Erster Tschetschenien-Krieg

Erster Tschetschenien-Krieg

Der Erste Tschetschenienkrieg war ein militärischer Konflikt zwischen der Kaukasusrepublik Tschetschenien und Russland von 1994 bis 1996.

Inhaltsverzeichnis

Hintergründe

1921/1922 wurde Tschetschenien Teil der Sowjetunion. Tschetschenien existierte als autonomer Staat in der Russländischen Sowjetrepublik (RSFSR). Im Zweiten Weltkrieg wurde die tschetschenische Bevölkerung von Stalin deportiert und konnte erst nach 1956 zurückkehren. 1991 löste sich die Sowjetunion auf.

Am 1. November 1991 erklärte der tschetschenische Präsident Dschochar Dudajew einseitig die Unabhängigkeit seines Landes und lehnte auch einen Föderationsvertrag mit Russland ab. Es begann eine aktive „Tschetschenisierung“ sämtlicher Lebensbereiche, die die massenhafte Flucht der russischsprachigen Bevölkerungsteile nach sich zog. Die russische Regierung in Moskau unterstützte in der Folge zunächst die politischen Gegner Dudajews und verstärkte ihre Truppen an den Grenzen zu Tschetschenien. Bis zum Jahr 1994 kam es zu einem Massenexodus der nicht-tschetschenischen Bevölkerung aus der Republik (ca. 200.000 bis 300.000 Menschen).

Siehe:

Kriegsverlauf

Ausgebrannter russischer BMP.
Der tschetschenische Regierungssitz in Grosny.

Am 29. November 1994 beschloss der Sicherheitsrat der Russischen Föderation unter seinem Ersten Sekretär Oleg Lobow ohne Konsultation der übrigen Institutionen den Angriff auf Tschetschenien. Am 11. Dezember 1994 erteilte der russische Präsident Boris Jelzin schließlich den Befehl zur militärischen Intervention.

Etwa 40.000 Soldaten marschierten in Tschetschenien ein und nahmen nach zweimonatigen Kämpfen die Hauptstadt Grosny ein. Bei der Belagerung der Stadt im Januar 1995 starben nach Schätzungen etwa 25.000 Menschen durch tagelangen Artilleriebeschuss. Proteste im Ausland lösten insbesondere die offenbar wenig gezielten Luftangriffe aus, deren massive Zerstörungen bis heute nicht vollständig beseitigt wurden. Bis zum April 1995 konnte die russische Armee rund 80 Prozent des tschetschenischen Gebietes unter ihre Kontrolle bringen. Die größtenteils nur unzureichend ausgerüsteten und ausgebildeten russischen Truppen fanden sich dabei in einem Guerillakrieg, der Teile der Armee demoralisierte.

Die Anhänger Dudajews verfolgten die Guerillataktik weiter: Am 14. Juni 1995 brachten Freischärler unter der Führung von Schamil Bassajew ein Krankenhaus im südrussischen Budjonnowsk in ihre Gewalt und verschanzten sich dort mit 1000 Geiseln. Nach vergeblichen Versuchen, das Hospital zu stürmen, ging die russische Regierung auf die Forderungen der Gegner ein und sicherte ein sofortiges Ende der Militäraktionen, den Beginn von Friedensgesprächen und freien Abzug zu.

Unter der Schirmherrschaft der OSZE begannen in Moskau Verhandlungen, die mit der Unterzeichnung eines Militärabkommens am 30. Juli 1995 endeten. Es sah den Verzicht auf weitere Kampfhandlungen, die Entwaffnung der Tschetschenen sowie den Abmarsch der russischen Soldaten aus Tschetschenien bis auf 6000 Mann vor.

Dieser am 2. August 1995 begonnene Waffenstillstand war jedoch nicht von Dauer, nachdem tschetschenische Freischärler ihre Unabhängigkeitsansprüche mit neuen Angriffen unterstrichen. So drangen sie unter der Führung von Salman Raduew am 9. Januar 1996 in ein Krankenhaus von Kisljar und besetzten wenige Tage nach der Geiselnahme das dagestanische Dorf Perwomaiskoje. Die russische Regierung beantwortete diese tschetschenischen Kampfhandlungen wiederum mit Gewalt, 5 000 Soldaten und 80 Panzer zerstörten das Dorf. 78 Menschen starben bei den Kämpfen und erhöhten damit die Gesamtzahl der Opfer, die seit Kriegsbeginn auf Zehntausende von Toten sowie 500 000 tschetschenische Flüchtlinge geschätzt werden.

Der tschetschenische Rebellenchef Dudajew wurde am Abend des 21. April 1996 in der Nähe des Dorfes Gechi-Tschu getötet. Offiziellen Stellungnahmen zufolge wurde er während eines Telefonats durch einen gezielten Angriff mit einer Ballistischen Rakete vom Typ SS-21 Scarab tödlich verletzt. Allerdings gab es auch Spekulationen darüber, dass Dudajew innertschetschenischen Machtkämpfen zum Opfer gefallen sei oder gar überlebt habe.

Vor den russischen Präsidentschaftswahlen am 16. Juni 1996 einigte man sich auf ein Waffenstillstandsabkommen, das aber zunächst von beiden Seiten nicht eingehalten wurde. Im August 1996 handelte dann der russische General Alexander Lebed mit dem Chef der tschetschenischen Übergangsregierung Aslan Alijewitsch Mashadow ein neues Waffenstillstandsabkommen aus, das auch den Abzug der russischen Truppen aus Tschetschenien beinhaltete (Abkommen von Chassawjurt). Mashadow hatte im August 1996 die schon von der Armee kontrollierte Stadt Grosny mit etwa 5000 tschetschenischen Separatisten zurückerobert. Der Krieg hatte damit für die russische Seite eine überraschende und niederschmetternde Wende genommen.

Am 22. Dezember 1996 griffen rund 100 tschetschenische Rebellen die dagestanische Stadt Buinaksk an, dabei wurden drei Menschen getötet und 13 verletzt.

Anfang Januar 1997 war der Truppenabzug abgeschlossen, Ende Januar fanden in Tschetschenien Parlaments- und Präsidentenwahlen statt, aus denen Maschadow als Staatschef hervorging; am 12. Mai 1997 unterzeichneten Jelzin und Maschadow einen formellen Friedensvertrag. Der umstrittene politische Status Tschetscheniens wurde allerdings in diesem Vertrag nicht geklärt, sondern auf den 31. Dezember 2001 verschoben.

Nach Berichten russischer, darunter auch regierungskritischer Journalisten, herrschte in der Zeit der „tschetschenischen Unabhängigkeit“ von 1997 bis 1999 kein geregeltes Gemeinwesen, Gefechte zwischen den Warlords, Überfälle und Entführungen waren an der Tagesordnung.

Der fast zweijährige Krieg kostete nach Schätzungen mindestens 80.000 Menschen das Leben. Offiziellen Beobachtern zufolge haben sich russische Armee und tschetschenische Freischärler dabei immer wieder schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht.

Seit dem 2. August 1999 eskalierte die Lage erneut: Rund 400 tschetschenische Freischärler unter der Führung von Schamil Bassajew und des arabischen Islamisten Ibn al-Chattab griffen die Nachbarrepublik Dagestan unter Anderem im Bezirk Botlichskij an. In erbitterten Kämpfen bis zum 26. August 1999 kamen rund 73 russische Soldaten ums Leben und 259 wurden verwundet. Am 5. September 1999 griffen erneut unter den Anführern Schamil Bassajew und Ibn al-Chattab rund 2.000 tschetschenische Rebellen Dagestan an und töteten im Bezirk Nowolakskij bis 15. September mehrere hundert Menschen.

Nachdem die Situation in Dagestan schon eskaliert und es zu intensiven kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen war, kam es in Russland im September indes wiederholt zu Sprengstoffanschlägen auf Wohnhäuser in Moskau und in Wolgodonsk, bei denen sehr viele Menschen ums Leben kamen.

Es gibt Gerüchte, dass diese tödlichen Anschläge vom FSB (ehemals KGB) verübt wurden, angeblich um einen Vorwand für den zweiten Tschetschenienkrieg zu haben und den Wahlkampf Putins zu unterstützen. Auch Alexander Litwinenko, ehemaliger Mitarbeiter des FSB, der nach der Meinung vieler von diesem Geheimdienst vergiftet wurde, hatte dies auch immer wieder behauptet.

Literatur

  • Arkadi Babtschenko: Die Farbe des Krieges. Rowohlt, Berlin 2007, ISBN 978-3-87134-558-6
  • Hans Krech: Der russische Krieg in Tschetschenien (1994-1996). Ein Handbuch, Berlin: Verlag Dr. Köster, 1997. (Bewaffnete Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes, Bd. 3). (2. unveränderte Auflage 2000).
  • Heiko Sauer, Niklas Wagner: Der Tschetschenien-Konflikt und das Völkerrecht. Tschetscheniens Sezession, Russlands Militärinterventionen und die Reaktionen der Staatengemeinschaft auf dem Prüfstand des internationalen Rechts. In: Archiv des Völkerrechts, Bd. 45 (2007), S. 53-83.

Siehe auch

Weblinks


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