- Erzbischöfliches Seminar Hollabrunn
-
Das Knabenseminar Hollabrunn wurde später Erzbischöfliches Seminar Hollabrunn genannt. Fälschlicherweise wurde es auch als Priesterseminar Hollabrunn bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Gründung in Wien
Die Erzdiözese Wien fasste erst unter Kardinal Joseph Othmar Ritter von Rauscher den Beschluss, ein Knabenseminar zu gründen. Am 1. Oktober 1856 wurde das Knabenseminar im ehemaligen Karmel St. Theobald in Wien VI. eröffnet. Die Seminaristen besuchten das von den Piaristen geleitete staatliche Gymnasium in der Josefsstadt.
Im Jahr 1875 ersuchten Vertreter der Gemeinde Oberhollabrunn (heute Hollabrunn) um Verlegung des Knabenseminars nach Oberhollabrunn. Dort war 1865 ein neues Gymnasium gegründet worden, das zu wenige Schüler hatte. Erst mit Rauschers Nachfolger, Kardinal Johann Rudolf Kutschker, konnte am 23. Juni 1880 ein Vertrag zur Errichtung eines Seminars in Oberhollabrunn unterzeichnet werden.
Standort Hollabrunn
Am 20. Juli 1880 erfolgte die Grundsteinlegung für den Neubau nach Plänen des Architekten Richard Jordan, am 16. November 1880 konnte nach 115 Arbeitstagen das Turmkreuz geweiht werden. Die westliche Hauptfront ist 86 m lang, die Seitentrakte sind 75 m lang.
Die Übersiedlung von Wien erfolgte im August 1881. Am 2. Oktober 1881 wurden Haus und Kapelle von Fürsterzbischof Cölestin Joseph Ganglbauer eingeweiht.
174 Knaben wohnten im Schuljahr 1881/82 im Seminar und besuchten das öffentliche Gymnasium Hollabrunn. Die Schülerzahlen des Gymnasiums stiegen von 41 im Schuljahr 1880/81 auf 229 im Schuljahr 1881/82. In den folgenden Jahren wurden mehrere Priester auch als Professoren am Gymnasium angestellt.
Das Haus war für 180 bis 200 Studenten gebaut worden. Im Jahr 1930 wurde die Höchstzahl mit 313 Zöglingen erreicht. Ein Präfekt war damals für 80 Studenten zuständig.
Etwa ein Drittel der Seminaristen erreichte die Matura. In den Jahren 1856 bis 1956 waren über 40% der Priester der Erzdiözese Wien ehemalige Seminaristen.
Auflösung im Jahr 1938
Nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich im März 1938 konnte durch Verhandlungen zunächst erreicht werden, dass die Seminaristen nicht der Hitler-Jugend (HJ) beitreten mussten.
Seit dem 31. Mai wurden drei Klassen des Gymnasiums im Seminargebäude untergebracht. Des weiteren wollte die Stadtgemeinde Hollabrunn den Vorstehergarten für eine Erweiterung des Spitals kaufen. Außerdem wurde der Druck immer stärker, den Wirtschaftsbetrieb des Seminars in der Reucklstraße einzustellen.
Während der Besetzung des Sudetenlandes wurden vom 16. bis 29. September insgesamt 981 Militärpersonen und 1248 Flüchtlinge einquartiert.
Am 21. September wurde mit einem Schreiben des Bezirksschulrates Hollabrunn das Seminar aufgehoben. Alle Proteste von Rektor Joseph Ettl und Kardinal Theodor Innitzer waren erfolglos. Am 27. September untersagte die Kreisleitung Hollabrunn eine Weiterführung des Knabenseminars. Sie ordnete eine Übergabe des gesamten Inventars an die Stadtgemeinde Hollabrunn an, die ein Schülerheim weiterführen wollte.
Für das Schülerheim meldeten sich aber nur 3,5% der Seminaristen an. Viele Seminaristen setzten ihre Schulausbildung in Wien fort. Die Schülerzahl des Gymnasiums Hollabrunn sank von 544 auf 346. Das städtische Schülerheim wurde am 24. Oktober eröffnet und konnte etwa 100 Schüler aufnehmen. Ab dem Jahr 1939 wurden Teile des Hauses als Kreishaus der NSDAP verwendet.
Am 3. Januar 1940 konnte zwischen dem ehemaligen Rektor, Joseph Ettl, und dem Hollabrunner Bürgermeister Schenk ein Vertrag abgeschlossen werden, in dem das Seminargebäude an die Stadt Hollabrunn vermietet wurde.
Neubeginn 1945
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde das Seminar von sowjetischen Truppen besetzt. Daher wurden die Zöglinge ab September 1945 privat in Hollabrunn untergebracht.
Am 14. November wurde eine Rückgabe des Süd- und Osttraktes, in dem das Schülerheim untergebracht war, erreicht. Am 5. Januar 1946 wurde die Seminarkapelle neu geweiht, am 10. Januar begann wieder der Studienbetrieb. Am 29. Juli wurde das gesamte Gebäude zurückgegeben.
Nach einer Generalreinigung konnte im September 1946 das erste Normaljahr mit 93 Zöglingen begonnen werden. Am 6. Oktober wurde das Haus von Kardinal Theodor Innitzer neu geweiht. Erst im Jahr 1949 erfolgte die Rückgabe des Vorstehergartens.
In den folgenden Jahren stieg die Zahl der Seminaristen wieder auf über 200 an. Daher wurde 1953 im 3. Stock eine zweite Kapelle für 90 Zöglinge errichtet. Nach 1965 begann die Zahl der Zöglinge deutlich zu sinken.
Knabenseminar Sachsenbrunn
1956 wurde ein zweites Seminar in Sachsenbrunn (im Süden der Erzdiözese) geplant. Neben einem Internat wurde dort auch ein Privatgymnasium der Erzdiözese Wien errichtet. Am 21. September 1959 weihte Kardinal Dr. Franz König den noch unfertigen Neubau und eröffnete das erste Schuljahr. Einige Zöglinge, die südlich von Wien wohnten, wechselten von Hollabrunn nach Sachsenbrunn. Erst im Jahr 1963 wurde das neue Seminar fertiggestellt.
Nach und nach wurde das Gymnasium Sachsenbrunn für Externe und für Mädchen freigegeben. In den 1990er-Jahren wurde der Internatsbetrieb wegen zu geringer Anzahl an Seminaristen eingestellt. Nach einer Ausweitung der angebotenen Schulzweige heißt die Schule heute „Gymnasium und Realgymnasium Sachsenbrunn“.
Gründung des Aufbaugymnasiums
1972 plante Rektor Dr. Johann Kurz im Seminar ein privates Musisch-Pädagogisches Realgymnasium zu errichten. In einer Konferenz der Vorsteher wurde am 1. September 1973 der Beschluss zur Errichtung einer Privatschule gefasst. Als Schultyp wurde aber das Aufbaugymnasium gewählt. Der damalige Religionsprofessor, Dr. Hans Groër, wurde zum Leiter bestimmt.
1974 begann der Schulbetrieb mit 21 Schülern und 7 Schülerinnen. Alle Klassenräume waren im Seminargebäude untergebracht.
Jetzt konnten auch 14-Jährige und Spätberufene in das Seminar eintreten. Die Zahl der Seminaristen blieb nach der Gründung des Aufbaugymnasiums noch einige Jahre konstant, ging dann aber beständig zurück.
Bis zur Auflösung des Knabenseminars haben ziemlich genau zwei Drittel der Seminaristen am Aufbaugymnasium und ein Drittel am Bundesgymnasium maturiert.
Auflösung des Knabenseminars
Da die Anzahl der Seminaristen auf unter 50 abfiel und vor allem in die erste Klasse weniger als 5 Studenten eintraten, wurde das Knabenseminar Hollabrunn mit Ende des Schuljahres 1991/92 aufgelöst.
Das Aufbaugymnasium Hollabrunn verblieb im Seminargebäude. Ab dem Schuljahr 2004/05 ist auch die Handelsakademie Hollabrunn dort eingemietet.
Rektoren
- Karl Dittrich, 1856 bis 1874
- Franz Kraus, 1874 bis 1884
- Franz Reuckl, 1884 bis 1899
- Julius Kundi, 1899 bis 1903
- Dr. Franz Berger, 1903 bis 1922
- Dr. Johann Gartner, 1922 bis 1933
- Joseph Ettl, 1933 bis 1938 und 1945 bis 1947
- Dr. Johann Kurz, 1947 bis 1984
- Herbert Samm, 1984 bis 1986
- Franz Grabenwöger, 1986 bis 1992
Ehemalige Seminaristen
- Engelbert Dollfuß (* 4. Oktober 1892 in Texing, Niederösterreich; † 25. Juli 1934 in Wien) Politiker.
- Udo Fischer (* 1952 in Wienerherberg, Niederösterreich) Benediktinerpater.
- Dr. Hans Hermann Groër (* 13. Oktober 1919 in Wien; † 24. März 2003 in Sankt Pölten) Erzbischof der Erzdiözese Wien.
- Rudolf Henz (* 10. Mai 1897 in Göpfritz an der Wild, Niederösterreich; † 12. Februar 1987 in Wien) Schriftsteller.
- Franz Jachym (* 3. September 1910 in Wien; † 29. November 1984 in Wien) Weihbischof der Erzdiözese Wien.
- Jakob Franz Alexander Kern (* 11. April 1897 in Wien; † 20. Oktober 1924 in Wien) Prämonstratenser, Katholischer Seliger.
- Josef Kühschelm (* 27. Juli 1855 in Ulrichskirchen; † 11. Jänner 1908 in Guntersdorf), Studienpräfekt, Reichsratsmitglied und Landtagsabgeordneter
- Florian Kuntner (* 22. März 1933 in Kirchberg am Wechsel, Niederösterreich; † 30. März 1994 in Wien) Weihbischof der Erzdiözese Wien.
- DDr. Stephan László (* 25. Februar 1913 in Pressburg; † 8. März 1995 in Eisenstadt) Bischof der Diözese Eisenstadt.
- Godfried Marschall (* 1. Oktober 1840 in Staatz, Niederösterreich; † 23. März 1911 in Wien) Generalvikar und Weihbischof der Erzdiözese Wien.
- Karl Rühringer (* 28. Januar 1940 in Groß Tarax, Tschechien) Bischofsvikar der Erzdiözese Wien.
- Johann Baptist Schneider (* 1840 in Gaunersdorf, Niederösterreich; † 26. Januar 1905) Generalvikar und Weihbischof der Erzdiözese Wien.
- Dr. Joseph Schoiswohl (* 3. Januar 1901 in Guntramsdorf, Niederösterreich; † 26. Februar 1991 in Wien) Bischof der Diözese Graz-Seckau.
- Helmut Schüller (* 24. Dezember 1952 in Wien)
- Raimund Weissensteiner (* 14. August 1905 in Hoheneich, Niederösterreich; † 12. Juli 1997 in Wien) Priester und Komponist.
Literatur
- Dr. Johann Grippel: Geschichte des F. E. Knabenseminars der Erzdiözese Wien zu Oberhollabrunn. Oberhollabrunn 1906
- Dr. Hans Groër: Hundert Jahre Knabenseminar der Erzdiözese Wien. Hollabrunn 1956
- Michael Gstaltmeyr: Das erzbischöfliche Seminar in Hollabrunn im Jahre 1938. Hollabrunn 1988
- Peter Paul Kaspar: Knabenseminar : ein Nachruf. Müller, Salzburg/Wien 1997, ISBN 3-7013-0943-4
- Dr. H. Kurz (Hrsg.): Hundert Jahre eb. Seminar in Hollabrunn. Hollabrunn 1981
- Christine Mann, Erwin Mann: Die große Geschichte des Kleinen Seminars der Erzdiözese Wien. Wiener Domverlag, Wien 2006, ISBN 3-85351-194-5
- Mag. Dr. Herwig Reidlinger: Die Gründung des Aufbaugymnasiums Hollabrunn. In: Aufbaugymnasiums der Erzdiözese Wien in Hollabrunn (Hrsg.): 20. Jahresbericht 1993/94
- Viktor Scheibenreiter (Hrsg.): 100 Jahre Bundesgymnasium Hollabrunn 1865 1965. Hollabrunn 1965.
Weblinks
Wikimedia Foundation.