. Im Interview verkündet Rohmer das Ende seiner Karriere: „En fin de compte, je n'ai rien dans mes tiroirs“. Trotzdem arbeitet Rohmer immer noch weiter: 2005 dreht er den Kurzfilm Le canapé rouge mit Marie Rivière. Im Mai und Juni 2006 fanden die Dreharbeiten für Rohmers jüngstes Projekt Les amours d'Astrée et de Céladon nach einem Roman des 17. Jahrhunderts von Honoré d'Urfé statt. Der Film kam 5. September 2007 in die französischen Kinos und feierte seine Premiere auf den 64. Filmfestspielen von Venedig, wo das Drama im offiziellen Wettbewerb vertreten war, jedoch unprämiert blieb.
Trotz dieser vielfältigen Aktivitäten rund um die Theorie und Praxis des Films und des Theaters findet Rohmer immer noch die Zeit, sich mit Literatur, Philosophie, Musik, Architektur und Stadtplanung zu befassen. Außerdem spricht er gut Deutsch, spielt Klavier und gilt als hervorragender Balzac-Kenner (in dem Mammutwerk Out One (1970) von Jacques Rivette hat Rohmer einen kleinen Auftritt als Balzac-Spezialist).
In Rohmers Filmen scheint die Liebe ein intelligentes Spiel für intelligente Menschen zu sein, etwas, das man ernst, aber auch nicht zu ernst nehmen sollte, etwas, über das sich endlos reden lässt, genau wie man über Filme, Musik oder Philosophie redet, weil es intellektuell stimuliert. Die zentralen Figuren sind meist Frauen, die Männer sind als Persönlichkeiten eher schwach gezeichnet. Obwohl Rohmers Filme immer zeitlich und örtlich genau definiert sind, sind sie doch erstaunlich zeitlos. Es entsteht so etwas wie ein eigener Rohmer-Kosmos, und die einzelnen Filme verschmelzen zu einem einzigen großen Rohmer-Gesamtfilm.
Filme
Es sind nur die langen Spielfilme aufgeführt. Kurzfilme sind nur als Bestandteile der Zyklen erwähnt.
Moralische Erzählungen
(Contes Moraux)
- 1962: Die Bäckerin von Monceau (La boulangère de Monceau), Kurzfilm
- 1963: Die Karriere von Suzanne (La carrière de Suzanne)
- 1969: Meine Nacht bei Maud (Ma nuit chez Maud)
- 1966: Die Sammlerin (La collectionneuse)
- 1970: Claires Knie (Le genou de Claire)
- 1972: Die Liebe am Nachmittag (L'amour l'après-midi)
Komödien und Sprichwörter
(Comédies et proverbes)
- 1981: Die Frau des Fliegers oder Man kann nicht an nichts denken (La femme de l'aviateur)
- 1982: Die schöne Hochzeit (Le beau mariage)
- 1982: Pauline am Strand (Pauline à la plage)
- 1984: Vollmondnächte (Les nuit de la pleine lune)
- 1986: Das grüne Leuchten (Le rayon vert)
- 1986: Der Freund meiner Freundin (L'ami de mon amie)
Erzählungen der vier Jahreszeiten
(Contes des quatre saisons)
- 1989: Frühlingserzählung (Conte de printemps)
- 1992: Wintermärchen (Conte d'hiver)
- 1996: Sommer (Conte d'été)
- 1998: Herbstgeschichte (Conte d'automne)
Filme außerhalb von Zyklen
- 1959: Im Zeichen des Löwen (Le signe du Lion)
- 1965: Place de l'Étoile, Episode aus Paris gesehen von... (Paris vu par...)
- 1976: Die Marquise von O. (La Marquise d'O)
- 1978: Perceval le gallois
- 1986: Vier Abenteuer von Reinette und Mirabelle (Quatre aventures de Reinette et Mirabelle)
- 1993: Der Baum, der Bürgermeister und die Mediathek (L'arbre, le maire et la médiathèque ou les sept hasards)
- 1994: Rendezvous in Paris (Les rendez-vous de Paris)
- 2001: Die Lady und der Herzog (L'anglaise et le duc)
- 2004: Triple agent
- 2007: Les amours d'Astrée et de Céladon
Literatur
- Pascal Bonitzer: „Eric Rohmer“, Paris (Editions Cahiers du Cinéma), 1999 (2e éd.)
- Joel Magny: „Eric Rohmer“, 1995 (Rivages) (3e éd.)
Einzelnachweise
- ↑ Man findet gelegentlich auch andere Geburtsjahre (1921,1923 und 1928), -tage (4. April, 1. Dezember) und -orte (Nancy, Nuits-les-Saulniers).
- ↑ Eric Rohmer im New York Times Magazine, 1971
Weblinks
- Literatur von und über Éric Rohmer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eric-Rohmer in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Andy Gillet über Eric Rohmer
- Deutsche Webseite über Eric Rohmer
- Essay, Bibliografie, Filmografie, Links (englisch)
- Filme, TV, Bücher, Kooperationen (französisch)
- deutschsprachige Rezensionen zu „Elisabeth“- SZ, NZZ, die taz
- Leseprobe „Elisabeth“ (deutsch) bei perlentaucher.de
Personendaten NAME Rohmer, Éric ALTERNATIVNAMEN Schérer, Jean-Marie Maurice (bürgerlicher Name) KURZBESCHREIBUNG französischer Film- und Theaterregisseur, Essayist, Filmkritiker und -theoretiker GEBURTSDATUM 21. März 1920 GEBURTSORT Tulle, Département Corrèze
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