- Feuchtes Ertrinken
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Das Ertrinken ist der Tod durch Einatmen von Flüssigkeiten und eine spezielle Form der Asphyxie, welche eine Unterform des äußeren Erstickens ist. Ertrinken gehört bei Kleinkindern zu den häufigsten Todesursachen.
Beim ersten Eintauchen wird reflektorisch der Atem angehalten. Durch den Anstieg des Kohlenstoffdioxid im Blut wird der Atemzwang ausgelöst und Wasser wird eingesogen (aspiriert). Das Einatmen kleiner Wassermengen führt zu starkem Husten, was zunächst das weitere Eindringen von Wasser in die Lunge verhindert. Es folgt nach einigen Minuten ein Krampfstadium, bei dem noch krampfhaft ausgehustet wird. Der Ertrinkende, der dann meist schon das Bewusstsein verloren hat, taucht noch ein oder mehrmals auf und versinkt schließlich endgültig, wenn sich aufgrund von Sauerstoffmangel (Hypoxie) die Muskeln nicht mehr kontraktieren können.
Abgegrenzt werden sollte das hier beschriebene „primäre“ oder „feuchte“ Ertrinken vom sogenannten Badetod, der andere Ursachen hat.
Inhaltsverzeichnis
Statistik
Nach Schätzungen der Non-profit-Organisation „Blausand.de“, die sich für mehr Badesicherheit einsetzt, kommen jedes Jahr allein in Europa mindestens 20.000 Menschen bei Badeunfällen ums Leben. [1]
In Deutschland ertranken 2008 insgesamt 475 Menschen, 12,3 Prozent mehr als 2007. 73 Prozent der Ertrunkenen waren Männer. Es waren 13 Kinder im Vorschulalter als Opfer betroffen. Mehr als die Hälfte der Ertrunkenen war älter als 50 Jahre. In diesen Zahlen sind auch Ertrinkungsunfälle enthalten, bei denen die Opfer von Booten oder vom Ufer aus ins Wasser gestürzt, ins Eis eingebrochen oder nach Autounfällen ertrunken sind. [2]
In 2005 gab es in Deutschland 477 Opfer bei Badeunfällen in Gewässern zu beklagen, wobei die Mehrzahl in unbewachten Badeseen ertrank. In heißen Sommern nimmt die Zahl der Badeunfälle deutlich zu: Im heißen Sommer des Jahres 2003 gab es 644 Todesfälle beim Baden in Seen und Flüssen; im Jahr 2006 waren es 606. [1]
Pathophysiologie
Immersionseffekt
Beim Untertauchen in Wasser werden durch den hydrostatischen Druck ca. 1000 ml Blut in den thorakalen Raum (Brustkorb) verschoben. Dies führt zur Erhöhung des zentralen Venendrucks und des Herzzeitvolumens.
Kälteschock
Beim Eintauchen in kaltes Wasser kommt es zu einem starken Anstieg der Herzfrequenz und des Atemantriebs. Zuerst gibt es einen unfreiwilligen Atemzug, welchem Hyperventilation (schnelles und ungeordnetes Atmen) folgt. Die Stärke der Effekte des Kälteschocks steigt mit sinkender Wassertemperatur, wobei das Maximum zwischen 10 und 15 °C liegt. Die Fähigkeit den Atem anzuhalten sinkt.
Hypothermie
In Wasser unter 28 °C kann die Körpertemperatur nicht dauerhaft aufrechterhalten werden. Es kommt nach Absinken der Körperkerntemperatur zur Bewusstlosigkeit mit resultierender Aspiration.
Aspiration
Pathophysiologisch unterscheidet man das Ertrinken in Süßwasser von dem in Salzwasser, was verschiedene Folgen für den Körper hat. Während diesen Mechanismen früher viel Beachtung geschenkt wurde, ist man heute der Ansicht, dass die resorbierten Wassermengen und die daraus resultierenden Elektrolytstörungen meist nicht relevant sind, und sieht als wichtigstes pathophysiologisches Prinzip des Ertrinkens die Hypoxie infolge des fehlenden Sauerstoffs sowie der lokalen Störungen der Lunge (Atelektasenbildung, Auswaschen von Surfactant).
Beim Ertrinken im Meer gelangt Salzwasser in die Lunge. Die Konzentration der Ionen in der Lunge ist höher als im anliegenden Gewebe, sodass ein Konzentrationsausgleich stattfindet. Da Biomembranen semipermeabel (für Ionen undurchlässig, für Wassermoleküle durchlässig) sind, muss der Konzentrationsausgleich mit Hilfe der Diffusion von Wassermolekülen erfolgen. Die Konzentration der Wassermoleküle in der Lunge ist geringer als im anliegenden Gewebe, sodass dem Gewebe Wassermoleküle entzogen werden und die Lunge weiter mit Wasser befüllt wird. Diesen Vorgang nennt man Plasmolyse (Wasser strömt aus den Zellen aus).
Auch beim Ertrinken im Süßwasser gelangt Wasser in die Lunge. Die Konzentration der Wassermoleküle in der Lunge ist nun höher als die in den Zellen des anliegenden Gewebes. Um diesen Konzentrationsunterschied auszugleichen, diffundieren Wassermoleküle aus dem Lungengewebe in die Erythrozyten, welche letztlich platzen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Deplasmolyse (Wasser strömt in die Zellen ein).
Rettung und Erste Hilfe
Rettung
Falls eine Person zu ertrinken droht, sollte man zunächst unter Beachtung des Eigenschutzes versuchen, sie zu retten. Dazu sollte man ihr, sofern möglich, einen schwimmenden Gegenstand zureichen, um direkten Kontakt zu vermeiden; sollte die Person nämlich in Panik sein, kann sie den Retter unter Wasser drücken. Sofern möglich, sind Fachkräfte (z. B. die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) oder die Wasserwacht) hinzuzuziehen. Ferner sollte der Notruf veranlasst werden.
Sofortmaßnahmen
Nachdem der Patient in Sicherheit ist, sollte er bei Bewusstlosigkeit in die stabile Seitenlage gebracht werden. Bei nicht vorhandener Atmung oder bei Kreislaufstillstand muss sofort mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung begonnen werden. Maßnahmen zum Entfernen von Wasser aus der Lunge und den Atemwegen sind wirkungslos und nicht angezeigt.
Leichte Unterkühlung des Patienten wird durch das Entfernen von nasser Kleidung und durch das Wärmen mit Decken behandelt. Bei kaltem Wasser besteht eine große Todesgefahr durch Unterkühlung, was entsprechende Maßnahmen bereits bei der Bergung erfordert. Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes ist der Patient zu betreuen und zu beobachten.
Maßnahmen durch den Rettungsdienst
Patienten bei Bewusstsein werden mit Sauerstoff in hohem Fluss behandelt. Bei bewusstseinsgestörten Patienten wird die Indikation zur Intubation großzügig gestellt, wobei diese wegen der hohen Aspirationsgefahr bei Ertrinkungsopfern als Rapid Sequence Induction durchgeführt wird, gefolgt von einer Überdruckbeatmung.
Eine notwendige Reanimation wird ohne besondere Zusätze durchgeführt. Unterkühlte Patienten werden dabei ausdauernd reanimiert, da in solchen Fällen zuweilen schon erfolgreiche Wiederbelebungen auch nach längerer Zeit beobachtet wurden. Dies ist auf den bei unterkühlten Patienten extrem verlangsamten Stoffwechsel zurückzuführen. Allerdings sollte laut den neusten Richtlinien der unterkühlte reanimationspflichtige Patient nur auf 34 °C erwärmt werden, diese Temperatur wird im Krankenhaus weitere 24 Std. beibehalten, um Hirnschädigungen so gering wie möglich zu halten.
Prävention
Siehe auch: Baderegeln
Es gibt eine Reihe vorbeugender Maßnahmen und Verhaltensregeln, deren Befolgung die Gefahr des Ertrinkens deutlich einschränkt. Dazu gehören vor allem:
- Kinder nicht alleine schwimmen lassen,
- bei Bootsfahrten, etc. passende Schwimmwesten tragen,
- nicht leichtsinnig über zugefrorene Gewässer laufen,
- unbekannte Gewässer meiden,
- Warnungen vor Strömungen ernst nehmen,
- Kopfsprünge in unbekannte oder auch niedrige Gewässer vermeiden,
- bei hoher Lufttemperatur nicht ohne vorherige Abkühlung ins Wasser springen.
Quellen
- Brooks, C. J.: Survival in Cold Waters, Marine Safety Directorate, Transport Canada. (2003)
- Soar, J. et al.: Schwerpunkt ERC-Leitlinien 2005, Abschnitt 7: Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen, Abschnitt Ertrinken, Notfall + Rettungsmedizin (2006) 9:123–154
- Drownings and other water-related injuries in Canada, 10 Years of Research, The Canadian Red Cross Society (2006)
Einzelnachweise
- ↑ a b http://www.blausand.de/index.php?option=com_content&task=section&id=1&Itemid=26&lang=de_DE
- ↑ http://www.focus.de/panorama/vermischtes/statistik-zahl-der-toedlichen-badeunfaelle-gestiegen_aid_384436.html
Siehe auch
Weblinks
- DLRG - Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft
- DRK - Wasserwacht
- DGzRS - Deutsche Gesellschaft Zur Rettung Schiffbrüchiger
- Blausand - Organisation für mehr Badesicherheit in Europa
- Canadian Red Cross: Drownings in Canada, 10 Years of Research Module 2 - Ice & Cold Water Immersion, 2006
- A.Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder: Das Beinahe-Ertrinken
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