Figura serpentinata

Figura serpentinata

Figura Serpentinata (lat.: serpens - Schlange) ist die Bezeichnung für eine gewundene gemalte oder plastisch ausgeführte Figur. In der Ornamentik bezeichnet man damit speziell Spiralmotive.

Die Figura Serpentinata ist ein typisches Merkmal des Manierismus. Frühe Darstellungen solcher geschraubten Figuren stammen von Leonardo da Vinci, Raffael und Michelangelo.

Figura serpentinata, Stich von Hendrick Goltzius
Die sogenannte Laokoon-Gruppe in den Vatikanischen Museen

Es gibt wohl keine charakteristischere Formel des Manierismus als jene der „figura serpentinata“. Der Maler und Theoretiker Giovanni Paolo Lomazzo (1538–1600) berichtet, wie Maurer erwähnt, folgendes in seinem Trattato dell’arte della pittura von 1584 von der „figura serpentinata“:

Das empfohlene Gestaltideal vereinigt, nach Lomazzo, drei Qualitäten: Pyramidenform, <serpentinata> Bewegung und eine bestimmte numerische Proportion, alle drei zu einer Einheit gebracht. Dabei kommt der Vorrang dem <moto> zu, d.h. der schlängelnden Bewegung, während die Pyramidenform, in genauer Proportionierung, den konisch stereometrischen Umriss ausmachen soll.“

Der Serpentinatastil entwickelte sich, wie Bousquet vermutet, möglicherweise mit der Wiederentdeckung der Laokoon-Gruppe im Jahre 1506. Besonders bei Michelangelo soll diese Plastik einen starken Eindruck hinterlassen haben. Auch Shearman ist sich sicher, dass die „figura serpentinata“ eine Erfindung Michelangelos ist. Als Beweis dient ihm der „Sieger“, den Michelangelo 1527-1528 für das Grabmal Julius II. schuf.

Maurer kann jedoch in Michelangelos Arbeit nur selten eine Serpentinierung der Figur erkennen. Er sieht Beccafumi als Pionier des Serpentinatastils. Sein Schüler Marco Pino verband wohl die Eindrücke seines Meisters mit jenen aus Salviatis, Parmigianinos und möglicherweise auch Michelangelos Werken. Sein gesamtes Schaffen ist von Serpentinata-Motiven geprägt. Selbst sagt Paolo Pino in seinem Dialogo della Pittura, dass die Pose der Figuren vielfältig und anmutig sein sollten, und in all seinen Werken sollte man mindestens eine Figur anführen, die ganz und gar verdreht, ambivalent und schwierig ist.

Die Malerei, freier als die Plastik, die sehr stark der Natur verpflichtet ist, kann, wie Maurer betont, mit der Figur spielen. Sie kann sie umgestalten, überdehnen, geometrisieren, auflösen, karikieren, kolorieren, schlängeln, je nach Ziel und Aussage des Bildes. Mit der Lockerung der Renaissance-Normen und der Entwicklung des Serpentinata-Stils passierte auch eine, wie Maurer gut nachvollziehbar argumentiert, Systematisierung der Serpentinata-Strukturen. Eine Gleichförmigkeit trat ein, wodurch die Figuren an physischer Kraft, Leidenschaft, Spannung und semantischer Prägnanz einbüßten. Bewegungen muten unmotiviert an, nicht von einem Willen getrieben, sondern von reinem Formwillen. Auch wirken ihre Aktionen teilweise kraftlos, nicht der Schwer- und Hebelkraft unterworfen.


Literatur

  • Emil Maurer: Manierismus. Figura serpentinata und andere Figurenideale. Zürich 2001. ISBN 3-85823-791-4
  • John Sherman: Manierismus. Das Künstliche in der Kunst. Frankfurt am Main 1988.
  • Jacques Bousquet: Malerei des Manierismus. Die Kunst Europas von 1520 bis 1620. München 1963

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