Ersatzgütertriebwagen

Ersatzgütertriebwagen
Leig-Einheit (DB-Neubau)

Als Stückgut-Schnellverkehr wurde bei der Deutschen Reichsbahn ein Gattungskonzept bezeichnet, das die Beförderung von Stückgütern beschleunigte und somit für den Versender attraktiver machen sollte. Die Züge des Stückgut-Schnellverkehrs wurden bei beiden deutschen Bahnverwaltungen noch bis in die 1960er Jahre eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte und Zweck

Obwohl das Schienennetz der Deutschen Reichsbahn (DRG) auch in den 1920er Jahren bereits weitgehend flächendeckend ausgebaut und den Transportmöglichkeiten der Straße weit überlegen war, machten ihr die zunehmends entstehenden Klein-Fuhrunternehmungen hinsichtlich der Beförderungszeit von einzelnen Stückgütern Konkurrenz. Der Nachteil der schienengebunden Beförderung lag in der geringen durchschnittlichen Transportgeschwindigkeit, die bei Nahgüterzügen zeitweise auf etwa 10-15 km/h sank, da diese entlang ihrer Fahrtstrecke häufig zusätzliche Güter aufnahmen oder wieder abgaben und dabei umfangreiche Rangierfahrten unternehmen mussten. Als es dem Straßenverkehr durch den stetigen Neu- und Ausbau seiner Infrastruktur gelang, rascher als bisher zu expandieren, suchte die DRG Möglichkeiten, diesem Negativtrend entgegen zu wirken.

Im Jahre 1927 wurde ein Konzept entwickelt, das ein flächendeckendes Netz zum beschleunigten Stückguttransport vorsah. Darin sollten die langen Rangier- und Kuppelzeiten in den bedienten Bahnhöfen vermieden werden, indem die Stückgüter auf ihrem gesamten Weg zum Zielbahnhof ohne Umladen transportiert würden. Es sollten dafür neu zu bauende Diesel-Gepäcktriebwagen zum Einsatz kommen, in denen die Sortierung des Stückguts nach Empfangsorten bereits während der Fahrt erfolgen konnte. Die Lieferung dieser Triebwagen in der benötigten Anzahl wäre den Fahrzeugherstellern jedoch in kurzer Zeit nicht möglich gewesen, deshalb gingen die Pläne vorerst zurück zu den Akten.

Ein knappes Jahr später verlautbarte die Reichsbahndirektion Köln ein vielversprechendes Konzept, das statt der Triebwagen beschleunigte Güterzüge mit maximal zehn Achsen vorsah und für deren Beförderung Lokomotiven des Personenverkehrs zu nutzen wären. Das Personal für das Sortieren des Stückguts war in einem eigens dafür eingereihten Gepäckwagen unterzubringen. Dieses Konzept ließ sich in kurzer Zeit kostengünstig umzusetzen und markierte den Beginn des Stückgut-Schnellverkehrs in Deutschland.

Fahrzeuge und Betriebsablauf

Leig-Einheiten

Der weit überwiegende Teil des Stückgut-Schnellverkehrs wurde mit Leig-Einheiten abgewickelt. In der Dienstvorschrift der DR werden sie wie folgt beschrieben:

"Zur beschleunigten Bedienung des Stückgutverkehrs … sind besondere Fahrzeugeinheiten (Leigeinheiten) geschaffen, die entweder in selbständigen leichten Güterzügen (Leig-Zügen) verkehren oder in Güterzüge zur Ersparnis von Kurswagen eingestellt werden. Sie bestehen entweder aus zwei gedeckten großräumigen Güterwagen (Gl) oder aus einem Gepäckwagen und einem gedeckten großräumigen Güterwagen, die nach Beseitigung der sich gegenüberliegenden Stirnwände durch Kurzkupplung, Übergangsbrücke und Faltenbälge so verbunden sind, dass die Laderäume beider Wagen einen Raum bilden."

Waggonaufschrift (1930)

Die ohne Lok maximal zehn Achsen langen selbständigen Kurzgüterzüge wurden anfangs Ersatzgütertriebwagen genannt, was sich aber bis 1929 in Leig (Leichtgüterzug) wandelte. (Anmerkung: In Österreich war der Leig ein Ladeeilgüterzug im Gegensatz zum Bezirksgüterzug, dieser hatte grundsätzlich einen anderen Betriebsablauf als der deutsche Leichtgüterzug.) Die Bezeichnung "Leig" wurde in zahlreichen Gestaltungsvarianten an den Seitenwänden der betroffenen Waggons angebracht, um deren Funktion zu verdeutlichen. Manche Aufschriften waren sogar bei geöffneten Schiebetüren noch vollständig zu lesen. Das Beistellen normaler Ortsgüterwagen zu Leig-Zügen war nur ausnahmsweise erlaubt, wenn andere Beförderungsmöglichkeiten fehlten. Jedoch wurden, um Versendern von sperrigen Gegenständen und Gefahrgut ebenfalls einen schnelleren Transport bieten zu können, in einigen Fällen Rungen- oder ähnliche Wagen am Zugschluss beigesetzt.

Wesentlich für den Betriebsablauf war, dass die Stückgüter bereits während der Fahrt sortiert werden konnten. So konnte der Transport zu einem Sortierbahnhof (Stückgutumladebahnhof) vermieden werden. Je Doppelwagen befand sich in einem Waggon der "Eingang", im anderen Waggon nur der "Ausgang" der Waren. Es waren genormte Zuglängen, damit konnten bereits am Bahnsteig die Güter ladegerecht bereitgestellt und der Entladebereich freigehalten werden.

Beim Umbau zu Leig-Einheiten erhielten die beteiligten Güterwagen Heizungen, kleine Seitenfenster und eine durchgehende Beleuchtung mittels Gaslampen. Statt der an den Wagenenden üblicherweise angesetzten Pufferteller war je nach Seite nur ein einfacher Puffer bzw. eine Stoßplatte angebracht, was den Wagenabstand innerhalb des Verbundes auf 540 mm optimierte und eine bei 65 km/h Höchstgeschwindigkeit gelegentlich auftretende Höhendifferenz von 40 mm ermöglichte. Als Gepäckwagen wurden meist ältere preußische Zweiachser (Baujahr ab 1914) verwendet. Die Ladefläche einer solchen Einheit betrug ca. 38,8 m².

Nach 1930 baute die Deutsche Reichsbahn auch Gl-Wagen der Verbandsbauart in Leig-Einheiten um, die auch Bremserhaus und Zugführerabteil besaßen. Außerdem wurde die Federung der Einheiten verbessert, so konnte man die Höchstgeschwindigkeit auf 75 km/h erhöhen. Die Stückzahl der gebauten Kombinationen belief sich im September 1932 bereits auf 288, welche in sämtlichen Direktionen vertreten waren.

Gegen Ende des Jahres 1933 wurden auch Einheiten aus Großraumgüterwagen der Austauschbauart mit einem Achsstand von zumeist 7,70 m gebaut. Die Einheiten des Bezirks Dresden erhielten das Nebengattungszeichen ll, die gemischten Kombinationen aus Güterwagen der Verbands- und Austauschbauart waren dagegen nur exemplarisch vertreten. Das Bremserhaus wurde für alle Wagenverbände beibehalten, die Fenstergröße, -form und -anordnung unterschied sich aber von Waggon zu Waggon teils erheblich.

Gepäcktriebwagen

Ursprünglich basierte das gesamte Konzept des Stückgut-Schnellverkehrs auf neu zu bauenden Dieseltriebwagen. Da die Leig-Einheiten eine schnell zu beschaffende und kostengünstige Alternative darstellten, ließ die DR 1930 lediglich drei Triebwagen mit 150 PS Leistung und 60 km/h Höchstgeschwindigkeit bauen. Sie basierten auf den bei vielen Privatbahnen eingesetzten Wismar-Maybach-Triebwagen. 1941 folgten noch zwei weitere, 110 km/h schnelle Neubaufahrzeuge, die aus den vierachsigen Eiltriebwagen VT 137 abgeleitet wurden. Die Kennzeichnung erfolgte wie bei Güterwagen: Die Triebwagen gehörten zum Gattungsbezirk Dresden und hatten die Wagennummern 10001 bis 10005. Die Konzentration auf den Weltkrieg ließ eine weitere Entwicklung nicht mehr zu. Alle Gütertriebwagen gelangten zur DB, dort wurden sie wie Triebwagen als VT 69 (ältere Bauart) bzw. VT 20 (jüngere Bauart) bezeichnet und in den Jahren 1960 bis 1962 ausgemustert.

Ende des Stückgut-Schnellverkehrs

In den 1970er Jahren konnte das Konzept des Stückgut-Schnellverkehrs nicht mehr mit dem immer flexibler werdenden Lkw-Verkehr und kombiniertem Verkehr mithalten und wurde schrittweise aufgegeben. In Westdeutschland spielte fortan die Schiene keine Rolle mehr bei der schnellen Beförderung von Stückgut. Bei der DR wurde dagegen ein System von Expressgutzügen (Gex) und Expressgutwagen in Personen- und Eilzügen etabliert.

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