Feuchtinger

Feuchtinger

Edgar Feuchtinger (* 9. November 1894 in Metz; † 21. Januar 1960 in Berlin) war ein deutscher Offizier und zunächst Generalleutnant im Zweiten Weltkrieg. Im Januar 1945 wurde er wegen Fahnenflucht erst zum Tode verurteilt, im März begnadigt und sollte als einfacher Soldat an die Front geschickt werden.

Inhaltsverzeichnis

Erster Weltkrieg und Aufnahme in die Reichswehr

Als Sohn eines Händlers für Musikalien besuchte er ein Gymnasium und erlangte 1907 das Abitur. Danach trat er im gleichen Jahr in die Kadettenanstalt Karlsruhe ein und setzte diese Ausbildung in der Hauptkadettenanstalt (HKA) in Groß-Lichterfelde fort. Schon hier fiel er durch seine Charaktereigenschaften der Furchtlosigkeit und großer Begabung für militärische Angelegenheiten auf. Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde er am 7. August 1914 zum Fähnrich befördert. Mit seiner Einheit, dem Badischen Fußartillerie-Regiment Nr.14, marschierte er an die Front. Am 18. August 1915 erfolgte die Ernennung zum Leutnant.

In den nächsten Jahren kämpfte er in Russland und Frankreich, wobei er an den Kämpfen bei Verdun, der Schlacht an der Somme und der Schlacht an der Aisne bei Chemin des Dames teilnahm und ab dem 25. September 1917 dem Fußartillerie-Regiment 212 angehörte. Am 21. März 1919 wurde er in die Reichswehr übernommen, wobei er im 13. Artillerie-Regiment seinen Dienst antrat. In den nächsten Jahren erfolgte eine Versetzung nach der anderen, weil er dienstlich negativ bei seinen kommandierenden Offizieren auffiel. Ab dem 1. Oktober 1920 wurde er zum 25. Schützen-Regiment versetzt, um schon am 1. Januar 1921 zum 13. Württembergischen Infanterie-Regiment zu wechseln. Im 5. Artillerie-Regiment diente er ab dem 1. Oktober 1921. Drei Jahre danach versetzte man ihn zum 2. Preußischen Artillerie-Regiment. Am 1. April 1925 erfolgte die Beförderung zum Oberleutnant.

Kommandeur der Artillerie und Organisator im NS-Regime

Ab dem 1. Februar 1929 verrichtete er seinen Dienst als Chef einer Batterie beim 7. Bayerischen Artillerie-Regiment. Zum Hauptmann wurde er 1. November 1929 befördert. Beim Artillerie-Regiment „Amberg“, dem Artillerie-Regiment 10, führte er ab dem 1. Oktober 1934 eine Batterie. Danach wurde er zum 1. Januar 1935 an die Feldartillerieschule in Jüterbog zum Lehrstab A des Lehrregiments versetzt. Im gleichen Jahr wurde er am 1. November zum Major befördert.

Da er sich als ausgezeichneter Organisator im Truppendienst erwiesen hatte, wurde er beauftragt, auf dem Reichsparteitag in Nürnberg im Jahre 1935 die Veranstaltungen der Wehrmacht zu führen. Diese Fähigkeiten wollte man auch im Jahre 1936 zur XI. Olympiade nutzen, wo er dem Organisationskomitee angehörte.

Ab dem 1. Oktober 1937 führte er das III. Bataillon des Artillerie-Regiments 26, das zur 26. Infanteriedivision gehörte. Seine Beförderung zum Oberstleutnant erfolgte am 1. August 1938. Zum Kommandeur des Artillerie-Regiments 227 der 227. Infanterie-Division ernannte man ihn am 26. August 1939. Mit dieser Einheit nahm er an den Kämpfen in Belgien und Frankreich teil, wo er bis Oktober 1941 stationiert war. Danach erfolgte die Verlegung an die Ostfront, wo er am 1. August 1941 zum Oberst befördert wurde. Im Bereich der Heeresgruppe Nord bewies Feuchtinger wiederum sein großes Organisationstalent, indem er aus versprengten Truppenteilen und erbeuteten Waffen eine neue Kampfeinheit bildete und aus einer Umkesselung durch sowjetische Einheiten ausbrechen konnte.

Einmarsch in Südfrankreich und Neuaufstellung der 21. Panzerdivision

Am 27. November 1942 befehligte er die Kampfgruppe A, die ihm Rahmen des Unternehmens Lila die Stadt Toulon besetzte und versuchte, die dort stationierten Schiffe der französischen Flotte unter ihre Kontrolle zu bringen. Am 7. April 1943 erhielt er das Kommando über die Schnelle Artillerie-Brigade 931. In den folgenden Monaten stellte er aus verschiedenen Einheiten und Beutewaffen eine neue Division auf, die er 21. Panzer-Division nannte (die Division gleichen Namens wurde in Nordafrika gefangen genommen). Die Aufstellung dieser „eigen“ aufgestellten Division meldete er an Adolf Hitler persönlich. Seine Beförderung zum Generalmajor und Kommandeur der 21. Panzerdivision erfolgte am 1. August 1943.

Invasion 1944

Als die Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944 erfolgte, war die 21. Panzerdivision der einzige deutsche Kampfverband im unmittelbaren Landungsbereich der Alliierten. Feuchtinger hielt sich an diesem Tag in Paris auf. Auf seinen Divisionsgefechtsstand nahm er seine Geliebte, eine Schauspielerin aus Hamburg, mit. Es zeigte sich jedoch, dass Feuchtinger keine Ausbildung in der Führung und Taktik eines Großverbandes hatte. Als er in der Schlacht um Caen einen Angriff mit seiner Division vortragen sollte, brach er diesen ab, weil er die Meldung erhielt, britische Fallschirmjäger wären im hinteren Frontbereich seiner Divsion gelandet. Diese Meldung erwies sich als Fehlmeldung, da es nur Versorgungsabwürfe waren. Zum Generalleutnant wurde er am 1. August 1944 befördert. Kurz darauf erhielt er am 6. August 1944 das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes[1] verliehen.

Verurteilung vor dem Reichskriegsgericht

Während seine Division im Raum Saarlouis im Januar 1945 in schwere Kämpfe verwickelt wurde, hielt er sich in Celle auf und organisierte für seine Geliebte eine gut versorgte Unterkunft in einem Gutshaus. Auch brachte er drei Unteroffiziere mit, die sich dort betätigen sollten. Dieser Aufwand blieb der dort ansässigen Bevölkerung nicht verborgen, die sich darüber erregte. Am 5. Januar 1945 wurde er deshalb verhaftet und kam vor das Reichskriegsgericht. Die Anklage lautete auf Bereicherung an jüdischem Vermögen durch illegalen Verkauf von Pelzen, dem Entzug der Unteroffiziere vom Kriegsdienst, der Zweckentfremdung von Wehrmachtseigentum und der Mitteilung von militärischen Geheimnissen an seine südamerikanische Geliebte. Im Urteil vom 19. März 1945 wurde er wegen Kriegsverrates zum Tode verurteilt und zum Kanonier degradiert.

Begnadigung und Desertion

Am 2. März 1945 bestimmte Hitler, dass Feuchtinger wieder an der Front eingesetzt werden solle. Er sollte sich bei der 20. Panzergrenadierdivision bei Seelow melden. Eine Suche, die am 12. April 1945 bei der Division nach ihm begann, blieb erfolgslos. Statt sich an die Front zu begeben, tauchte er bei Celle bei seinem Gutshaus unter. Am 29. Mai 1945 begab er sich in Generalsuniform in britische Kriegsgefangenschaft. Er durchlief mehrere Gefangenenlager, wobei seine Anwesenheit im US-Lager Allendorf auf heftigen Protest anderer Generäle stieß. Am 23. August 1947 wurde er in Wuppertal aus der Gefangenschaft entlassen.

Nachkriegszeit und Mitarbeit beim GRU

Da er sich als Opfer der NS-Justiz ausgab, erhielt er den höchsten Satz einer Generalspension. Anschließend betätigte er sich als Vertreter mehrerer Firmen und der Bremer Vulkan-Werft. Durch eine Heirat mit einer reichen Witwe gelangte er an eine Position im Handel mit Stahlprodukten der Großindustrie. Im Mai 1953 traf er sich mit einem Unbekannten im Hauptbahnhof in Krefeld, der ihm ein Dokument vorlegte, aus dem hervorging, das er von der Feldgendamerie ab dem 12. April 1945 gesucht wurde. Der Unbekannte forderte von ihm Informationen über die Aufrüstung, oder dieses Dokument würde veröffentlicht. Er verpflichtete sich, die Informationen für den sowjetischen Militärnachrichtendienst GRU zu liefern. Die Informationen sollte er an eine Adresse in Berlin-Pankow senden: Paul Kutt, Granitzstraße 44.

Kontakte zu Ex-Generälen

Danach suchte er Kontakte zu ehemaligen Generälen der Wehrmacht, wobei er mit Adolf Heusinger und Hans Speidel zusammentraf. Als der Bundesminister Theodor Blank am 13. November 1955 die Namen der ersten Offiziere der neu aufgestellten Bundeswehr bekannt gab, hatte Feuchtinger diese schon vorher an seine Kontaktadresse weitergegeben. Feuchtinger entfaltete eine emsige Reisetätigkeit als Verbindungsmann der Großindustrie zur Bundeswehr. Unter diesem Deckmantel besuchte er viele Garnisonen der Bundeswehr und nahm auch Kontakte im Bundesministerium der Verteidigung auf. Dort konnte er zu einem alten Bekannten, dem Oberst Carl-Otto von Hinckeldey, wiedertreffen. Dieser diente im Jahre 1938 in der III. Abteilung des Artillerie-Regiments 26 in Düsseldorf unter Feuchtinger als Adjutant.

Hilfe von Hinckeldey

Feuchtinger erreichte das Vertrauen von Hinckeldey, weil er ihm berichtete, er würde an einer Studie der Invasion von 1944 arbeiten und möchte militärische Vergleiche mit dem heutigen Stand anstellen. So erhielt Feuchtinger von Hinckeldey geheime Unterlagen über taktische Operationen, Einsätze der atomaren Kriegsführung und Kenntnisse über Luftlandetruppen und viele andere Unterlagen der Bundeswehr. Bei seinen Besuchen im Verteidigungsministerium traf er auch mit dem General Werner Panitzki zusammen, der ab dem 10. Januar 1958 Chef des Stabes im Führungsstab der Streitkräfte war. Der ungehinderte und längere Aufenthalt im Ministerium ermöglichte es ihm, sich auch im Arbeitszimmer von Hinckeldey bei dessen Abwesenheit aufzuhalten.

NATO-Kontakte

Die auf Mikrofilmen festgehaltenen Dokumente übergab er in Berlin seinem Führungsoffizier, dem Major Wladlen Michajlowitsch Michajlow, den er etwa alle drei Monate aufsuchte. Diese Reisen tarnte er als Geschäftsreisen für Ölgeschäfte im Interzonenhandel. Auch Mitglieder seiner Familie verhalfen ihm unwissend bei der Beschaffung neuer Materialien. In Paris brachte er eine Stieftochter als Sekretärin bei der NATO unter. Ein Stiefsohn half ihm beim Kopieren von Unterlagen. Offiziere der NATO, die von seinen angeblichen historischen Untersuchungen erfuhren, baten ihn im Juni 1956, auf dem ehemaligen Schlachtfeld von Caen einen Vortrag über den Verlauf der Kämpfe von 1944 zu halten. Militärische Einzelheiten, die er bei diesen Offizieren in Gesprächen erfuhr, übermittelte er an die GRU.

Etwa sieben Jahre lang konnte er etwa 1000 Unterlagen an seine Auftraggeber übermitteln. Als er im Januar 1960 wieder zu einem Treffen nach Berlin fuhr, erlitt er im Zug einen Schlaganfall. Angekommen im Bahnhof Zoo in Westberlin, konnte man ihn noch in ein Krankenhaus transportieren, wo er seiner Frau noch eine Adresse telefonisch mitteilen konnte, bevor er am 21. Januar 1960 dort starb. Michajlow versuchte nun im Mai 1961, über seine Frau nochmals eine Verbindung zu Hinckeldey aufzunehmen. Aber diese verstand nicht, was Michajlow mit seinen Fragen bezweckte.

Enthüllung und Verurteilung von Hinckeldey

Als Michaijlow im Juni 1961 in Karlshorst, dem Sitz der GRU-Zentrale in der DDR, das Gespräch mit ihr nochmals aufnahm, enthüllte er den eigentlichen Charakter der Beziehungen ihres Mannes. Frau Feuchtinger lehnte sofort jeden weiteren Kontakt ab und reiste zurück. Als Michajlow einen DDR-Bürger namens Kühn zu einem Besuch bei Hinckeldey am 24. November 1961 in Rhöndorf zwang, berichtete dieser, dass er zu diesem Auftrag erpreßt wurde. Hinckeldey benachrichtigte sofort den Militärischen Abschirmdienst, der Kühn festnehmen ließ. Die Festnahme Hinckeldeys erfolgte anschließend in den folgenden Tagen. Er wurde im Dezember 1962 in Karlsruhe vor dem Bundesgerichtshof zu sechs Monaten Haft wegen Verwahrungsbruches verurteilt.

Referenzen

  • Janusz Piekalkiewicz, Weltgeschichte der Spionage, München 1988
  • Dermot Bradley, Kar-Friedrich Hildebrand, Markus Rövekamp, Die Generale des Heeres 1921 - 1945, Band 3, Osnabrück 1994
  • Helmut Roewer, Stefan Schäfer, Mathtthias Uhl, Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert, München 2003

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939-1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S.129

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