Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen

Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen

Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen wurde am 5. November 1992 vom Europarat gezeichnet und ist seit 1998 in Kraft.

Inhaltsverzeichnis

Ziel

Ziel der Charta ist es, Regional- oder Minderheitensprachen als einen einzigartigen Bestandteil des kulturellen Erbes Europas zu bewahren und ihren Gebrauch im Bereich des Rechts, der Schulen, des öffentlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens sowie der Medien auszuweiten.

Gliederung

Die Sprachencharta gliedert sich in fünf Abschnitte.

  • Der erste („Allgemeine Bestimmungen“) enthält eine sehr weite Definition des Gegenstandes, die nicht zwischen Regional- und Minderheitensprachen differenziert. Die Charta definiert sie als von einer historisch siedelnden Bevölkerungsminderheit eines Staates gebrauchte Sprache, die sich von der Amtssprache unterscheidet. Sie schützt damit weder Dialekte noch die Sprachen von Immigranten.
  • Der zweite Teil („Ziele und Grundsätze“) formuliert allgemeine Zielsetzungen und es ist den Staaten möglich, eine oder mehrere Sprachen lediglich dem „Schutz“ dieses Abschnittes zu unterstellen (der weniger verbindlich ist als der dritte Abschnitt).
  • Dieser dritte Teil („Maßnahmen“) enthält einen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Stellungen der Regional- oder Minderheitensprachen in den Bereichen „Bildungswesen“, „Justiz“, „Verwaltungsbehörden und öffentliche Dienstleistungsbetriebe“, „Medien“, „Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen“, „Wirtschaftliches und soziales Leben“ und „Grenzüberschreitender Austausch“. Jede Vertragspartei verpflichtet sich, mindestens 35 von 98 möglichen Maßnahmen aus diesem Katalog umzusetzen.
  • Der vierte Teil („Anwendung der Charta“) regelt die Berichtspflicht der Unterzeichnerstaaten.
  • Der fünfte („Schlußbestimmungen“) enthält Regelungen zur Unterzeichnung und zum Inkrafttreten.

Geltung

Die Charta wurde bisher von 23 Staaten des Europarates ratifiziert (Stand: 04/2008).

Die Charta in Deutschland

Die Charta wurde durch die Bundesregierung 1998 ratifiziert. Durch Hinterlegung beim Europarat verpflichtet sich Deutschland fünf Minderheitensprachen und eine Regionalsprache zu schützen, wobei sich die Maßnahmen auf die Bundesländer beschränken, in denen die Sprache verbreitet ist. Die Minderheitensprachen: Dänisch (in Schleswig-Holstein), Sorbisch (Obersorbisch in Sachsen, Niedersorbisch in Brandenburg), Nordfriesisch (in Schleswig-Holstein), Saterfriesisch (in Niedersachsen) und Romanes (geschützt nach Teil 2 seit 1998, erst später Hinzufügung nach Teil 3 in Hessen). Die Regionalsprache Niederdeutsch (in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach Teil 3, in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt nach Teil 2). Für jede Sprache wurden getrennt und unterschiedlich weitreichende Maßnahmen benannt, über deren Umsetzung die Bundesregierung in Berichten an den Europarat informiert. In den Berichten können auch Vertreter der Sprachgemeinschaften Stellungnahmen anfügen.

Würdigung und Kritik

Die Charta stellt das erste völkerrechtliche Abkommen dieses Ausmaßes zum Schutz von Minderheiten- und Regionalsprachen dar. Sie kann damit auch über Europa hinaus Referenzcharakter haben, auch wenn viele der Maßnahmen in anderen Staaten zu kostenintensiv sind, als dass sie umgesetzt werden könnten. Abgesehen von den konkreten Maßnahmen bietet die Charta den Sprechern der Sprachen eine Plattform, Legitimation und Argumentationshilfe für das politische Agendasetting des Sprachschutzes. Der Maßnahmenkatalog ist bewusst gestaffelt gehalten, so dass Staaten unter Berücksichtigung sowohl ihrer Möglichkeiten als auch der Bedürfnisse zum Schutz der Einzelsprachen Verpflichtungen eingehen können. Damit liegt die Auswahl der Stärke der Maßnahmen jedoch bei den Regierungen der Staaten und wird von finanziellen und politischen Ansprüchen eingeengt. Die Charta enthält keine Möglichkeit des Einklagens von Sprachrechten auf europäischer Ebene, sondern ist auch hier von der Übernahme in das Gesetzeswerk der Staaten abhängig. Die Beschränkung auf lediglich historisch siedelnde Sprachminderheiten und damit der Ausschluss von z.B. Sprachen von Immigranten, ist der praktischen Umsetzung geschuldet. Die „Allgemeine Erklärung der Sprachenrechte“ von 1996 betont dagegen stärker das persönliche Recht auf den Gebrauch einer eigenen Sprache und ist damit in ihrem Anspruch weitgehender als die Charta, wird jedoch so nicht umgesetzt.

Ein weiterer Kritikpunkt an der Charta ist, dass sie nur autochtone Einzelsprache berücksichtigt, während die Sprachen der in den einzelnen Ländern teilweise sehr zahlreichen Einwanderergruppen nicht berücksichtigt und auch Sprachen keine Beachtung finden, die mehrheitlich nicht als Einzel- bzw. Ausbausprachen sondern als Dialekt kategorisiert werden.

Siehe auch

Weblinks


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