Ferula (Insignium)

Ferula (Insignium)
Papst Johannes Paul II. mit dem von Lello Scorzelli geschaffenen Kreuzstab

Die Ferula (lat. für Gerte, Rute, Stock) ist in der katholischen Kirche das dem Papst vorbehaltene Stab-Insigne, welches oben statt in eine Krümme (wie beim Krummstab gewöhnlicher Bischöfe) in ein Kreuz endet.

Gegenpapst Benedikt XIII. mit Ferula, Avignon 1394

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Überlieferung vom Petrusstab

Sicher ist, dass Päpste schon seit dem Frühmittelalter einen solchen geraden, nicht gekrümmten Stab trugen.

Der Legende nach trug schon Petrus einen derartigen Kreuzstab, der sich seit den Tagen des heiligen Bischofs Eucharius (um 250) im Besitz der Trierer Kirche befunden haben soll. Der Stab wurde später zwischen den Erzbistümern Köln und Trier aufgeteilt. Nach der Neugliederung der geistlichen Fürstentümer im 19. Jahrhundert kam der Stab in den Domschatz der Diözese Limburg, wo er noch heute verwahrt wird. Allerdings wird der Stab bei jeder Inthronisation eines neuen Trierer Bischofs diesem symbolisch überreicht.

Geschichtliche Entwicklung und Gebrauch

Nachdem der Krummstab zum Insignium der Hirtengewalt der Bischöfe wurde, erhielt der Papst die Ferula, mit einem Kreuz statt einer Krümme. Ähnlich wie bei den Patriarchen das Patriarchenkreuz wurde ihm der Stab mit dem Kreuz vorangetragen. Nur bei Kirchweihen nahm der Papst die Ferula selbst in die Hand, um wie die Bischöfe mit dem Krummstab dreimal an die Tür zu klopfen und das lateinische sowie griechische Alphabet auf den Boden der Kirche zu zeichnen.

Früheste Abbildungen zeigen die Ferula oben in einer kleinen Kugel endend, später in einer mit einem Kreuz überhöhten Kugel, in den jüngsten Darstellungen dann nur noch in einem Kreuz. In der Antike stand die Kugel eines Zepters für den Globus, über den der Träger im Auftrag der Götter die Herrschaft ausübte; das christliche Kreuz entsprach dem Adler des Jupiter, der die Insignie in heidnischer Zeit schmückte. Das Adlerzepter trug der siegreiche römische Feldherr bei seinem Triumphzug; in der Römischen Republik gehörte es zum Festkleid des seine Amtszeit antretenden Konsuls und ging später in die Galatracht des Kaisers über.
Im ausgehenden Mittelalter war auch das dreifache Papstkreuz als Ferula in Gebrauch (auf einigen Stichen dieser Zeit zu sehen).

Spätestens aus der sog. »Konstantinischen Schenkung« (8./9. Jahrhundert) leiteten die Päpste u.a. das Recht zum Tragen der »imperialia sceptra«, des kaiserlicher Zepters, her. Aus dieser Insignie dürfte sich die Ferula als Herrscherstab der Päpste entwickelt haben. Nach der Wahl eines jeden neuen Papstes fand seit dem 8. Jahrhundert die Inbesitznahme der Kathedra des Laterans als eigenständiger Akt statt. Bei dieser Zeremonie erhielt das neue Oberhaupt der Christenheit die Ferula als »Signum regiminis et correctionis«, als Zeichen der regierenden und strafenden Gewalt. Die Übergabe der Ferula war ein wichtiger und symbolkräftiger Akt, hatte aber nicht das Gewicht, das bei der Krönung des Papstes im Petersdom der Auflegung des Palliums zukam, in der sich die ganze Fülle der oberkirchlichen Gewalt zeigte.

Die erste literarische Bezeugung der Ferula findet sich in der »Historia Ottonis« des Liudprand von Cremona. Liudprand berichtet in seiner Biographie Kaiser Ottos I. von der Absetzung Benedikts V. durch den Gegenpapst Leo VIII. im Jahre 964. Benedikt musste das Pallium und die Ferula an Leo VIII. zurückgeben. Der Gegenpapst nahm das Zepter, zerbrach es und zeigte es dann dem anwesenden Volk. Zeichenhaft wurde so das Ende der Herrschaft Benedikts V. vorgeführt.

Da Bischofsstäbe seit dem Hochmittelalter auch Symbol der (vom Papst strikt abgelehnten) Laieninvestitur darstellten, wurde die liturgische Verwendung der Ferula (im Gegensatz zum Gebrauch des Krummstabes der Bischöfe) weitgehend vermieden und auf seltene Ausnahmen außerhalb der Messfeier beschränkt. Mit Beginn des 16. Jahrhunderts war auch die Zeremonie der Überreichung der Ferula bei der Inbesitznahme des Laterans gänzlich entfallen.

Seit dem 19. Jahrhundert wurden den Päpsten vermehrt Geschenke gemacht, welche den Gebrauch der Ferula wiederbeleben wollten. So erhielt 1877, nach dem Verlust des Kirchenstaates, Pius IX. einen Stab zum Geschenk, der von einer Madonna bekrönt war, vom Papst jedoch nie verwendet wurde, sowie im selben Jahr, zu seinem fünfzigjährigen Bischofsjubiliäum, vom Circolo S. Pietro, einer Vereinigung papsttreuer römischer Jugendlicher, jenen Kreuzstab, den seit 2008 Benedikt XVI. regelmäßig verwendet. Auch verschiedene »Papstkreuze«, die Leo XIII. erhielt, sind nur schwer einzuordnen, ein dreibalkiges »croce pastorale - Pastoralkreuz«, ein Geschenk des Internationalen Komitees der Päpstlichen Ritterorden, trägt eine eingravierte Widmung, in der von einer »Insignie der höchsten Gewalt - summae potestatis insigne« gesprochen wird.

Bis zum Pontifikat von Johannes XXIII. wurden bei den liturgischen Zeremonien des Heiligen Vaters weiterhin wahlweise sowohl das mit drei Balken versehene Kreuz als auch das päpstliche (Vortrage-)Kreuz benutzt. Die Frage, welches Kreuz zu den Feierlichkeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils genommen werden sollte, hatte zu langen und heftigen Diskussionen unter den Päpstlichen Zeremoniaren geführt.

Die liturgische Situation änderte sich mit Paul VI., insofern sich dieser entschloss, als Bischof von Rom öffentliche Pontifikalämter persönlich zu feiern und sich dabei nicht, wie seit Jahrhunderten üblich, regelmäßig durch Kardinäle vertreten zu lassen. Nach seiner Wahl am 21. Juni 1963 zum Papst erreichte den neapolitanischen Bildhauer Lello Scorzelli ein dringendes Ansuchen vom Privatsekretär des Papstes, Don Pasquale Macchi, auf die Fertigung eines Hirtenstabes für den Heiligen Vater, den dieser zur Abschlussfeier des 2. Vatikanischen Konzils am 8. Dezember 1965 erstmals und danach häufig, aber nicht ausschließlich benutzte. Das fertige Werk wurde von Paul VI. als „kraftvoll und ausdrucksstark, eine zum Himmel gespannten Schleuder“ bezeichnet und fortan auch bei Messfeiern regelmäßig von ihm und seinen Nachfolgern getragen. Der Hirtenstab Pauls VI. übernimmt von der traditionellen Ferula die Kreuzform, ergänzt sie jedoch um eine Darstellung des Gekreuzigten. [1] Abweichend von früherer Übung wird der päpstliche Kreuzstab seit Paul VI. analog zum gewöhnlichen Bischofsstab auch innerhalb der Messfeiern verwendet.

Heutiger Gebrauch

Papst Benedikt XVI. mit dem Kreuzstab Pauls VI.

Als Paul VI. 1978 verstarb, übernahmen alle seine Nachfolger wie selbstverständlich den neuen Kreuzstab.[2] Schon bei den Gottesdiensten, mit denen sie ihr höchstes Hirtenamt offiziell übernahmen, trugen sie ihn, und zwar ohne vorherige Überreichungszeremonie. Wie bereits Paul VI. verwendete Johannes Paul II. gelegentlich andere Ferulae, z.B. in Dreifachkreuzform.
Zum Eucharistischen Kongress 1981 in Lourdes, an welchem Johannes Paul II. auf Grund der schweren Verletzung nach einem Attentat nicht persönlich teilnehmen konnte, entsandte er symbolhaft einen Legaten zusammen mit einer Ferula. Durch beständigen Gebrauch durch Johannes Paul II. bestimmte gerade Scorzellis Kreuzstab das öffentliche Bild dieses Papstes, besonders in seinen Alters- und Leidensjahren, nachhaltig mit.

Auch Benedikt XVI. übernahm zunächst den Kreuzstab Pauls VI. [3] Seit Palmsonntag 2008 benutzt er statt dessen eine goldene Ferula ohne Darstellung des gekreuzigten Jesus, ein ehemaliges Vortragekreuz Papst Pius' IX.. Der Kreuzstab Pauls VI. bleibt in der Päpstlichen Sakristei verwahrt.

Anmerkungen

  1. Ralf van Bühren 2008, S. 319, Abb. 54
  2. Bühren 2008, S. 336f., Abb. 55-57
  3. Bühren 2008, S. 337, Abb. 57


Literatur

  • Ralf van Bühren: Kunst und Kirche im 20. Jahrhundert. Die Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils (Konziliengeschichte, Reihe B: Untersuchungen), Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh 2008, ISBN 978-3-506-76388-4
  • Klemens Richter: Die Ordination des Bischofs von Rom. Aschendorff, Münster i. W. 1976 (Reg. S. 152, s. v. Ferula)
  • Pierre Salmon: Mitra und Stab. Die Pontifikalinsignien im Römischen Ritus. Grünewald, Mainz 1960 (bes. 67-73)

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