- Fazilitäten-Gemeinden
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Fazilitäten-Gemeinden sind jene Gemeinden in Belgien, in denen gewisse Einrichtungen und Dienste der betreffenden Gemeinde nicht nur in der jeweiligen Regionalsprache, sondern zusätzlich in einer anderen Sprache angeboten werden müssen. Umfang und Art dieser Fazilitäten sind gesetzlich geregelt.
Die Hauptstadtregion Brüssel hat ein zweisprachiges Statut (französisch/niederländisch), fällt also nicht unter die Kategorie der Fazilitäten-Gemeinden.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bis zur endgültigen Festlegung der heutigen Sprachengrenze 1963 in Belgien wurde die Einführung sprachlicher Erleichterungen von den Resultaten der turnusmäßig alle 10 Jahre stattfindenden "Sprachenzählungen" abhängig gemacht. Nachdem diese Zählungen nicht zuletzt auf Druck der Flamen hin abgeschafft worden waren, musste eine dauerhafte Lösung gefunden werden. Gewisse Gemeinden, in denen sowohl niederländisch- oder deutschsprachige als auch frankophone Einwohner wohnten, wurden Fazilitätengemeinden. Im Prinzip bekam eine Gemeinde dieses Statut, sofern der Anteil der sprachlichen Minderheit in ihr mindestens 30% betrug. Intendiert waren die Integration der sprachlichen Minderheiten in ihre Umgebung (vor allem am Rand der Agglomeration Brüssel) sowie die Gewährung eines Schutzes für historisch gewachsene Minderheiten entlang der niederländisch-französischen bzw. der französisch-deutschen Sprachengrenze.
Die praktische Einführung war weitaus komplizierter und sorgte vielfach für Unzufriedenheit. So wurde seitens der Flamen darauf hingewiesen, dass die unmittelbar an der niederländisch-französischen Sprachgrenze in Wallonisch Brabant gelegenen Gemeinden Waterloo und La Hulpe (Terhulpen) bei der Festlegung der Sprachengrenze jeweils mehr als 30% niederländischsprachige Einwohner zählten, dieses Statut einer Fazilitätengemeinde jedoch nicht bekamen. Auch hatte sich gezeigt, dass bei der Sprachenzählung 1947 in einigen Gemeinden zu unredlichen Mitteln gegriffen worden war. Die Einwohner von Enghien/Edingen etwa waren dazu gedrängt worden, sich als frankophon oder wenigstens als zweisprachig (mit französisch als Muttersprache) registrieren zu lassen, wodurch die Gemeinde an den Rand des frankophonen Gebietes zu liegen kam. Nicht zuletzt wurde kritisiert, dass als Resultat der damaligen Sprachenzählung eine Reihe von Orten und Ortsteilen von Flandern nach Wallonien bzw. von Wallonien nach Flandern ohne jeden Schutz für die in ihnen vorhandenen sprachlichen Minderheiten überführt worden waren.
In Voeren/Fourons hatte sich eine autochthone frankophone Minderheit aus der Gruppe wallonisch Gesinnter formiert, die sich seit 1963 gegen die Ausgliederung der Voerstreek aus der Provinz Lüttich, Arrondissement Verviers und in die Eingliederung in die (flämische) Provinz Limburg, Arrondissement Tongeren, wehrt. Unter dem aus der Wallonie zugezogenen (ehemaligen) Bürgermeister José Happart, der den Gebrauch der niederländischen Sprache auf Gemeinderatssitzungen ablehnte und dadurch Regierungskrisen und handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Flamen und Wallonen in Voeren/Fourons hervorrief, gewann diese Gruppe unter dem Motto "Retour a Liège" zeitweilig die Oberhand in der Gemeinde. Seitdem diese Gruppierung die Mehrheit im Gemeinderat verloren hat, beschränken sich sprachliche Auseinandersetzungen zwischen ihr und der Gegenpartei ("Voeren tot Limburg") darauf, die jeweils anderssprachigen Ortsnamen und Hinweise zu übermalen.
Die Fazilitäten in der Praxis
In den Fazilitätengemeinden werden Berichte und Beschlüsse des Gemeinderats zweisprachig verfasst, wobei die Regionalsprache als erste gebraucht wird. Auf den Bahnhöfen der Nationalgesellschaft der Belgischen Eisenbahnen (NMBS/SNCB) wird in den wallonischen Fazilitätengemeinden sowohl der französische als auch der niederländische Stationsname gebraucht (Enghien/Edingen, Comines/Komen, Mouscron/Moeskroen). In den flämischen Fazilitätengemeinden einschließlich ihrer Teilgemeinden ist der Gebrauch französischer Namen und Beschriftungen für Plätze, Straßen, Wegweiser etc. seit Dezember 2006 offiziell abgeschafft.
Seit dem 30. Juli 1963 bestehen Fazilitäten für den Bereich des Schulunterrichts, wodurch am Rand des niederländischen Sprachgebietes Grundschulen für frankophone Kinder eingerichtet werden können. Gleiches gilt für die 24 (seit 1977 neun) Gemeinden der Deutschsprachigen Gemeinschaft sowie für 15 (seit 1977 fünf) frankophone Nachbargemeinden, wo es sowohl deutsch- als auch französischsprachige Schulen gibt bzw. geben kann. Dagegen gibt es in Wallonien fast keinen niederländischsprachigen Unterricht, was zum einen auf die größere Integrationsbereitschaft der Flamen und zum anderen auf den administrativen und politischen Druck seitens der frankophonen Gemeindeverwaltungen zurückzuführen ist. So weigert sich die Französischsprachige Gemeinschaft bislang, die einzige niederländischsprachige Grundschule auf ihrem Territorium (in Comines-Warneton/Komen-Waasten) zu unterstützen, während die Flämische Gemeinschaft die frankophonen Schulen in ihren Fazilitätengemeinden großzügig unterstützt (mit fast 10 Millionen Euro im Jahr 2004) und darüber hinaus den Unterhalt der niederländischsprachigen Schule in Comines/Komen bestreitet.
In den sechs Randgemeinden (s. u.) um die Agglomeration Brüssel sowie in Comines-Warneton/Komen-Waasten und Voeren/Fourons besteht die Besonderheit, dass sowohl der Gemeinderat als auch die Schöffen direkt von den Bürgern gewählt werden, um die Repräsentanz unterschiedlicher Sprachgemeinschaften in der Gemeinde zu garantieren.
Noch eigenartiger ist die sprachliche Situation in den Gemeinden der "Platdütschen Region", nämlich in Baelen (Balen), Bleyberg (Bleiberg/Plombières) und Welkenraedt (Welkenrath/Welkenraat). Diese zwischen der Voerstreek und der Deutschsprachigen Gemeinschaft gelegenen Gemeinden, in denen die Bevölkerung von alters her einen niederländisch-deutschen Grenzdialekt spricht (von 19.000 Einwohnern im Jahr 1987 sprachen immerhin 16.000 Einwohner 'Platdiets'), kamen durch die Festlegung der Sprachengrenze an den äußersten nordöstlichen Rand des frankophonen Gebietes, jedoch wurde per Gesetz die Möglichkeit offen gelassen, später noch Fazilitäten in Verwaltungsangelegenheiten für Niederländisch- und/oder Deutschsprachige einzurichten ("Ruhende" Fazilitäten). Offiziell wurde in den Verwaltungen dieser Gemeinden kein Gebrauch von diesen Fazilitäten gemacht, jedoch beschlossen diese drei Gemeinden vor einigen Jahren, mit Rücksicht auf ihre (inzwischen stark angewachsenen) deutschsprachigen Minderheiten Fazilitäten auf freiwilliger Basis einzuführen. Die Fazilitäten im Bereich des Schulunterrichts gelten auch für nichtfrankophone Einwohner der Gemeinden Baelen, Plombières und Welkenraedt.
Nicht einheitlich ist die sprachliche Präsentation der offiziellen Homepages solcher Fazilitäten-Gemeinden und die Sprachgesetzgebung berührt diesen Punkt ohnehin nicht. Die Homepage der Gemeinde Comines-Warneton/Komen-Waasten steht nur auf französisch, in Enghien/Edingen, Flobecq/Vloesberg und Mouscron/Moeskroen wie auch in fünf flämischen Fazilitätengemeinden entlang der Sprachgrenze zweisprachig zur Verfügung. Die Gemeinde Herstappe (weniger als 100 Einwohner) hat keine Homepage ins Internet gestellt. Die Homepages der Gemeinden in den Ostkantonen sind in aller Regel mindestens zweisprachig (D/F), diejenige der Stadt Malmedy sogar viersprachig (F/NL/D/Englisch), während die Gemeinden Baelen, Bleyberg und Welkenraedt auf ihren offiziellen Homepages derartige "Fazilitäten" nicht anbieten.
Fazilitäten-Gemeinden in Belgien
(Stand nach den kommunalen Zusammenschlüssen 1977, die in der jeweiligen Amts- und Regionalsprache gebrauchte Namensversion ist vorangestellt)
Gemeinden an der Sprachgrenze in der Flämischen Gemeinschaft mit Fazilitäten für Frankophone:
- Bever (Biévène)
- Herstappe
- Mesen (Messines)
- Ronse (Renaix)
- Spiere-Helkijn (Espierres-Helchin)
- Voeren (Fourons)
Gemeinden an der Sprachgrenze in der Französischen Gemeinschaft mit Fazilitäten für Niederländischsprachige:
- Comines-Warneton (Komen-Waasten)
- Enghien (Edingen)
- Flobecq (Vloesberg)
- Mouscron (Moeskroen)
Zur Flämischen Gemeinschaft gehörende Randgemeinden der Agglomeration Brüssel mit Fazilitäten für Frankophone:
- Drogenbos
- Kraainem
- Linkebeek
- Sint-Genesius-Rode (Rhode-Saint-Genèse)
- Wemmel
- Wezembeek-Oppem
Gemeinden in der Französischen Gemeinschaft Belgiens mit Fazilitäten für Deutschsprachige:
Gemeinden in der Französischen Gemeinschaft Belgiens mit "ruhenden" Fazilitäten für Niederländisch- und/oder Deutschsprachige (seit einigen Jahren mit inoffiziellen Fazilitäten für Deutschsprachige):
- Baelen (Baelen/Balen)
- Plombières (Bleyberg/Bleiberg)
- Welkenraedt (Welkenrath/Welkenraat)
Gemeinden in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens mit Fazilitäten für Frankophone:
- Amel (Amblève)
- Büllingen (Bullange)
- Bütgenbach (Butgenbach)
- Burg-Reuland
- Eupen
- Kelmis (La Calamine)
- Lontzen
- Raeren
- Sankt Vith (Saint-Vith)
Weblinks
- Gesetz über den Sprachengebrauch in Verwaltungsangelegenheiten (18. Juli 1966):
- http://www.juridat.be/cgi_loi/loi_N.pl?cn=1966071831 (Fassung auf niederländisch)
- http://www.juridat.be/cgi_loi/loi_F.pl?cn=1966071831 (Fassung auf französisch)
- Gesetz über den Sprachengebrauch im Schulunterricht (30. Juli 1963):
- http://www.juridat.be/cgi_loi/loi_N.pl?cn=1963073031 (Fassung auf niederländisch)
- http://www.juridat.be/cgi_loi/loi_F.pl?cn=1963073031 (Fassung auf französisch)
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