- Aktion Reinhard
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Aktion Reinhardt (auch als Einsatz Reinhardt bezeichnet; daneben findet sich die Schreibweise Aktion Reinhard) ist ein Tarnname für die systematische Ermordung aller Juden und Roma des Generalgouvernements (deutsch besetztes Polen) in der Zeit des Nationalsozialismus. Im Zuge der „Aktion Reinhardt“ wurden zwischen Juli 1942 und Oktober 1943 über zwei Millionen Juden sowie rund 50.000 Roma aus den fünf Distrikten des Generalgouvernements (Warschau, Lublin, Radom, Krakau und Galizien) in den drei Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka ermordet.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Wann der Befehl, die Juden Europas zu ermorden, gegeben wurde, lässt sich nicht genau feststellen, da kein schriftliches Zeugnis erhalten geblieben ist. Es ist auch gar nicht sicher, ob jemals ein schriftlicher Befehl, die Juden zu ermorden, von Adolf Hitler gegeben wurde. Die SS-Einsatzgruppen des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) und Polizeibataillone begannen schon kurz nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, die männlichen Juden im Alter zwischen 17 und 45 Jahren zu ermorden. Ab September/Oktober 1941 lässt sich belegen, dass die mobilen Tötungseinheiten auch zu einem Massenmord an Frauen und Kindern übergingen.
- Wannseekonferenz
Zur Lösung der organisatorischen Probleme der Judenvernichtung wurde von Reinhard Heydrich die „Wannseekonferenz“ am 20. Januar 1942 einberufen. An der Konferenz nahmen Vertreter aller an der so genannten „Endlösung“ beteiligten Institutionen teil. Josef Bühler, der Stellvertreter von Hans Frank, sprach offen aus, dass das Generalgouvernement es begrüßen würde, wenn mit der Endlösung dieser Frage im Generalgouvernement begonnen würde, weil einmal hier das Transportproblem keine übergeordnete Rolle spiele und arbeitsmäßige Gründe den Lauf dieser Aktion nicht behindern würden. Juden müssten so schnell wie möglich aus dem Gebiet des Generalgouvernements entfernt werden, weil gerade hier der Jude als Seuchenträger eine eminente Gefahr bedeute. Von den in Frage kommenden etwa 2½ Millionen Juden sei überdies die Mehrzahl der Fälle arbeitsunfähig.
Das Ergebnis dieser Konferenz bedeutete, dass man sich über die Form der Abschiebung der Juden Europas nach Osten und deren Ermordung geeinigt hatte.
Der Auftrag Himmlers
Mit der Durchführung der Aktion beauftragte Heinrich Himmler den Lubliner SS- und Polizeiführer Odilo Globocnik. Globocnik war 1939 zum SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin in Polen ernannt worden. In ihm sah Himmler einen, der „wie kein zweiter für die Kolonisation des Ostens geschaffen“ sei, wie er in einem Brief an seinen Schwager Wendler am 4. August 1943 schrieb, als es um die Ablösung Globocniks und seine Versetzung ging. Am 21. Juli 1941 hatte Himmler alles von Globocnik bereits im Distrikt Lublin Geschaffene und weiter Geplante „Programm Heinrich“ genannt. Hier tat er sich durch eine besonders grausame Besatzungspolitik hervor. In diesem Wirkungsbereich und als Teil von „Programm Heinrich“ fand auch die „Aktion Reinhardt“ statt.
Die zwei Schreibweisen des Namens beziehen sich auf:
- Staatssekretär im Reichsfinanzministerium Fritz Reinhardt
- Reinhard Heydrich, der im Juni 1942 in Prag durch ein Attentat getötet wurde, Chef des RSHA.
Wojak erklärt unter Bezug auf Benz, Graml, Weiß Enzyklopädie des Nationalsozialismus einleuchtend, dass der Name frühzeitig auf den unter den Deutschen sehr populären Heydrich bezogen wurde, auch von Dienststellen. Ursprünglich kommt er aber von Reinhardt, daher ist dies die historisch korrekte Schreibweise.
- Problematische Datierung
Wann Odilo Globocnik, der Leiter der „Aktion Reinhardt“, von Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS (RFSS), den Befehl zur Ermordung der Juden bekam, lässt sich nur indirekt erschließen. Adolf Eichmann sagte in Jerusalem aus, dass ihm Reinhard Heydrich zwei bis drei Monate nach dem Überfall auf die Sowjetunion mitgeteilt habe, der Führer habe die physische Vernichtung der Juden befohlen. Heydrich habe ihm, Eichmann, befohlen:
„Fahren Sie zu Globocnik. Der Reichsführer hat ihm bereits entsprechende Weisungen gegeben. Sehen Sie sich an, wie weit er mit seinem Vorhaben gekommen ist.“[1]
In Lublin sei Eichmann zu einem Lager geführt worden, wo ihm Christian Wirth die Einrichtungen zur Vergasung der Juden erklärt habe. Wirth war erster Kommandant des Todeslagers Belzec und später Inspekteur aller Lager der „Aktion Reinhardt“. Vorher war er am „Euthanasie“-Programm, der Aktion T4, beteiligt. Somit könnte Globocnik bereits im Sommer 1941 von Himmler mit der Ermordung der Juden betraut worden sein.
Dafür spricht auch, dass Wirth schon im Spätsommer 1941 an eine Euthanasie-Anstalt im Raum Lublin versetzt worden ist. Ihm folgten einige Wochen danach weitere im Moment „unbeschäftigte Mordexperten“ des im August von Hitler unterbrochenen „Euthanasie“-Programms. Als die „Experten“ eingetroffen waren, begann bald der Bau des ersten Lagers in Belzec. Dazwischen lagen zwei Monate. Zu Beginn wusste man nicht genau, wie man die Ermordung der Juden technisch und organisatorisch durchführen sollte. Die Erfahrungen aus dem „Euthanasie“-Programm ließen sich nur bedingt verwenden, da der Umfang der „Aktion Reinhardt“ um ein Vielfaches größer war.
In der Literatur wird das Datum des Auftrags an Globocnik oft mit Juli 1941 angegeben. Neuere Forschungen gehen davon aus, dass Himmler im Herbst 1941 den Befehl gab, im Generalgouvernement alle Juden zu ermorden, soweit sie nicht als Zwangsarbeiter eingesetzt werden konnten.[2]
Ziele
Die „Aktion Reinhardt“ umfasste nach den Angaben ihres Leiters Odilo Globocnik vier Bereiche:
- die Aussiedlung selbst
- die Verwertung der Arbeitskraft
- die Sachverwertung
- die Einbringung verborgener Werte und Immobilien.
Tatsächlich ging es um die vollständige und sofortige Ermordung der Juden aus dem Generalgouvernement.
Durchführung
Drei zusätzliche Vernichtungslager
Die Ermordung der Juden erfolgte in drei Lagern. Das Vernichtungslager Belzec (ab März 1942 in Betrieb) und das Vernichtungslager Sobibor (ab Mai 1942 in Betrieb) lagen im Distrikt Lublin, das Vernichtungslager Treblinka (ab Juli 1942 in Betrieb) lag im Distrikt Warschau. Die Lager lagen in abgelegenen Gebieten, aber in der Nähe von Eisenbahnlinien. Sie waren in ihren Ausmaßen eher klein, zwischen 300 und 400 Meter breit, 400 bis 500 Meter lang.
Die Lager machten einen eher provisorischen Eindruck. Jedes Lager war anfangs mit drei Gaskammern ausgestattet. Die Tötungen wurden mit Kohlenmonoxid durchgeführt. Dieses Gas wurde wohl deshalb gewählt, weil das Personal bereits während der „Euthanasie“-Aktion damit gemordet hatte. Das Gas wurde von Dieselmotoren erzeugt. Die Ausstattung der Todeslager genügte den Ansprüchen von Anfang an nicht, so dass sehr bald Vergrößerungen durchgeführt wurden.
In jedem Lager waren 20 bis 30 Mann deutsches Personal als Kader tätig. Zur Bewachung waren 100 bis 120 Mann sogenannter Trawniki-Männer je Lager zugeteilt. Heute sind die Vernichtungslager Gedenkstätten.
Personal
Für die Ermordung von zwei Millionen Juden im Generalgouvernement brauchten die Nationalsozialisten erstaunlich wenig Personal. Es bestand aus dem „Einsatzstab Reinhardt“ in Lublin unter der Leitung von Hermann Höfle und 92 deutschen „Experten“ aus dem „Euthanasie“-Programm. Die bekanntesten sind Christian Wirth, Franz Stangl, Irmfried Eberl, Franz Reichleitner, Gottlieb Hering und Kurt Hubert Franz. Nicht wenige stammten aus Österreich. Dazu kamen ca. 1.000 freiwillige Ukrainer und Litauer, sogenannte Trawnikis. In Trawniki befand sich das Ausbildungslager. Dazu kamen noch Polizisten, Wehrmachts- und SS-Angehörige, Bahnpersonal und Mitglieder der Verwaltung, die bei den Deportationen mitwirkten.
Das deutsche Personal der Lager bildeten 92 Mann (neuere Forschungen sprechen von ca. 100), die von der Kanzlei des Führers zur Durchführung der „Aktion Reinhardt“ abgestellt wurden. Die Männer stammten ausschließlich von der „Aktion T4“, die das „Euthanasie“-Programm durchgeführt hatte. Die enge Verbindung der „Aktion Reinhardt“ mit T4 beschränkte sich nicht auf das Personal: Am Aufbau der Lager waren Baufachleute der „Aktion T4“ maßgeblich beteiligt. Es fanden häufig Inspektionen der Vernichtungslager durch führende Funktionäre von T4 statt. Mit Gesuchen um Beurlaubungen oder Abberufungen wandten sich die Angehörigen der Lagermannschaften an die Dienststelle T4 in Berlin.
Wöchentlich einmal lieferte ein Kurier von T4 aus Berlin Zusatzlöhnung und Post zur Dienststelle Wirths und in die Lager. T4 lieferte aus Berlin Zusatzverpflegung und Genussmittel (z. B. große Mengen Schnaps, damit die Henker ihr blutiges „Handwerk“ besser „ertrugen“).
Die Männer unterstanden personell Berlin, operationsmäßig Globocnik. Sie wurden zu Mitgliedern der SS ernannt und mit SS-Diensträngen ausgestattet. Sie mussten im Büro von Hermann Höfle eine Geheimhaltungserklärung unterschreiben. Sie mussten auch nach dem Ausscheiden aus der „Aktion Reinhardt“ schweigen, durften in den Lagern nicht fotografieren und sich nicht bestechen lassen. Erhaltene Zeugnisse zeigen, dass diese Verpflichtungen nicht sehr ernst genommen wurden. In der Erklärung findet sich kein Hinweis, was im Falle von Zuwiderhandlungen an Strafen zu erwarten gewesen wäre.
Die Teilnahme an der Aktion war freiwillig. Franz Stangl, Kommandant von Sobibor und Treblinka, erklärte, er habe sich entscheiden können, ob er nach Lublin gehen wolle. Da er nach seinen Angaben keine Ahnung hatte, was ihn erwarten würde, habe er zugestimmt.
Lagerleitung
Beginn der Mordaktion
Zur Organisation der Deportationen hatte Globocnik einen eigenen Stab unter der Leitung von Hermann Höfle eingerichtet. Dieser informierte einen Mitarbeiter des Amtes des Distrikts Lublin vor Beginn der Deportationen darüber, dass es zweckmäßig wäre, die in den Distrikt Lublin kommenden Judentransporte auf der Abgangsstation in arbeitsfähige und nichtarbeitsfähige Juden zu teilen. Nicht arbeitsfähige Juden kämen sämtlich nach Belzec. Täglich könnten 4 bis 5 Transporte mit je 1.000 Juden von Belzec aufgenommen werden.
Am 17. März 1942 begannen die Deportationen in das fertiggestellte Todeslager Belzec. Diese Tatsache war nicht nur den an der Aktion beteiligten Personen bekannt. Joseph Goebbels notierte am 27. März 1942 in seinem Tagebuch:
„Aus dem Generalgouvernement werden jetzt, bei Lublin beginnend, die Juden nach dem Osten abgeschoben. Es wird dabei ein ziemlich barbarisches und nicht näher zu beschreibendes Verfahren angewandt, und von den Juden selbst bleibt nicht mehr viel übrig. Im großen kann man wohl feststellen, dass 60 % davon liquidiert werden müssen, während nur noch 40 % in die Arbeit eingesetzt werden können. Der ehemalige Gauleiter von Wien [= Globocnik], der diese Aktion durchführt, tut dies mit ziemlicher Umsicht und auch mit einem Verfahren, das nicht zu auffällig wirkt. Die Prophezeiung, die der Führer ihnen für die Herbeiführung eines neuen Weltkrieges mit auf den Weg gegeben hat, beginnt sich in der furchtbarsten Weise zu verwirklichen.“[3]
Allerdings wurden nie 40 Prozent der in die Lager der „Aktion Reinhardt“ deportierten Juden am Leben gelassen. Nur einige wenige Juden, jung und besonders kräftig oder Fachleute in einem von der SS benötigten Bereich, wurden als „Arbeitsjuden“ für kurze Zeit am Leben gelassen. Diese „Arbeitsjuden“ – bis zu 1.000 Menschen pro Lager – sammelten, sortierten und verpackten die Kleidung und Wertsachen der Ermordeten, leerten die Gaskammern und begruben die Leichen, bis sie selbst ermordet wurden.
Bald stellten sich Schwierigkeiten ein. Die Kapazität der Lager war der Zahl der Deportierten nicht gewachsen, und die Wehrmacht beanspruchte alle Züge für sich. Im Mai 1942 verließen auch Wirth und das übrige deutsche Personal Belzec, ohne sich abzumelden. Anfang Mai kam Viktor Brack von der Kanzlei des Führers in Lublin an. Er verhandelte mit Globocnik über die weitere Durchführung der Judenvernichtung. Brack erklärte, dass die „Euthanasie“ auslaufe und daher Leute der „Aktion T4“ nach Lublin kommen würden. Über dieses Treffen unterrichtete Brack Himmler in einem Brief vom 23. Juni 1942:
„Ich habe dem Brigadeführer Globocnik auf Anweisung von Reichsleiter Bouhler für die Durchführung seiner Sonderaufgabe schon vor längerer Zeit einen Teil meiner Männer zur Verfügung gestellt. Aufgrund einer erneuten Bitte von ihm habe ich nunmehr weiteres Personal abgestellt. Bei dieser Gelegenheit vertrat Brigadeführer Globocnik die Auffassung, die ganze Judenaktion so schnell wie nur irgend möglich durchzuführen, damit man nicht eines Tages mittendrin stecken bliebe, wenn irgendwelche Schwierigkeiten ein Abstoppen der Aktion notwendig machen.“[4]
Diese zusätzlichen Männer wurden benötigt, da Sobibor im Mai seinen Betrieb aufnahm, Treblinka im Juli. Auch das „Transportproblem“ konnte gelöst werden. Karl Wolff vom Persönlichen Stab RFSS erreichte von Staatssekretär Albert Ganzenmüller, der für die Reichsbahn zuständig war, die Nachricht, dass ab dem 22. Juli 1942 täglich ein Zug mit je 5.000 Juden von Warschau nach Treblinka, außerdem zweimal wöchentlich ein Zug mit 5.000 Juden von Przemysl nach Belzec fuhren. Diese Nachricht nahm Wolff mit besonderer Freude zur Kenntnis. Dadurch könne die Aktion in einem „beschleunigten Tempo“ durchgeführt werden.
Diese Beschleunigung hatte Himmler am 19. Juli 1942 befohlen, als er anordnete, dass die „Umsiedlung“ (Tarnwort für Ermordung) der gesamten jüdischen Bevölkerung des Generalgouvernements bis 31. Dezember 1942 durchgeführt und beendet sein müsse. Mit dem 31. Dezember 1942 dürften sich keinerlei Personen jüdischer Herkunft mehr im Generalgouvernement aufhalten.
Niemand war über diese Beschleunigung froher als Globocnik. Er bedankte sich bei Himmler für dessen Besuch und für alle Arbeit, die er erhalten habe. Mit der neuen Arbeit würden alle seine geheimen Wünsche in Erfüllung gehen. Wie diese geheimen Wünsche in der Wirklichkeit aussahen, ist durch den Augenzeugenbericht von Kurt Gerstein überliefert: Globocnik zeigte ihm am 17. August 1942 voller Stolz die Todeslager. Bereitwillig erklärte er seinem Besucher die Funktion der Lager und nannte die „Höchstleistungen“. Belzec: 15.000 Personen pro Tag, Sobibor: 20.000, Treblinka: 25.000. Nach diesen Besuchen versuchte Gerstein in der Folge, die Zustände in den Lagern bekannt zu machen, hatte aber nur geringen Erfolg damit.
Um die Ermordung der Juden zu „rationalisieren“, wurde Christian Wirth im August 1942 zum Inspekteur aller drei Lager ernannt. Tatsächlich waren die drei Lager im Spätsommer 1942 voll einsatzbereit. Die Zahl der Gaskammern war erhöht worden, der Massenmord war arbeitsteilig organisiert. Es handelte sich um einen nahezu reibungslos funktionierenden Apparat mit hoher Kapazität und Geschwindigkeit. Ein Häftlingszug kam morgens an der Rampe an, am Nachmittag oder in der Nacht waren die Leichen verbrannt, die Kleider ins Magazin gebracht. Nur der Mangel an Transportraum konnte zu Verzögerungen führen. Im so genannten Höfle-Telegramm, einem aufgefangenen Funkspruch, wurde für das Jahresende 1942 die Zahl von 1.274.166 ermordeten Juden gemeldet.
Zu der Aktion gehörten auch verschiedene Maßnahmen, um sie nach innen und außen zu verschleiern: Die Leichen wurden am Anfang in riesigen Gruben verscharrt, später wieder ausgegraben und verbrannt.
Im Sommer 1943 neigte sich die „Aktion Reinhardt“ ihrem Ende zu. Das Lager Belzec war bereits aufgelöst worden. Die letzten noch lebenden Juden wurden in die anderen Lager gebracht und dort ermordet.
In Treblinka und Sobibor kam es zu Aufständen der Häftlinge, die wenigstens wenigen Juden das Leben retteten. Insgesamt dürften weniger als 200 Häftlinge in allen drei Lagern den Krieg überlebt haben. Die Lager wurden geschleift und neu begrünt. Als zusätzliche Tarnung wurden auf den Gebieten der ehemaligen Todeslager Bauernhöfe angelegt.
Bilanz
Zur „Aktion Reinhardt“ gehört eigentlich auch die „Aktion Erntefest“. Diese Aktion wurde aber nicht mehr vom ursprünglichen Personal der „Aktion Reinhardt“ durchgeführt. Anfang November 1943 wurden im Gebiet von Lublin im Laufe von drei Tagen fast alle noch lebenden Juden in den Lagern erschossen.
Die Zahl der ermordeten Juden beträgt mindestens 1,7 Millionen. Odilo Globocnik sagte im Mai 1945, als er auf der Flucht am Wörthersee bei einem früheren Bekannten auftauchte, dass zwei Millionen „erledigt“ worden wären.
Aus Triest meldete Globocnik am 4. November 1943 an Himmler, er habe mit dem 19. Oktober 1943 die Aktion Reinhardt, die er im Generalgouvernement geführt habe, abgeschlossen und alle Lager aufgelöst. Er schickte auch eine Abschlussdarstellung.
In seinem Antwortbrief bedankte sich Himmler bei Globocnik und sprach ihm für seine großen und einmaligen Verdienste, die er sich bei der Durchführung der „Aktion Reinhardt“ für das ganze deutsche Volk erworben hatte, Dank und Anerkennung aus.
Tatsächlich brachte die „Aktion Reinhardt“ dem Deutschen Reich enorme Vermögenswerte ein. Bereits im Sommer 1942 waren rund 50.000.000 RM in Papier, Devisen, Münzen und Schmuck sowie rund 1.000 Waggons Textilien, davon 300.000 neue Kleider, vorhanden.
Diese Zahlen sind mit Sicherheit zu niedrig angesetzt. Es sind auch keine Zahlen über jene Werte – z. B. Immobilien – enthalten, die den Menschen vor ihrer Deportation geraubt wurden.
Globocnik hatte zur Erfassung des jüdischen Vermögens befohlen, eine Zentralkartei zu erstellen, in der die gesamten anfallenden Werte aus der Judenumsiedlung aufgenommen und geführt werden sollten. Aber die Aufseher nahmen sich alles, was sie gebrauchen konnten. Zusätzlich vergriffen sich auch die Wachmannschaften am Vermögen der Ermordeten.
Die endgültige Abrechnung vom 5. Januar 1944 ergab folgende Werte:
Gesamtzusammenstellung Abgelieferte Geldmittel 73.852.080,74 RM Edelmetalle 8.973.651,60 RM Devisen um Noten 4.521.224,13 RM Devisen in gemünztem Gold 1.736.554,12 RM Juwelen und sonstige Werte 43.662.450,-- RM Spinnstoffe 46.000.000,-- RM Gesamt 178.745.960,59 RM Odilo Globocnik war derjenige, der die „Aktion Reinhardt“ vorantrieb. Er setzte gegen die wirtschaftlichen Interessen anderer Reichsstellen und der Wehrmacht auch die Ermordung von Juden, die für kriegswichtige Betriebe arbeiteten, durch.
Die „Aktion Reinhardt“ stellt den Höhepunkt der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gegenüber den Juden dar. In den Lagern der „Aktion Reinhardt“ wurden mehr Menschen ermordet als in Auschwitz. Es gab keine Selektionen. Die Lager waren als regelrechte Todesfabriken so organisiert, dass nur wenige „Täter“ benötigt wurden.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Jochen von Lang: Das Eichmann-Protokoll. Tonbandaufzeichnungen der israelischen Verhöre. Berlin 1982, ISBN 3-88680-036-9, S. 69
- ↑ Barbara Schwindt: Das Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek. Würzburg 2005, ISBN 3-8260-3123-7, S. 72
- ↑ Ralf Georg Reuth (Hrsg.): Joseph Goebbels Tagebücher. 3. Aufl. München 2003, Bd. 4, S. 1776, ISBN 3-492-21414-2
- ↑ Eugen Kogon et al. (Hrsg.): Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas. FiTb, Frankfurt/M 1986, ISBN 3-596-24353-X, S. 149f
Literatur
- Yitzhak Arad: Belzec, Sobibor, Treblinka: The Operation Reinhard Death Camps. Indiana University Press, Bloomington (Ind.) 1987, ISBN 0-253-34293-7 (engl.)
- Christopher Browning: Ganz normale Männer: Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die "Endlösung" in Polen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1993, ISBN 3-499-19968-8
- Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt a.M. 1990, ISBN 3-596-24417-X
- Ernst Klee, Willi Dreßen, Volker Rieß (Hrsg.): "Schöne Zeiten": Judenmord aus der Sicht der Täter und Gaffer. S. Fischer, Frankfurt a.M. 1988, ISBN 3-10-039304-X
- Ernst Klee: Was sie taten – Was sie wurden. Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-596-24364-5
- Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16048-0
- Eugen Kogon, Hermann Langbein, Adalbert Rückerl (Hrsg.): Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt a.M. 1986, ISBN 3-596-24353-X.
- Gitta Sereny: Am Abgrund. Gespräche mit dem Henker. Franz Stangl und die Morde von Treblinka. Piper, München 1995, ISBN 3-492-11867-4
- Peter Witte, Stephen Tyas: A New Document on the Deportation and Murder of Jews during "Einsatz Reinhardt" 1942. In: Holocaust Genocide Studies 15 (2001), S. 468–486.
- Informationsmaterial des Bildungswerks Stanislaw Hantz e.V.: Belzec, Reader – basiert auf einem bisher unveröffentlichten Manuskript des Historikers und Leiters der Gedenkstätte Belzec Robert Kuwalek
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