- Fangeinrichtung
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Unter Blitzschutz versteht man Vorkehrungen gegen schädliche Auswirkungen von Blitzeinschlägen auf bauliche Anlagen.
Blitzeinschläge können Teile von Gebäuden ohne Blitzschutz zerstören, wenn zum Beispiel in Baustoffen enthaltenes Wasser explosionsartig verdampft oder Brände entstehen. Der Blitz kann direkt oder durch sein starkes elektromagnetisches Feld in elektrische Leitungen (z. B. von Antennen oder Photovoltaikanlagen) oder Rohrleitungen (z. B. von Solarkollektoren) einkoppeln und in das Innere von Gebäuden eindringen und dort weitere Zerstörungen anrichten.Ein vollständiges Blitzschutzsystem besteht aus einem äußerem und einem innerem Blitzschutz.
Inhaltsverzeichnis
Funktion
Eine Blitzschutzanlage verringert die Wahrscheinlichkeit, dass ein Blitz in das geschützte Objekt, z.B. ein Gebäude, einschlägt. Im Falle eines Einschlages bietet die Blitzschutzanlage dem Blitzstrom einen definierten, niederohmigen Strompfad. Dadurch werden Beschädigungen am geschützten Objekt weitgehend vermieden. Die primäre Schutzfunktion besteht darin, den Blitzstrompfad am zu schützenden Objekt vorbeizuführen.
Vor dem Ladungsausgleich konzentrieren sich in der Fangeinrichtung Ladungsträger mit dem der Ladung der Wolke entgegengesetzten Vorzeichen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Leaders einen Blitzkanal von der Wolke zur Fangeinrichtung, aber nicht zum geschützten Objekt, aufbaut, ist aufgrund der komplementären Ladung in der Fangeinrichtung erhöht. Der Returnschlag wird dann von der Fangeinrichtung ausghehend über den Blitzkanal, den der Leader aufgebaut hat, den Ladungsausgleich bewirken. Dabei fließt der Blitzstrom von der Erde über die Fangeinrichtung in den Blitzkanal zur Wolke.
Wenn der Blitz einschlägt, wird er wahrscheinlich die Fangeinrichtung treffen.
Mittels der Konzentration der Ladungsträger, die der elektrischen Ladung einer Wolke entgegengesetzt geladen sind, wird also der Blitzschlag in die Fangeinrichtung geleitet. Ein sekundärer Effekt wird nach folgender Argumentation der Influenz an den Fangeinrichtungen zugeschrieben:
Die geerdeten Blitzableiterspitzen bewirken einen gewissen Blitzschutz: Befindet sich eine negativ geladene Wolke oberhalb des geschützten Objekts, werden die spitzen Extremitäten der geerdeten Fangeinrichtung aufgrund von Influenz positiv geladen. Dadurch lädt sich die umgebende Luft negativ auf. Zwischen diesem negativ geladenen Bereich und der negativ geladenen Wolke baut sich eine positiv geladene Raumladungszone verdrängter positiver Ladungen auf.
Diese positive Raumladungszone vermindert die maximale Feldstärke am Boden (vgl. Serienschaltung von Kondensatoren) und wirkt deshalb als Schutzschicht, die die Wahrscheinlichkeit reduziert, dass ein Blitz in das geschützte Gebäude einschlägt. Sind z.B. innerhalb einer Stadt viele Gebäude mit Blitzschutzsystemen ausgestattet, so bildet sich eine flächige Raumladungszone überhalb des gesamten Stadtgebietes, welches auch Gebäude schützt, die nicht mit einer Blitzschutzanlage ausgestattet sind. Die Blitzschutzanlage hat also eine gewisse Fernwirkung.
Entwicklung von Blitzschutzanlagen
- 1752 Academy of Philadelphia und Pennsylvania State House, durch Benjamin Franklin
- 1754 Přímětice/Prenditz bei Znojmo/Znaim, Kloster, durch Prokop Diviš
- 1760 Philadelphia, Wohngebäude von Mr. West, durch Benjamin Franklin
- zwischen 1733 und 1763 Dresden, Dresdner Schloss 1774 1. Erneuerung
- 1765 Newbury (Berkshire), Kirche
- 1766 Plymouth, Leuchtturm
- 1769 Żagań, Kirche, durch Johann Ignatz von Felbinger
- 1769 Hamburg, St.-Jacobi-Kirche, durch Johann Albert Heinrich Reimarus
- 1770 Wien, Penzing, Kirche
- 1776 Trippstadter Schloss, Erster Hemmerscher Fünfspitz - durch Johann Jakob Hemmer
- 1779 Mannheim, Wohngebäude
- 1779 Hamburg, St.-Petri-Kirche
- 1780 Georg Christoph Lichtenberg in Göttingen
- 1782 Wien, Narrenturm im alten Allgemeinen Krankenhaus
- 1787 Winterthur, Heimatmuseum Lindengut, damals Villa von Johann Sebastian von Clais, durch Benjamin Franklin (erster Blitzableiter der Schweiz)
Sekundärschäden
Schlägt ein Blitz trotz der Blitzschutzwirkung in das Blitzschutzsystem ein, so fließen kurzzeitig sehr hohe Ströme innerhalb der Blitzableiter. Diese hohen Ströme induzieren innerhalb der elektrischen Versorgungsleitungen des geschützten Objektes Sekundärspannungen und Sekundärströme (vgl. Transformator), welche elektrische Geräte, die an diesen elektrischen Leitungen angeschlossen sind, zerstören können. Dieser Effekt tritt besonders dann auf, wenn sich die elektrischen Versorgungsleitungen in der Nähe und parallel zu den Blitzableitern befinden.
Äußerer Blitzschutz
Der äußere Blitzschutz bietet Schutz bei Blitzeinschlägen, die direkt in die zu schützende Anlage erfolgen. Er besteht aus Fangeinrichtungen, Ableitungsanlage und Erdungsanlage. Bei einem idealisiert angenommenen Gebäude, dessen Dach und Außenwände aus Metall oder Stahlbeton bestehen, könnte der äußere Blitzschutz als Faradayscher Käfig ausgeführt werden.
Fangeinrichtungen
Schlägt ein Blitz ein, so leiten die Fangeinrichtungen (vorgesehene Pfade für den Blitzstrom) den Blitzstrom weiter. Fangeinrichtungen sind Stangen, Drähte, Seile oder Metallteile der zu schützenden Anlage, die als Einschlagstellen vorgesehen sind und typischerweise die Begrenzung eines Gebäudes überragen.
Ihr Material muss elektrisch leitfähig sein. Daher werden Metalle verwendet, wie z.B. Kupfer, Aluminiumlegierung (AlMgSi), Niro (V2A), verzinkter Stahl oder auch einfacher Stahl. Bei einfachem Stahl sollte die Fläche des Leiters, wegen einer auftretenden Korrosion, größer sein (typische Werte beim Gebäudeschutz betragen mindestens 10 mm im Durchmesser) als bei Kupfer (min. 8 mm), Aluminiumlegierung (min. 8 mm), Niro (min. 8 mm) oder verzinktem Stahl (8 mm). Die Materialstärke der Fangeinrichtungen muss gewährleisten, dass der hohe Energieeintrag eines Blitzschlags nicht zum Schmelzen der Fangeinrichtungen führt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Blitzstrom nur einige Millisekunden fließt. Aufgrund der zeitlichen Begrenzung des Blitzschlags reichen die oben genannten Durchmesser für Blitzableiter i.A. aus.
Exponierte Stellen einer Anlage, die für einen direkten Blitzeinschlag in Frage kommen, werden oft mit Fangeinrichtungen versehen oder als Fangeinrichtung ausgebildet. Die Fangeinrichtungen sind typischerweise untereinander und auf kurzem Weg mit der Ableitungsanlage verbunden.
Blitzkugelverfahren
Das Blitzkugelverfahren ist ein maßgebliches Verfahren zur Ermittlung von Eintrittstellen, die für einen direkten Blitzeinschlag in Frage kommen. Es definiert den durch einen Blitz gefährdeten Bereich als Kugel, deren Mittelpunkt die Spitze des Blitzes ist. Die Oberfläche der Kugel stellt eine Äquipotentialfläche eines elektrischen Feldes dar. Es gibt vier Blitzschutzklassen, die jeweils verschiedenen Wahrscheinlichkeiten dafür entsprechen, dass der Scheitelwert eines Blitzstroms unterhalb einer vorgegebenen Stromstärke liegt. Für jede dieser Blitzschutzklassen wird eine Blitzkugel mit einem bestimmten Radius angenommen:
Blitzschutzklasse Radius der Blitzkugel I 20 m II 30 m III 45 m IV 60 m Erfahrungsgemäß kann an jedem Ort einer Anlage, die von einer Kugel solcher Größe berührt werden könnte, ein Blitzschlag mit entsprechender Blitzschutzklasse erfolgen. Je kleiner der Radius der Blitzkugel angenommen wird, desto mehr potenzielle Einschlagstellen werden erkannt.
Das Blitzkugelverfahren kann durch Abrollen einer Kugel über ein maßstäbliches Modell der Anlage oder mit Hilfe der Geometrie angewendet werden. Jede Blitzschutzanlage muss einer vollständigen Überprüfung nach dem Blitzkugelverfahren standhalten können.
Die empirisch ermittelten Wahrscheinlichkeiten, dass ein Blitz nicht in die zu schützende Anlage einschlägt, sondern von nach dem Blitzkugelverfahren konstruierten Fangeinrichtungen abgefangen wird, betragen:
Blitzschutzklasse kleinster Scheitelwert des Blitzstroms in Ampere max.Scheitelwert des Blitzstroms Imax / kA Wahrscheinlichkeit, dass der Strom I < Imax I ≥ 2900 A 200 kA 99 % II ≥ 5400 A 150 kA 98 % III ≥ 10100 A 100 kA 97 % IV ≥ 15700 A 100 kA 97 % Bei kleineren als den angegebenen Blitzströmen ist die Fangwahrscheinlichkeit geringer. Der umfassendste Blitzschutz ist somit bei Blitzschutzklasse I gegeben.
Schutzwinkelverfahren
Das Schutzwinkelverfahren ist ein vom Blitzkugelverfahren abgeleitetes vereinfachtes Verfahren, das durch einen 45° Winkel unter Fangeinrichtungen begrenzte Bereiche definiert, in die kein direkter Blitzeinschlag erfolgen kann. Diese Winkel sind von Tangenten an einen Kreis mit dem Radius der Blitzkugel abgeleitet und daher von der Höhe der Fangeinrichtungen abhängig.
Maschenverfahren
Das Maschenverfahren ist ein vom Blitzkugelverfahren abgeleitetes vereinfachtes Verfahren, das ein Netz von Fangleitungen zum Schutz ebener Flächen definiert.
Ableitungsanlage
Die Ableitungsanlage leitet den Blitzstrom von den Fangeinrichtungen zur Erdungsanlage.
Sie besteht aus annähernd senkrecht geführten Ableitungen, die gleichmäßig über den Umfang der baulichen Anlage verteilt sind. Als Ableitungen können sowohl separate Leitungen als auch ausreichend dimensionierte Metallteile der zu schützenden Anlage verwendet werden. Näheres siehe Blitzableiter.
Erdungsanlage
Die Erdungsanlage leitet den Blitzstrom in den Erdboden.
Sie beinhaltet immer den Fundamenterder. Er muss für jede Ableitung einen nach außen geführten Anschluss aufweisen. Wenn das Fundament vollständig isoliert oder der Erdwiderstand zu hoch ist, muss der Fundamenterder durch zusätzliche Ringerder, Strahlenerder oder Tiefenerder ergänzt werden. Diese müssen dauerhaft korrosionsgeschützt sein und werden daher aus nicht rostendem Stahl (V2A Werkstoff-Nr. 1.4301 oder V4A Werkstoff-Nr. 1.4571) erstellt. Ringerder und Strahlenerder müssen mindestens 50 cm tief in den Erdboden eingebracht werden. Tiefenerder werden senkrecht in den Boden getrieben.
siehe auch: Potentialsteuerung
Innerer Blitzschutz
Der innere Blitzschutz ist die Gesamtheit der Maßnahmen gegen Auswirkungen des Blitzstromes und der Blitzspannung auf Installationen sowie elektrische und elektronische Anlagen der baulichen Anlage.
Wenn der äußere Blitzschutz keinen faradayschen Käfig bildet, müssen Fangeinrichtungen und Ableitungen ausreichenden Abstand zu anderen unmittelbar oder mittelbar geerdeten Teilen aufweisen, um Lichtbögen zu vermeiden. Zu diesen geerdeten Teilen zählen Antennen und deren Kabel, andere elektrische Leitungen sowie Dachrinnen, Fallrohre, Attika und andere Rohrleitungen aus Metall. Der notwendige Abstand wird durch die Schutzklasse, die Entfernung vom Hauptpotentialausgleich, den Werkstoff zwischen den Teilen und die Anzahl der Ableitungen bestimmt und muss im Einzelfall berechnet werden. Je höher eine Stelle einer Fangeinrichtung oder Ableitung über dem Hauptpotentialausgleich liegt, desto größer ist der erforderliche Abstand. Wenn er an einer Stelle nicht eingehalten werden kann, muss dort ein Potentialausgleich zwischen der Fangeinrichtung oder Ableitung und den betreffenden geerdeten Teilen hergestellt werden, die in ihrem weiteren Verlauf wie Ableitungen zu behandeln sind.
Für den Potentialausgleich von elektrischen Leitungen werden Überspannungsschutzgeräte (Surge Protective Devices) eingesetzt, die in der Norm EN 61643-11 in drei Kategorien eingeteilt sind:
- SPD Typ 1 müssen an allen Einführungen von elektrischen Leitungen in den Schutzbereich des äußeren Blitzschutzes eingesetzt werden. Sie leiten den vollen Blitzstrom ab, belassen es aber bei einer für elektronische Geräte gefährlichen Überspannung.
- SPD Typ 2 reduzieren das von SPD Typ 1 hergestellte Spannungsniveau weiter. Sie werden in Verteilern eingesetzt.
- SPD Typ 3 reduzieren das von SPD Typ 2 hergestellte Spannungsniveau auf ein für elektronische Geräte ungefährliches Maß. Sie werden in Überspannungsschutz-Steckdosen, Überspannungsschutz-Steckdosenadaptern und Endgeräten eingesetzt.
Blitzschutz bei Antennen
Antennen stellen besonders durch Blitzschlag gefährdete Objekte dar, da sie sich funktionsbedingt an exponierter Stelle befinden und elektrisch leitfähig sind. Wenn ein Blitz in eine Antenne einschlägt, wird der Blitzstrom über die Abschirmung des angeschlossenen Koaxialkabels ins Gebäude geleitet. Um zu vermeiden, dass dann im Gebäude ein Lichtbogen zwischen der Abschirmung und geerdeten Teilen zündet, muss jede Antenne, die sich nicht im Schutzbereich einer Fangeinrichtung befindet, geerdet werden. Der hohe Blitzstrom in der Abschirmung ruft eine hohe Spannung am Kabel hervor, die angeschlossene Geräte zerstört. Diese kann durch Überspannungsschutzgeräte an beiden Enden des Kabels verhindert werden.
Selbststrahlende Sendemasten für Lang- und Mittelwelle können nicht geerdet werden, weil über die Erdung die abzustrahlende Hochfrequenzenergie abfließen würde. Solche Masten besitzen am Fußpunktisolator eine Funkenstrecke, über die der Blitz überspringen kann. Diese Funkenstrecke wird so eingestellt, dass bei der am Mast anliegenden Spannung auch bei strömendem Regen keine Entladung auftreten kann. Um das Überspringen des Blitzes über die Funkenstrecke zusätzlich zu fördern, ist in die Speiseleitung eine Induktivität mit einer Windung, die sogenannte Blitzschlaufe eingebaut. Ein Verstimmschutz überwacht, ob die Antenne stets den richtigen Widerstand hat und bewirkt bei einem Blitzschlag, der zum Kurzschluss des Senderausgangs führt, ein kurzzeitiges Abschalten des Senders. Hierdurch wird verhindert, dass durch die Sendeleistung gespeiste Lichtbögen stehen bleiben, welche unter Umständen die Maststatik und den Sender gefährden können. Manchmal sind auch noch UV-Detektoren vorhanden, die überwachen, dass keine Lichtbögen bestehen bleiben. Nach einer gewissen Zahl von Ausschaltungen wird der Sender oft für längere Zeit abgeschaltet und der Mast wird automatisch geerdet.
Interessanterweise wird für die Dimensionierung der Isolation von Pardunenunterteilungsisolatoren die statische Aufladung bei Gewittern zum Hauptkriterium und nicht die Sendeleistung. Da die Isolatoren stets mit Überspannungsableitern, die einer Wartung bedürfen, ausgestattet sein müssen, werden die Pardunen gelegentlich auch über Spulen, die eine Verstimmung der Seile bewirken, oder in Ausnahmefällen auch direkt geerdet. Bei derartigen Konstruktionen gibt es nur am Mast und an den Spulen Überspannungsableiter.Blitzschutz bei Freileitungen
Freileitungen für Hochspannung werden in der Regel mit Erdseilen überspannt. Deren Wirksamkeit als Fangeinrichtung kann jedoch nicht beurteilt werden, weil es für den Blitzschutz von Freileitungen keine anerkannten Regeln der Technik gibt. Die Internationale Elektrotechnische Kommission befand vor mehreren Jahren lediglich, dass diese fehlen und in der Norm IEC 62305-5 formuliert werden sollen.
Literatur
- Blitzschutz - Teil 1: Allgemeine Grundsätze. Europäische Norm 62305-1:2006, deutsche Fassung. VDE Verlag, Berlin 2006.
- Blitzschutz - Teil 2: Risiko-Management. EN 62305-2:2006, deutsche Fassung. VDE Verlag, Berlin 2006.
- Blitzschutz - Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen. EN 62305-3:2006, deutsche Fassung. VDE Verlag, Berlin 2006.
- Blitzschutz - Teil 4: Elektrische und elektronische Systeme in baulichen Anlagen. EN 62305-4:2006, deutsche Fassung. VDE Verlag, Berlin 2006.
- Montage-Handbuch Blitzschutz, Herausgeber: Verband Deutscher Blitzschutzfirmen e.V. (VDB), Steinfelder Gasse 9, 50670 Köln
Weblinks
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