Ernst H. Gombrich

Ernst H. Gombrich

Sir Ernst Hans Gombrich (* 30. März 1909 in Wien; † 3. November 2001 in London) war ein britischer Kunsthistoriker österreichischer Herkunft, der am Warburg Institute in London wirkte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gombrich wurde als Sohn einer jüdischen Familie des Wiener Bildungsbürgertums geboren. Sein Vater Karl B. Gombrich war Rechtsanwalt, die Mutter Leonia (geb. Hock) Pianistin. Musik war ihm seit seiner Kindheit ebenso wichtig wie die bildende Kunst. Nach dem Ersten Weltkrieg verbrachte Gombrich gemeinsam mit seiner Schwester Lisbeth neun Monate in Schweden (als Pflegekind eines Sargmachers). Nach Absolvierung des Theresianums studierte Gombrich von 1928 bis 1933 unter Julius von Schlosser Kunstgeschichte an der Universität Wien. Kurzfristig ging er nach Berlin, um dort eine Vorlesung von Heinrich Wölfflin über „Italien und das deutsche Formgefühl“ zu hören. Von den Bildvergleichen Wölfflins eher gelangweilt, beschäftigte sich Gombrich mehr mit den Verhaltensstudien des Gestaltpsychologen Wolfgang Köhler an Menschenaffen. Auch sonst blieb er, wie sein Freund Karl Popper sein ganzes Leben lang naturwissenschaftlich interessiert. 1933 promovierte er über Giulio Romanos Palazzo del Te in Mantua. Gombrich deutete die „gestörten Formen“ der manieristischen Architektur nicht wie die Kollegen als Zeitausdruck, sondern als Wahl, Spiel und Virtuosität. Schon damals kristallisierte sich heraus, dass er die Kunstgeschichte als Geistesgeschichte betrachtete.

Nach der Promotion schrieb Gombrich eine 1935 erstmals erschienene Kurze Weltgeschichte für junge Leser, die immer wieder neu aufgelegt wurde und wird. Er widmete sich fortan den Problemfeldern zwischen Kunstgeschichte und Psychologie. Er erkannte, wie schwierig die Deutung und bildliche Übersetzung der menschlichen Gemütsbewegungen und Leidenschaften ist, und er befasste sich – zusammen mit Ernst Kris – mit der Karikatur.

1936 musste Gombrich nach London emigrieren, wo er an der Bibliothek Warburg (seit 1944 Warburg Institute), beschäftigt wurde, die – ursprünglich in Hamburg ansässig – dort ihre neue Heimstatt gefunden hatte und unter der Leitung des ebenfalls aus Wien stammenden Fritz Saxl stand. Dem Warburg Institute gehörte er bis zu seiner Pensionierung an und war von 1959 bis 1976 dessen Direktor. Während des Krieges war Gombrich beim Monitoring Service der BBC beschäftigt und analysierte deutsche Rundfunksendungen. 1970 veröffentlichte Gombrich eine intellektuelle Biographie Aby Warburgs, des Gründers der Warburg-Bibliothek, der sich vor allem mit der Erforschung des ikonologischen Nachlebens der Antike befasst hatte. [1]

Bedeutung

Gombrich galt als einer der weltweit angesehensten Kunsthistoriker. Er hat Grundfragen der Kunstwissenschaft neu durchdacht und auch Brücken zu Nachbardisziplinen von der experimentellen Psychologie bis zur Humanismusforschung und der Geschichte der Rhetorik geschlagen.

Gombrichs 1950 erschienene Story of Art wurde seine bekannteste kunsthistorische Publikation. Dieses Buch enthält die berühmten Sätze:

There really is no such a thing as Art. There are only artists.

Das folgende Buch, Art and Illusion, versuchte zu zeigen, wie die Illusion der Bilder auf ständig neuen Experimenten in der Spannung zwischen vorgegeben Schemata, Außenbeobachtung und Ausdrucksabsicht beruht, dass Bilder quasi Versuche im Labor sind, die ständig neuen Tests und Korrekturen unterliegen. 1996 erschien die 16. deutsche Auflage des Buches Die Geschichte der Kunst. Es gilt als eines der bedeutendsten Leitfäden durch die Kunst.

In seinem nächsten Buch, The Sense of Order – A Study in the Psychology of Decorative Art versuchte Gombrich, die wechselnden Muster der Ornamente ausgehend von der Gestalttheorie empirisch zu erklären. In der Abhandlung Icones Symbolicae zeigte er früh die Gefahren von Erwin Panofskys Konzept der Ikonologie auf. Jede ikonologische Auslegung dürfe sich nur auf Texte stützen, die nachweislich in der betreffenden Zeit an jenen Orten, an denen der Künstler wirkte, zugänglich waren. Zwischen 1985 und 1988 erschienen in deutscher Übersetzung Gombrichs wichtigste Abhandlungen zur Renaissance unter dem Titel Zur Kunst der Renaissance. Ausgewählte Aufsätze.

Gombrich bezog eine kritische Position gegenüber der modernen Kunst, vor allem gegenüber deren permanentem Drang zur Innovation. „Die Zeit ist gekommen, Nein zu sagen“, meinte er. Gombrich lehnte auch den provokatorischen Gestus in der Architektur der Moderne ab und beteiligte sich beispielsweise am internationalen Kunsthistorikerprotest gegen das Wiener Projekt eines Museumsquartiers. [2]

Die Behauptung Marcel Duchamps, alles sei Kunst, wenn man es nur zur Kunst erkläre, war für ihn ein Beispiel für jene Mystifizierung des bildnerischen Prozesses, gegen die er zeitlebens ankämpfte.

Auszeichnungen

Seit 1947 britischer Staatsbürger, wurde Gombrich 1966 von Königin Elisabeth II. als CBE in den Order of the British Empire aufgenommen und 1972 als Knight Bachelor zum Ritter geschlagen. 1975 wurde er mit dem Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet. 1977 erhielt er den Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste, 1988 wurde ihm der Order of Merit (OM) verliehen. 1985 erhielt er den Balzan-Preis für Kunstgeschichte des Abendlandes, 1986 den Preis der Stadt Wien für Geisteswissenschaften, 1988 den Ludwig-Wittgenstein-Preis der Österreichischen Forschungsgemeinschaft.

Familie

Gombrich heiratete 1936 die Konzertpianistin Ilse Heller. Ihr einziges Kind, Richard Gombrich, wurde ein bedeutender Indologe und Buddhismusforscher, der 1976 bis 2004 eine Professur in Oxford bekleidete.

Werke

  • Die Geschichte der Kunst (im deutschsprachigen Raum nach juristischen Auseinandersetzungen ab 04/2009 wieder lieferbar) [3]
  • Kunst und Illusion [englische Originalausgabe: Art and Illusion, 1959, deutsche Übersetzung von Lisbeth Gombrich: Köln 1967]
  • Norm und Form
  • Kunst und Ornament
  • Meditationen über ein Steckenpferd
  • Kunst, Wahrnehmung, Wirklichkeit
  • Bild und Auge
  • Das forschende Auge
  • Kunst und Fortschritt
  • Die Krise der Kulturgeschichte
  • Schatten
  • Aby Warburg. Eine intellektuelle Biographie. Hamburg: Philo & Philo Fine Arts, 2006 (PDF, 2.014 KB)
  • Jüdische Identität und jüdisches Schicksal
  • Eine kurze Weltgeschichte für junge Leser. 1935

Einzelnachweise

  1. Universität Wien 100. Geburtstag von Sir Ernst H. Gombrich, Abgerufen am 30. März 2009
  2. Vgl Der Standard 6.5.1993: "Kunsthistoriker ggeen Kateridee Museumsquartier"
  3. Welt-Online, 30. 3. 2009: Sieg für Gombrich

Weblinks


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