Flankenschutz

Flankenschutz

Als Fahrstraße bezeichnet man im Eisenbahnwesen den aus Gleisen, Kreuzungen und Weichen gebildeten und signaltechnisch gesicherten Schienenfahrweg eines Schienenfahrzeuges. Eine Fahrstraße verknüpft Weichen und andere Einrichtungen des Fahrwegs samt Durchrutschweg, auch zum Flankenschutz und bringt sie in Abhängigkeit zu dem Signal, das die Fahrt zulässt. Sie wird vom Stellwerk überwacht – man nennt dies verschlossen, so dass Umstellvorgänge verhindert werden, bis die Fahrstraße wieder freigegeben ist und Belegungsmeldungen zum Haltstellen der Signale führen. Werden die mitverschlossenen Überwachungsbereiche unerwartet belegt, wird das Startsignal in Grundstellung Halt geworfen. Die Abhängigkeit zwischen dem Signal und den Streckeneinrichtungen in der Fahrstraße nennt man Signalabhängigkeit.

Inhaltsverzeichnis

Signalabhängigkeit

Die Signalabhängigkeit wird im Stellwerk vor jeder Zugfahrt durch das Zusammenwirken mechanischer, elektrischer oder elektronischer Verschlusseinrichtungen hergestellt. Sie bildet einen wesentlichen Teil der Sicherheit des Bahnbetriebes überhaupt und ist seit 1905 vom Gesetzgeber in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) für alle regelspurigen Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs in Deutschland verbindlich festgelegt.

Nach der EBO müssen Weichen, die von Zügen gegen die Spitze befahren werden, von den für die Zugfahrt gültigen Signalen derart abhängig sein, dass die Signale nur dann in Fahrtstellung gebracht werden können, wenn die Weiche für den Fahrweg richtig liegt und verschlossen ist. Das gilt nicht auf Nebenbahnen, wenn die Geschwindigkeit dort 50 km/h nicht übersteigt. Ferngestellte Weichen, die von Reisezügen gegen die Spitze befahren werden, müssen zusätzlich gegen Umstellen unter dem Zug festgelegt oder einzeln gesichert werden. Diese Aufgabe übernehmen in mechanischen und elektromechanischen Stellwerken der Bahnhofsblock, in Gleisbildstellwerken entsprechende Abhängigkeiten innerhalb der Stellwerksanlage. Außerdem verlangt die EBO für Reisezüge Flankenschutzvorkehrungen; auf Nebenbahnen jedoch nur, wenn dort mit mehr als 50 km/h gefahren wird.

Auf Schnellfahrstrecken sind für Fahrstraßen in Hauptgleisen Flankenschutzverschlüsse in allen Nebengleisen und für zusätzlich vorzusehende Deckungssignale einzurichten.

Diese Forderungen der EBO werden von den Eisenbahnunternehmen im Regelfall weit übertroffen. Normalerweise sind alle Weichen, nicht nur die gegen die Spitze befahrenen, und weitere Einrichtungen in die Signalabhängigkeit einbezogen. In Gleisbildstellwerken sind in der Regel auch Sicherungseinrichtungen an Bahnübergängen wie Schranken, Blinklicht- oder Lichtzeichenanlagen in die Signalabhängigkeit einbezogen. Das Signal, das die Fahrt zulässt, kann in diesem Fall erst in die Fahrtstellung gebracht werden, wenn der Bahnübergang gesichert ist.

In der Ril 408 der Deutschen Bahn (DB Netz AG) wird Signalabhängigkeit wie folgt definiert:

Signalabhängigkeit ist aufgehoben, wenn ein Hauptsignal auf Fahrt gestellt werden kann,

  • obwohl die Zungen- oder Herzstückverschlüsse von Weichen nicht ordnungsgemäß wirken;
  • obwohl bei den aus Russland stammenden EZMG-Stellwerksbauformen der Innenverschluss des Antriebs einer Weiche ohne Weichenverschluss nicht ordnungsgemäß wirkt (Örtliche Richtlinien erforderlich);
  • oder wenn eine Fachkraft im Arbeits- und Störungsbuch die Abhängigkeit für aufgehoben erklärt hat.

Flankenschutzvorkehrungen

Schutzweiche bei Einfädelung der Bahnstrecke der Hildesheimer Schleife in die Neubaustrecke Hannover-Würzburg bei Sorsum.

Der Flankenschutz wird in den Nachbargleisen, die direkt oder über eine Weichenverbindung in die Fahrstraße einmünden, durch Schutzweichen oder Zwieschutzweichen, Gleissperren oder Schutzsignale realisiert. Schutzweichen sind abweisend gestellte Weichen, die kreuzende Fahrten im Notfall ablenken. Gleissperren dienen als Abschluss von Nebengleisen und müssen aufliegen, damit eine Fahrstraße eingestellt werden kann. Sie bringen Fahrzeuge, die sich in gefährdender Weise nähern, zur Entgleisung. Schutzsignale in einmündenden Nachbargleisen, die eine Flankenfahrt zulassen könnten, werden in der Haltstellung festgelegt.

Gleissperren und Schutzweichen bieten sicheren Flankenschutz, auch zwingender Flankenschutz genannt. Signale bieten nur indirekten Flankenschutz, weil sie auch beachtet werden müssen – man spricht von Lichtschutz. Aus diesem Grund müssen Rangierfahrten, die sich ohne zwingenden Flankenschutz in Richtung auf die Fahrstraße bewegen, als gefährdende Rangierbewegungen während einer Zugfahrt unterbleiben. In elektronischen Stellwerken kann eine Rangierzielsperre programmiert werden, so dass Rangierfahrten auf als Rangierziel gesperrte Signale nicht gestellt werden können.

Auf Strecken mit Geschwindigkeiten von über 160 km/h ist Lichtschutz nicht ausreichend.

Fahrstraßen, die in eine bestehende Fahrstraße einmünden oder sie kreuzen, unterliegen einem Fahrstraßenausschluss und dürfen daher nicht eingestellt werden. Bei elektronischen Stellwerken werden dazu Rangierzielsperren eingerichtet, sonst ist das Rangieren in Seitengleisen ganz verboten.

Fahrstraßenarten

Schematische Darstellung einer Einfahrzugstraße mit Flankenschutz

Während in Stellwerken mit alter Technik in der Regel nur Fahrstraßen für Zugfahrten eingerichtet sind, lassen sich in modernen Gleisbildstellwerken auch beim Rangieren Fahrstraßen bilden, die sogenannten Rangierstraßen. Gleisbildstellwerke bieten darüber hinaus eine Reihe unterschiedlicher Möglichkeiten zum Einstellen und Sichern von Fahrstraßen. Hier unterscheidet man zwischen Zug- und Hilfsfahrstraßen.

Zugstraßen müssen höheren Sicherheitskriterien genügen, in Rangierstraßen verzichtet man in der Regel auf den Flankenschutz. Zug- und Rangierstraßen, die auf direktem Weg zu ihrem Ziel führen, werden als Regelzugstraßen oder Regelrangierstraßen bezeichnet. Gibt es im Verlauf einer Fahrstraße mehrere Fahrwege, lassen sich alternativ auch Fahrstraßen über Umwege bilden, so genannte Umfahrzugstraßen oder Umfahrrangierstraßen.

Eine Zugstraße für einen in den Bahnhof einfahrenden Zug wird Einfahrzugstraße, eine Zugstraße für die Ausfahrt Ausfahrzugstraße genannt. An mehrgleisigen Eisenbahnstrecken lässt sich außerdem für die Einfahrt eines Zuges aus dem linksseitigen Streckengleis in den Bahnhof, d. h. beim Abweichen vom Rechtsfahrbetrieb, eine Einfahr-Zughilfsstraße, für die Ausfahrt aus dem Bahnhof ins linksseitige Streckengleis eine Ausfahr-Zughilfsstraße einstellen. In einer Zughilfsstraße bleibt das am Anfang stehende Hauptsignal jedoch stets in der Haltstellung. In diesem Fall gibt der Fahrdienstleiter seine Zustimmung zur Zugfahrt mit einem Zusatzsignal oder mit schriftlichem Befehl. An mehrgleisigen Eisenbahnstrecken mit Gleiswechselbetrieb wird für die Ein- oder Ausfahrt des Gegengleises eine herkömmliche Fahrstraße eingestellt.

Eine Fahrstraße beginnt normalerweise an dem Signal, das die Fahrt zulässt (Startsignal), und endet bei der Einfahrt in einen Bahnhof im Bahnhofsgleis, bei Einfahrt in eine Gleisgruppe an einem Ausfahr-, Zwischen- oder Sperrsignal (Zielsignal) oder bei Einfahrt in ein Einfahrstumpfgleis am Prellbock. Zielsignal ist in diesem Fall für Zugfahrten das Signal Sh 2 (Schutzhalt) beziehungsweise für Rangierfahrten das Signal Sh 0. Diese Signale sind auf dem jeweiligen Prellbock feststehend montiert. Die letzte Variante gibt es vor allem in Kopfbahnhöfen.

An die Einfahrzugstraße schließt sich der Durchrutschweg an. Er ist in die signaltechnische Sicherung der Fahrstraße mit einbezogen und dient als Reserve für den Fall, dass ein Zug ausnahmsweise nicht am Halt zeigenden Zielsignal zum Halten kommen sollte. Die Länge des Durchrutschweges berechnet sich nach der zulässigen Einfahrgeschwindigkeit des Zuges und der Neigung des Gleises. In Deutschland dürfen sich, anders als in manchen anderen Ländern, die Durchrutschwege gleichzeitig gestellter Fahrstraßen überlappen, da das Überfahren haltzeigender Signale systembedingt eher selten vorkommt und das Restrisiko durch die Überlappung als vernachlässigbar gilt. In Ländern mit anderer Sicherheitsphilosophie können überlappende Durchrutschwege strikt ausgeschlossen sein.

Die Fahrstraße für einen aus dem Bahnhof ausfahrenden Zug beginnt am Ausfahrsignal, auf Bahnhöfen ohne Ausfahrsignal im Bahnhofsgleis, und endet am Einfahrsignal (oder, auf Nebenbahnen, an der Trapeztafel) des Streckengleises. Das Einfahrsignal steht im definierten Abstand vom ersten Gefahrpunkt. Dieser ist wie der Durchrutschweg abhängig von der Streckengeschwindigkeit und der Neigung des Streckengleises und wird in die signaltechnische Sicherung einbezogen. In diesem Bereich dürfen sich keine Fahrstraßenelemente (z. B. Weichen) befinden.

Fahrwegprüfung

Bevor ein Hauptsignal für einen Zug auf Fahrt gestellt wird, muss der Signalbediener (das kann der Weichenwärter oder der Fahrdienstleiter sein) die Fahrwegprüfung durchführen. Dazu muss er feststellen, ob der gesamte Fahrweg mit dem Durchrutschweg frei ist und alle zur Fahrstraße gehörenden Einrichtungen richtig gestellt sind. Das Freisein muss der Signalbediener in Stellwerken mit herkömmlicher Technik durch Hinsehen (früher: durch Augenschein) feststellen. In Gleisbildstellwerken übernimmt im Regelfall die Gleisfreimeldeanlage diese Aufgabe. Das Prüfen der richtigen Stellung aller Einrichtungen ist im Regelfall durch die Abhängigkeiten und Verschlusseinrichtungen innerhalb der Stellwerksanlage gewährleistet und somit nicht erforderlich.

Siehe auch

Quellen

  • Fahrdienstvorschriften FVNE (Fahrdienstvorschrift für nichtbundeseigene Eisenbahnen FVNE)
  • DB-Richtlinie 408 Züge fahren und Rangieren; Herausgeber: DB AG, ca. 15 MB PDF-Datei

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