Fabliau

Fabliau
Fabliaux et contes, 1756

Ein Fabliau (auch Fablel) ist eine mittelalterliche französische Schwankerzählung in Versen, von Spielleuten (jongleurs) in satirischer Absicht vorgetragen.

Die meist anonymen Stücke kamen im nordöstlichen Frankreich des 13. Jahrhunderts in Mode. Fabliaux hatten sehr oft eine unzüchtige Handlung und stellten gehörnte Ehemänner, gierige Geistliche und dummes Landvolk zur Schau. Die Darstellung der ländlichen Bevölkerung scheint allerdings von der Zielgruppe abzuhängen, für die das Fabliau geschrieben wurde. Vermutlich dem Adel zugedachte Stücke zeigten das Landvolk (vilains) dumm und gemein, während Stücke, die für die niederen Klassen geschrieben wurden oft berichteten, wie es sich gegen die Geistlichkeit durchsetzt.

Längere mittelalterliche Gedichte, wie die Geschichte von Reineke Fuchs (Le Roman de Renart) und den Canterbury Tales von Geoffrey Chaucer haben ihren Ursprung in einem oder mehreren Fabliaux. Je nachdem, wie eng man den Begriff fasst, sind 150 dieser Stücke überliefert. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts begann ihre Bedeutung zu schwinden. Sie wurden durch kurze Prosaerzählungen abgelöst. Ihr Einfluss auf die französische Literatur, speziell auf Molière, Jean de La Fontaine und Voltaire wirkt aber bis heute nach.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

  • „L'enfant de neige“ (Das Schneekind) ist eine Geschichte von bemerkenswert schwarzem Humor. Ein Händler kehrt nach zweijähriger Abwesenheit heim und findet seine Frau mit einem neugeborenen Sohn vor. Sie erklärt ihm, an einem verschneiten Tag eine Schneeflocke verschluckt zu haben, während sie an ihren Gatten dachte, und von dieser schwanger geworden zu sein. Beide geben vor, an das Wunder zu glauben und erziehen den Knaben bis zum Alter von 15 Jahren. Dann nimmt ihn der Vater mit auf eine Handelreise nach Genua, wo er ihn in die Sklaverei verkauft. Auf Befragen seiner Ehefrau erklärt er ihr, dass die italienische Sonne hell und heiß darnieder gebrannt habe und der von einer Schneeflocke gezeugte Sohn in der Hitze geschmolzen sei.
  • „La vielle gui graissa la patte de chevalier“ (Die alte Frau, die dem Ritter die Hand schmierte)
  • „Estula“
  • „Le Pauvre Clerc“ (Der arme Angestellte)
  • „Le Couverture partagée“ (Das geteilte Versteck)
  • „Le Pretre qui mangea les mûres“ (Der Priester, der Maulbeeren aß)
  • „Le Chevalier qui fit les cons parler“ (Der Ritter, der die Fotzen sprechen ließ)
  • Rustebeuf“ (* vor 1250, † um 1285), ein französischer Dichter und Vorläufer François Villons schrieb unter anderem Fabliaux.

Ausgaben

  • Robert Hellman: Fabliaux. Ribald Tales from the Old French. Greenwood Press, Westport, Con. 1976, ISBN 0-8371-7414-7 (englische Übersetzung von 21 Fabliaux; Nachdr. d. Ausg. New York 1965).
  • Ingrid Strasser (Hrsg.): Von Lieben und Hieben. Altfranzösische Geschichten. 16 Fabliaux (Fabulæ mediævales; Bd. 4). Böhlau Verlag, Köln 1984, ISBN 3-205-06520-4 (übersetzt durch die Herausgeberin).
  • Elisabeth Blum (Hrsg.): Fabliaux. Erotische Geschichten aus dem Mittelalter. Wieser Verlag, Klagenfurt 2004, ISBN 3-85129-482-3 (übersetzt durch die Herausgeberin).

Literatur

  • Frauke Frosch-Freiburg: Schwankmären und Fabliaux. Ein Stoff- und Motivvergleich. Kümmerle Verlag, Göppingen 1971, ISBN 3-87452-095-1.
  • Klaus Grubmüller: Die Ordnung , der Witz und das Chaos. Eine Geschichte der europäischen Novellistik im Mittelalter. Fabliau, Märe, Novelle. Niemeyer Verlag, Tübingen 2006, ISBN 9788-3-484-64029-0.
  • Hans-Dieter Merl: Untersuchungen zur Struktur, Stilistik und Syntax in den Fabliaux Jean Bodels. Verlag Peter Lang, Frankfurt a. M. 1972, ISBN 3-261-00730-3.
  • Roy J. Percy: Logic and hmnour in the fabliaux. An essay in applied narratology. Brewer Press, Cambridge 2007, ISBN 978-1-84384-122-7.
  • Ingrid Strasser: Vornovellistisches Erzählen. Mittelhochdeutsche Mären bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts und altfranzösische Fabliaux. Verlag Fassbaender, Wien 1989, ISBN 3-900538-15-8.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • FABLIAU — Les fabliaux, «contes à rire en vers» selon la définition de J. Bédier, apparaissent vers la fin du XIIe siècle et disparaissent au début du XIVe siècle. Ils constituent un genre aux contours parfois imprécis, dont les quelque cent cinquante… …   Encyclopédie Universelle

  • Fabliau — (du picard fabliau, lui même issu du latin fabula[réf. souhaitée]) signifie littéralement « petit récit » ; c est le nom qu on donne dans la littérature française du Moyen Âge à de petites histoires en vers simples et amusants …   Wikipédia en Français

  • fabliau — BLI Ó/ s. f. povestire populară din evul mediu, graţioasă, fantastică, de groază sau sentimentală; istorioară cu haz, în versuri, recitată de jongleri. (< fr. fabliau) Trimis de raduborza, 15.09.2007. Sursa: MDN …   Dicționar Român

  • Fabliau — Fa bli au , n.; pl. {Fabliaux} ( [ o] ). [F., fr. OF.fablel, dim. of fable a fable.] (Fr. Lit.) One of the metrical tales of the Trouv[ e]res, or early poets of the north of France. [1913 Webster] …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Fabliau — (spr. Fablioh), eine Art erzählender Gedichte od. Erzählungen in Prosa, wie sie in der älteren Französischen Literatur vorkommen, so zum Unterschied von den eigentlich lyrischen, d.h. zum Gesange geeigneten Gedichten genannt. Der ursprüngliche… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Fabliau — (franz., spr. lió, oder Fableau, spr. ló, eigentlich Fablel), schwankhafte Erzählung in Versen. Die älteste ist von 1159 und hat eine Pariser Kurtisane, Richeut, zur Heldin; die meisten sind im 13. und im Anfang des 14. Jahrh. verfaßt. Sie sind… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • fabliau — [fa′blē ō΄; ] Fr [ fȧ blē ō′] n. pl. fabliaux [fa′blēōz΄; ] Fr [, fa′blēō′] [Fr < OFr, dial. form of fablel, dim. of fable, FABLE] in medieval literature, esp. French and English literature, a short story in verse telling comic incidents of… …   English World dictionary

  • Fabliau — The fabliau (plural fabliaux or fablieaux ) is a comic, usually anonymous tale written by jongleurs in northeast France circa the 13th Century. They are generally bawdy in nature, and several of them were reworked by Geoffrey Chaucer for his… …   Wikipedia

  • fabliau — /fab lee oh /; Fr. /fann blee oh /, n., pl. fabliaux /fab lee ohz /; Fr. /fann blee oh /. a short metrical tale, usually ribald and humorous, popular in medieval France. [1795 1805; < F; ONF form of OF fablel, fableau, equiv. to fable FABLE + el… …   Universalium

  • Fabliau — Fa|bli|au [fabli o:], das; , x [fabli o:; (a)frz. fabliau, pik. Form von: fableau, zu: fable < lat. fabula, ↑Fabel] (Literaturw.): altfranzösische Verserzählung mit komischem, vorwiegend erotischem Inhalt …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”