- Europäische Kulturhauptstadt
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Der Titel Europäische Kulturhauptstadt (bis 1999: Kulturstadt Europas, dann bis 2004: Kulturhauptstadt Europas) wird jährlich von mindestens einer europäischen Stadt geführt. Vorübergehend wird der Titel auch zwei Städten zugebilligt.
Mit Beschluss des Rates der Europäischen Union wurde am 13. Juni 1985 der Vorschlag der damaligen griechischen Kulturministerin Melina Mercouri umgesetzt. Dieser sah vor, jährlich eine europäische Kultur(haupt)stadt zu benennen, mit dem Ziel, die europäische Integration zu stärken.
Unter deutscher Präsidentschaft (1999) wurde durch den Beschluss 1419/1999/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Einrichtung einer Gemeinschaftsaktion zur Förderung der Veranstaltung „Kulturhauptstadt Europas“ für die Jahre 2005 bis 2019 (Amtsblatt der EG, S. L 166/1) die Bedeutung verstärkt. Danach verleiht der Rat den Titel auf Empfehlung der Europäischen Kommission, die die Stellungnahme des Europäischen Parlaments berücksichtigen muss. Seit 1985 wird der Titel kontinuierlich jeweils für ein Jahr verliehen.
In dem entsprechenden Jahr finden in den „Kulturhauptstädten“ zahlreiche kulturelle Veranstaltungen statt. Die Städte erhoffen sich vom Tragen dieses Titels für ein Jahr eine erhöhte Aufmerksamkeit und zahlreiche Besucher.
Inhaltsverzeichnis
Vergabeverfahren
Jeweils ein EU-Mitgliedstaat darf nach einer festgelegten Reihenfolge eine Stadt vorschlagen, die dann auf Empfehlung der EU-Kommission vom Rat zur Kulturhauptstadt ernannt wird.
Derzeit verhandeln der Rat der EU-Kulturminister mit dem Europäischen Parlament über einen Vorschlag der Europäischen Kommission darüber, wie die neuen EU-Mitgliedstaaten in die Aktion miteinbezogen werden. Ab 2009 sollen die neu hinzugekommenen EU-Staaten dergestalt am Programm teilhaben, als dann jeweils zwei Kulturhauptstädte ernannt werden. Kommission und Rat einigten sich bereits auf eine Liste von Ländern bis 2018. Dabei stellt je einer der bisherigen 15 EU-Staaten und einer der zehn Erweiterungsstaaten eine der beiden Kulturhauptstädte. Ab 2019 soll es jährlich wieder nur eine Europäische Hauptstadt der Kultur geben, wobei bis dahin vermutlich weitere Staaten der EU beitreten werden (Kroatien, eventuell Türkei). Die Regelung ist noch nicht abschließend, weil das Europäische Parlament darauf dringt, das Vergabeverfahren zu modifizieren. Insbesondere soll es künftig nicht mehr möglich sein, statt mehrerer nur eine Stadt zu nominieren (so Griechenland im Falle von Patras für das Jahr 2006). Nach dem Votum des Parlaments sollen von 2009 an jeweils mindestens zwei Städte vom Staat benannt werden, um der europäischen Jury Wahlmöglichkeiten zu eröffnen.
Evaluierungskriterien der Europäischen Kommission
Die EU hat elf Evaluierungskriterien zur Beurteilung der Bewerbungen für künftige Kulturhauptstädte Europas festgelegt. Alle Bewerberstädte zu einer Kulturhauptstadt Europas müssen ihre Bewerbungen an diesen Kriterien ausrichten. Eine vollständige Auflistung aller EU-Evaluierungskriterien ist im Informationsportal Kultur 2010 veröffentlicht: Informationsportal zur Kulturhauptstadt Europas 2010.
Liste der Europäischen Kulturhauptstädte
- 1985: Athen (Griechenland)
- 1986: Florenz (Italien)
- 1987: Amsterdam (Niederlande)
- 1988: Berlin (West) (Deutschland)
- 1989: Paris (Frankreich)
- 1990: Glasgow (Vereinigtes Königreich)
- 1991: Dublin (Irland)
- 1992: Madrid (Spanien)
- 1993: Antwerpen (Belgien)
- 1994: Lissabon (Portugal)
- 1995: Luxemburg (Luxemburg)
- 1996: Kopenhagen (Dänemark)
- 1997: Thessaloniki (Griechenland)
- 1998: Stockholm (Schweden)
- 1999: Weimar (Deutschland)
- 2000: Avignon (Frankreich), Bergen (Norwegen), Bologna (Italien), Brüssel (Belgien), Helsinki (Finnland) („Wissen, Technik und Zukunft“), Krakau (Polen), Prag (Tschechien) („Kulturelles Erbe“), Reykjavík (Island) („Kultur und Natur“), Santiago de Compostela (Spanien) („Europa und die Welt“)
- 2001: Porto (Portugal) – Rotterdam (Niederlande)
- 2002: Salamanca (Spanien) – Brügge („Brügge Plus“) (Belgien)
- 2003: Graz („Graz 2003“) (Österreich)
- 2004: Lille (Frankreich) – Genua (Italien)
- 2005: Cork (Irland)
- 2006: Patras (Griechenland)
- 2007: Luxemburg (Luxemburg) und die Großregion Saar-Lor-Lux – Sibiu (Hermannstadt, Rumänien)
- 2008: Liverpool (Vereinigtes Königreich) – Stavanger (Norwegen) (Vertreter eines Nicht-EU-Staates in Europa)
- 2009: Linz (Österreich, siehe Linz 2009 – Kulturhauptstadt Europas) – Vilnius (Litauen)
- 2010: Essen und das Ruhrgebiet (Deutschland) – Pécs (Fünfkirchen, Ungarn) – Istanbul (Türkei) (Vertreter eines Nicht-EU-Staates)
- 2011: Turku (Finnland) – Tallinn (Estland)
- 2012: Guimarães (Portugal) – Maribor (Slowenien)
- 2013: Marseille (Frankreich) – Košice (Slowakei)
- 2014: Lund oder Umeå (Schweden) – (Lettland)
- 2015: (Belgien) – (Tschechien)
- 2016: (Spanien) – (Polen)
- 2017: (Dänemark) – (Zypern)
- 2018: (Niederlande) – (Malta) - bewerben will sich Aachen gemeinsam mit der niederländischen Stadt Maastricht unter Beteiligung von Lüttich
- 2019: (Italien) – (Bulgarien)
Europäische Kulturhauptstadt 2010
Neben der deutschen Stadt Essen und dem Ruhrgebiet wurden von der Europäischen Kommission auch die ungarische Stadt Pécs (Fünfkirchen) und die in Europa und Asien liegende türkische Metropole Istanbul (als Vertreter eines nicht-EU-Landes) zur Kulturhauptstadt Europas 2010 ernannt.
Bewerbungen
Für den Titel Kulturhauptstadt Europas 2010 bewarben sich ursprünglich 16 deutsche Städte. Stellvertretend für das Ruhrgebiet bewarb sich Essen um den Titel.
Die deutschen Bewerberstädte:
- Augsburg
- Bamberg
- Braunschweig
- Bremen
- Essen und das Ruhrgebiet
- Görlitz (Doppelkandidatur Görlitz/Zgorzelec)
- Halle (Saale)
- Karlsruhe
Unter den Städten Köln, Münster und Essen, welche für Nordrhein-Westfalen ins Rennen gegangen sind, wurde Essen als Vertreter für die weitere Selektierung ausgewählt. Als bayerischer Bewerber erhielt Regensburg den Vorzug vor Augsburg und Bamberg.
Im März 2005 wurden die beiden Städte Essen und Görlitz von einer deutschen Jury unter Federführung der Kultusministerkonferenz (KMK) ausgewählt. Diese Nominierung wurde vom Bundesrat bestätigt und im dritten Quartal 2005 vom Auswärtigen Amt an das Europäische Parlament und die Europäische Kommission weitergeleitet.
Essen trat stellvertretend für das Ruhrgebiet unter dem Motto „Wandel durch Kultur – Kultur durch Wandel“. Das Konzept der Modernisierung und des „Sich-neu-erfindens“, welches Essen unter diesem Motto präsentierte, kann auch für andere alte Industrieregionen beispielhaft werden. Vor allem dieser Faktor überzeugte die Jury. Am 11. April 2006 gab die EU-Expertenjury die Entscheidung und Ernennung für Essen und das Ruhrgebiet zur Kulturhauptstadt Europas 2010 bekannt.
In Ungarn bewarben sich 11 Städte um den Titel der Kulturhauptstadt Europas 2010. Die südungarische Stadt Pécs ging als Sieger aus dem Wettbewerb hervor und darf im Jahr 2010 den begehrten Titel tragen.
Die ungarischen Bewerberstädte:
Pécs wurde nach einem innerstaatlichen Auswahlverfahren in Ungarn zur Kulturhauptstadt Europas 2010 nominiert. Die EU-Jury prüfte die Nominierung von Pécs und ernannte die südungarische Stadt offiziell im Herbst 2005 zur Kulturhauptstadt Europas 2010 neben Essen und dem Ruhrgebiet und Istanbul.
Die Vorbereitungen im Ruhrgebiet werden durch die Initiative RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas durchgeführt.
Zitat
- "Wir sind ein deutsches New York"
Fritz Pleitgen, Ruhr.2010-Geschäftsführer, der so in den USA für die Kulturhauptstadt geworben hat
Literatur
- Zur Idee der Kulturhauptstadt
- Mittag, Jürgen (Hrsg.): „Die Idee der Kulturhauptstadt Europas. Anfänge, Ausgestaltung und Auswirkungen Europäischer Kulturpolitik.“ Essen 2008.
- Zur Kulturhauptstadt Berlin 1988
- Drucksache des Abgeordnetenhauses von Berlin Nr. 10/1473 vom 2. April 1987 über „Konzeptionelle Leitlinien und Programmplanung für Berlin als Kulturstadt Europas 1988“.
- Drucksache des Abgeordnetenhauses von Berlin Nr. 10/1670 vom 29. August 1987 über „Programm für Berlin als Kulturstadt Europas 1988“.
- „Berlin – Kulturstadt Europas 1988“. Herausgegeben im Auftrag des Senators für Kulturelle Angelegenheiten von Lorenz Tomerius, Berlin 1988 (ISBN 3-548-34483-6).
- „Berlin – Kulturstadt Europas 1988. Dokumentation.“ Herausgegeben im Auftrag des Senators für Kulturelle Angelegenheiten von Lorenz Tomerius, Berlin 1989 (ISBN 3-548-34635-9).
- Zur Kulturhauptstadt des Ruhrgebiets 2010
- Betz, Gregor: „Von der Idee zum Titelträger. Regionale Kooperationsprozesse des Ruhrgebiets bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2010.“ In: Mittag, Jürgen (Hrsg.): „Die Idee der Kulturhauptstadt Europas. Anfänge, Ausgestaltung und Auswirkungen Europäischer Kulturpolitik.“ Essen 2008. S. 191–213.
- Christina Pachaly: „Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010 – Ein Festival als Instrument der Stadtentwicklung“. ISR Graue Reihe 12, Institut für Stadt- und Regionalplanung, TU Berlin 2008 (ISBN 978-3-7983-2088-8) (Volltext als pdf).
Weblinks
- RUHR.2010
- Informationsportal zur Kulturhauptstadt Europas 2010
- Informationsportal: Istanbul Kulturhauptstadt 2010
- Informationsportal: Pecs Kulturhauptstadt 2010
- Website: Linz Kulturhauptstadt 2009
- Studentisches Projekt zur Erstellung von Unterrichtsmaterialen zu Europäischen Kulturhauptstädten. Bisher aufgenommene Städte Essen, Krakau und Vilnius
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