Exhibitionistische Handlungen

Exhibitionistische Handlungen
Radfahrerin beim Summer Solstice in Seattle, USA

Exhibitionismus ist eine sexuelle Neigung, bei der die betreffende Person es als lustvoll erlebt, von anderen Personen nackt oder bei sexuellen Aktivitäten beobachtet zu werden. Sie stellt damit das Gegenstück zum Voyeurismus dar.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Der Begriff wird im medizinischen, im juristischen und umgangssprachlichen Kontext jeweils unterschiedlich verwendet. In den ersten beiden Bereichen enthält der Begriff dabei eine Abwertung, d. h. die Neigung wird als krankhaft bzw. schuldhaft gewertet.
Andererseits gibt es auch Menschen, insbesondere in der Swinger-Szene, die exhibitionistische Aspekte ihrer Sexualität in einem Rahmen ausleben, in dem das Prinzip des gegenseitigen Einvernehmens gegeben ist, ohne einen (medizinisch relevanten) Leidensdruck oder eine (strafrechtlich relevante) Belästigung anderer.
Bei der Produktion von Pornografie gilt eine exhibitionistische Neigung als wünschenswerte Qualifikation einer Darstellerin oder eines Darstellers.

Medizin/Psychologie

Klassifikation nach ICD-10
F65.2 Exhibitionismus
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Nach ICD-10 ist der Exhibitionismus eine Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung in Form einer Störung der Sexualpräferenz (Schlüssel F65.2), die als wiederkehrende bzw. anhaltende Neigung beschrieben wird, die eigenen Genitalien vor meistens gegengeschlechtlichen Fremden in der Öffentlichkeit zu entblößen, ohne dass ein näherer Kontakt eingefordert oder gewünscht würde. Ob es sich um eine Störung der Sexualpräferenz handelt oder lediglich um eine Abweichung zu inzwischen allgemein akzeptierten Sexualpräferenzen, ist heftig umstritten. Die Entblößung kann auch vor gleichgeschlechtlichen Fremden erfolgen, die Art ist im Wesentlichen von der eigenen sexuellen Ausrichtung abhängig (heterosexuell, homosexuell etc.).

Das Exhibieren führt beim Exhibitionisten zu einer persönlichen Genugtuung, häufig auch zu sexueller Erregung. Im Falle der sexuellen Erregung kann eine Masturbation nachfolgen. Exhibitionismus kommt bei Männern häufiger vor als bei Frauen.

Rechtswissenschaften

Tatbestand

Werden die exhibitionistischen Handlungen vor Kindern vollzogen, kann es sich um einen Fall des Sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 4 StGB handeln. In allen übrigen Fällen kommt eine Strafbarkeit nach § 183 Abs. 1 StGB – exhibitionistische Handlungen – in Betracht. Täter einer solchen Straftat kann nur ein Mann sein; Exhibitionismus bei Frauen kann also nur nach § 176 StGB strafbar sein. Unterhalb der Strafbarkeitsschwelle kann eine Ordnungswidrigkeit in Gestalt einer Belästigung der Allgemeinheit (§ 118 Ordnungswidrigkeitengesetz) vorliegen.

Elementar für den Straftatbestand ist die Belästigung einer anderen Person durch die exhibitionistische Handlung. Die Belästigung ist nicht gegeben, wenn die Reaktion des oder der Betroffenen Interesse, Verwunderung oder Mitleid ist. Die Straftat wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft. Sofern es sich um exhibitionistische Handlungen vor Kindern handelt, kann die Tat mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. Die Schuldfähigkeit des Täters muss besonders geprüft werden, da der Exhibitionismus (sofern er dem Muster des Codes F65.2 der ICD-10 entspricht) als „andere schwere seelische Abartigkeit“ im Sinne der §§ 20, 21 StGB eingestuft werden kann.

Nach einem Urteil des BayObLG von Mitte 1998 (2 St RR 86/98) ist der Tatbestand des Exhibitionismus nur dann erfüllt, wenn die Entblößung der sexuellen Befriedigung dient. Ist dies nicht der Fall, kann nicht von Exhibitionismus gesprochen werden.

Reformbewegungen

Kriminalpolitisch wird von mehreren Seiten die Entkriminalisierung des Exhibitionismus mit der Begründung verlangt, durch die fortschreitend sich wandelnde Einstellung der Gesellschaft gegenüber der Sexualpräferenz (Toleranz gegenüber Homosexualität usw.) sei für die Einstufung als Straftat grundsätzlich kein Raum mehr. Demgegenüber wird eingewendet, dass insbesondere der Schutz des Anderen vor ungewollter Konfrontation mit sexuellen Handlungen nicht durch dieses Argument fortgewischt werden könne. Teilweise wird daher eine Herabstufung zu einer Ordnungswidrigkeit vorgeschlagen. Dies kann je nach angestrebtem Bußgeldrahmen für eventuelle Täter finanziell erhebliche Nachteile bedeuten, hätte aber den Vorteil des Wegfalls der Vorstrafe und Eintragung im Zentralregister.

Verschiedene moderne Erscheinungsformen

Demonstrationen

Demonstration in San Francisco

Öffentliche Nacktheit findet zunehmend Verbreitung, um in der Öffentlichkeit auf politische Ziele aufmerksam zu machen. So finden sich auf Demonstrationen nackte Personen, insbesondere unter Studenten[1][2]. Auch der Tierschutzverein PETA setzt oft für Marketingzwecke nackte Menschen im öffentlichen Raum ein[3].

Flitzer

Exhibitionisten können sich auch als sog. Flitzer darstellen. Dabei zeigen sie sich auf öffentlichen Anlässen, in dem sie z. B. während einer laufenden Sportveranstaltung über das Spielfeld rennen. Viele Flitzer haben bei diesem Tun allerdings keine erotische Motivation.

Nude in Public

Nude in Public – Personen feiern nackt auf einem Festival

Nude in Public (engl. für Nackt in der Öffentlichkeit), häufig auch NIP abgekürzt, ist eine besondere Variante des Exhibitionismus, bei der das unvorhergesehene, spontane Zurschaustellen von primären oder sekundären Geschlechtsteilen in der Öffentlichkeit im Vordergrund steht.

Die sich entblößenden Personen erfreuen sich dabei an den Reaktionen der anderen und mögen den Reiz des ungewöhnlichen, gesellschaftlich anstößigen Verhaltens. Viele ziehen daraus eine Bestätigung für sich, da sie den Mut dazu aufbringen, oder für ihren Körper, da er die Blicke anderer auf sich zieht. Mitunter wird das entblößen auch kommerziell betrieben. Die sich entblößenden Personen erhalten dabei Geld von Fotografen[4].

Eine extreme Form von Nude in Public sind sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit, bei denen bewusst in Kauf genommen oder sogar gewünscht wird, dass Zuschauer vorhanden sind. Während in Pornofilmen meistens Statisten engagiert werden, können im privaten Bereich auch unwissende Personen Augenzeuge sexueller Handlungen werden. Die Sexualpraktik steht dabei meistens in Zusammenhang mit dem ausgewählten Ort. Je öffentlicher die Umgebung und ungewöhnlicher Sex dort ist, desto eingeschränkter sind die angewendeten Praktiken. Auf der Straße werden Praktiken wie der Hand- oder Blowjob bevorzugt, während es am Strand zu Geschlechtsverkehr kommen kann.

Flashing

Flashen in einer Diskothek

Das „flashen“ (engl. flash für Blitz oder Blitzen) oder „Freiziehen“ bezeichnet das öffentliche Entblößen der weiblichen Brüste durch hochziehen der Oberbekleidung. Flashing ist zu einem Teil der Jugendkultur geworden und eine gängige Erscheinung vor Partyfotografen in Diskotheken, Nachtlokalen oder Konzerten, meistens verbunden mit einem gehörigen Alkoholpegel, wie während des Spring Breaks in Florida, dem Mardi Gras in New Orleans oder des Testicle Festivals in Montana. Inzwischen ist das flashen auch zunehmend in Deutschland, vorwiegend auf Festivals und Konzerten verbreitet[5].

Begriffserweiterung im allgemeinen Sprachgebrauch

Allgemein gebraucht bedeutet der Begriff eine übertrieben intime Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, etwa im Rahmen von Talkshows oder vor der häuslichen Computerwebcam. Diese Selbstdarstellung ist dabei nicht auf den rein körperlichen Aspekt beschränkt, sondern kann sich auch auf seelische, psychische, charakterliche oder andere Eigenschaften beziehen.

In der Umgangssprache spricht man oft davon, dass jemand „exhibitionistisch veranlagt“ sei. Dies kann sich ohne jeden sexuellen Kontext auf Handlungsweisen bestimmter Personen (wie Schauspieler oder Politiker) beziehen, aber auch Menschen gemeint sein, die sich gerne knapp bekleidet oder nackt zeigen (z. B. beim Sonnenbaden/FKK). Eine erotische Komponente ist dabei oft beteiligt, aber nicht zwingend; wichtiger ist für viele die Genugtuung, beachtet zu werden, die Befriedigung eines Bedürfnisses nach Bestätigung. Psychologen gehen anhand empirischer Untersuchungen davon aus, dass dieses Bedürfnis nach Bestätigung auch dem Verhalten der (eigentlichen) Exhibitionisten zu Grunde liegt, die körperlich betrachtet werden wollen und damit auf ihre Art Anerkennung und Zustimmung suchen.

Siehe auch

Quellen

  1. Studiengebühren:Nackte Haut für mehr Bildung – Stern
  2. Splitternackter Protest gegen Studiengebühren – Spiegel
  3. [http://www.rp-online.de/public/article/gesellschaft/leute/461554/Lisa-Fitz-wird-zur-Robben-Mama.html Nackt für Peta Lisa Fitz wird zur Robben-Mama – RP]
  4. Nackte Frauen laufen durch die Stadt – Bild.de
  5. Flashing – Der neue Trend aus Amerika

Weblinks

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