Franziskus Kardinal von Bettinger

Franziskus Kardinal von Bettinger
Kardinal Franz von Bettinger
Kardinal Franz von Bettinger
Franziskus von Bettinger
Kardinal Bettinger 1916, vor der Kathedrale von Brüssel. Links sein Sekretär Michael Buchberger rechts Freiherr Moritz von Bissing, Generalgouverneur von Belgien

Franziskus Kardinal von Bettinger (* 17. September 1850 in Landstuhl, Pfalz; † 12. April 1917 in München) war Priester, Dompfarrer, Domkapitular und Domdekan der Diözese Speyer, danach Erzbischof von München und Freising.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft und Wirken in der Diözese Speyer

Franziskus von Bettinger war das Älteste von sechs Kindern des Hufschmieds Franz Michael Bettinger und Maria Josephine Weber. Im Jahr 1864 trat er als Schüler in das Bischöfliche Konvikt zu Speyer ein, 1869 absolvierte er dort das Gymnasium mit brillanten Zensuren; es war ihm sogar erlaubt worden, eine Klasse zu überspringen. Die Universitätsstudien in Philosophie, Theologie und kanonischem Recht führten ihn nach Würzburg, wo er sich der farbentragenden, katholischen Studentenverbindung „Markomannia“ anschloß, und nach Innsbruck. Er war Urmitglied der Studentenverbindung AV Austria Innsbruck im CV und AO-Philister der Studentenverbindung KSStV Alemannia im KV. Am 17. August 1873 empfing Franziskus Bettinger in Speyer die Priesterweihe aus der Hand von Bischof Daniel Bonifatius von Haneberg, vormals Benediktinerabt in München und Erzieher der Könige Ludwig II. und Ludwig III. von Bayern.

Bettinger amtierte zunächst als Kaplan in Zweibrücken (1873–77) und in Kaiserslautern (1877–78), als Kooperator in Reichenbach (1878–79), bevor er 1879 seine erste eigenständige Pfarrstelle als Administrator und Pfarrer in Lambsheim antrat (1879–88). Er wohnte dort im Pfarrhaus, in der Marktstraße Nr. 3 (späteres Schuhhaus Eisenbarth). Ab 1882 bis 1895 wirkte der Priester zusätzlich als Distriktschulinspektor für die katholischen- u. Simultanschulen im Bezirk Frankenthal. Hier erregte er erstmals größere Aufmerksamkeit in einer höheren Stellung; die „Pädagogischen Blätter“ konstatierten später darüber: „Er erfreute sich dauernder Beliebtheit bei allen Lehrern beider Konfessionen“. 1888 wechselt Pfarrer Bettinger von Lambsheim ins nahe Roxheim über, wo er bis 1895 bleibt u. auch sein Amt als Frankenthaler Distriktschulinspektor beibehält. Seine Eltern wohnen hier mit ihm im Pfarrhaus; die Mutter stirbt dort am 8. September 1890 u. liegt auf dem Roxheimer Friedhof begraben (der Vater starb 1903 in Speyer, wohin er seinem Sohn gefolgt war).1890 erhielt Pfarrer Bettinger den Ehrentitel „Königlicher Geistlicher Rat“. Infolge seiner hohen Fähigkeiten und seines allgemeinen Ansehens als Schulinspektor brachte ihn der Frankenthaler Bezirksamtmann Geib (Landrat) gegenüber Prinzregent Luitpold für eine Stelle als Domkapitular ins Gespräch. Die Ernennung erfolgte am 21. Mai 1895 und Franz Bettinger übersiedelte von Roxheim nach Speyer, wo ihn alsbald das Domkapitel auch zum Dom- und Stadtpfarrer erwählte. Besonders im Schul- und Bauwesen erwarb er sich bleibende Verdienste um die Bischofsstadt, vor allem durch den Bau des Vincentiuskrankenhauses und der Planung der St. Josephskirche. Stark engagiert war der Dompfarrer auch in der Jugend-, in der Arbeiterseelsorge, im christlichen Gewerkschaftsbund u. im kirchlichen Vereinswesen. Eine gewichtige Rolle spielte Bettinger nicht zuletzt in der Zentrumspartei. Der Sozialdemokrat Friedrich Profit nannte ihn später einmal den „Sprecher des pfälzischen Zentrums“. Als Kind armer Leute blieb er zeitlebens sehr sensibel für die Nöte u. Sorgen der Arbeiter. Dieses besondere Verständnis war wohl mit ursächlich dafür, daß er sich nicht scheute, Kontakte zur SPD anzubahnen, um mit ihr gemeinsam die Vormachtstellung der Nationalliberalen Partei zu brechen, die einerseits die Interessen der vermögenden Großindustriellen und Großagrarier vertrat andererseits aber auch weitgehend katholikenfeindlich war. Pfarrer Bettinger organisierte 1899 geheime Treffen der pfälzischen Zentrums- und SPD-Spitzenfunktionäre im Speyerer Dompfarramt u. fädelte den sogenannten „Pfälzer Kompromiss“ ein, jenes legendäre Bündnis der beiden Parteien, das der Nationalliberalen Partei in der folgenden Landtagswahl eine herbe Schlappe zufügte u. eine Periode zehnjähriger gegenseitiger Wahlunterstützung einleitete. Wider Erwarten zogen für die katholische Zentrumspartei der Deidesheimer Bürgermeister Julius Siben (Bettingers Klassenkamerad), sowie der Speyerer Domkapitular Sigmund Zimmern, für die SPD Joseph Huber und der sogenannte „Pfalzgraf“ Franz Josef Ehrhart aus dem südpfälzischen Eschbach, in den bayerischen Landtag ein.

Anfang 1909 avancierte Franz Bettinger zum Speyerer Domdekan. Kaum war er in sein neues Amt eingeführt schlug ihn Prinzregent Luitpold, auf Anraten von Kultusminister Dr. Wehner, gegenüber dem Hl. Stuhl als Wunschkandidaten für den verwaisten Erzbischofssitz von München-Freising vor. Der ahnungslose Domdekan Bettinger wurde von dem Minister zu einer Besprechung nach Stuttgart – etwa auf halber Strecke zwischen München und Speyer – gebeten. Dort eröffnete man ihm das Ansinnen der bayerischen Staatsregierung. Sein Sekretär, Graf Konrad von Preysing (der spätere Kardinal), berichtet darüber in seinen Erinnerungen:

Längerer Überredung hatte es seitens des Kultusministers von Wehner bedurft, um den Nichtsahnenden zur Annahme des erzbischöflichen Sitzes von München und Freising zu bewegen; nur die Äußerung des Ministers, er habe seinerseits alles getan, was ihm das Wohl von Kirche und Staat zu raten scheine – bleibe Bettinger bei seiner Weigerung, so falle auf ihn die Verantwortung für eine ungünstige Lösung der Münchner Erzbischofsfrage – vermochte seinen Widerstand zu überwinden

Konrad von Preysing

Grab der Mutter, Friedhof Roxheim. Der Kardinal ließ diesen Grabstein fertigen, besuchte die Grabstätte öfter und alle Speyerer Bischöfe beteten stets davor, wenn sie zur Firmung in den Ort kamen. Die alte Tradition wurde nach längerer Unterbrechung, im Jahre 2006, von Weihbischof Otto Georgens wieder aufgenommen.

In Übereinstimmung mit Papst Pius X. ernannte Prinzregent Luitpold den Speyerer Domherrn daraufhin, am 23. Mai 1909, zum Erzbischof von München und Freising.

Die letzte Feierlichkeit an der Franziskus Bettinger vor seiner Übersiedlung nach München noch in der Heimat teilnahm, waren die Priesterweihen im Speyerer Dom, am 1. August 1909. Dr. Jakob Bisson schildert 1956 in seinem Buch „7 Speyerer Bischöfe u. ihre Zeit“ eine köstliche Begebenheit, die er dabei selbst erlebte. Als der Speyerer Bischof Konrad von Busch bereits vorübergezogen war, folgte ihm das Domkapitel mit Domdekan Bettinger – zwar schon zum Erzbischof ernannt, aber noch nicht konsekriert. Als die hünenhafte Gestalt Bettingers sichtbar wurde, hörte Jakob Bisson neben sich einen Mann in breitestem Pfälzisch zu seinem Sprößling sagen: „Der wo jetzt kummt, is höcher wie de Bischof!“ Am 5. August nahm Bettinger Abschied von Speyer; an den beiden folgenden Tagen besuchte er seine Heimatstadt Landstuhl u. seine frühere Pfarrei Roxheim mit dem Grab seiner Mutter. Den Sonntag verbrachte er zusammen mit Bischof Konrad von Busch, bevor er tags darauf, am 9. August, nach dem bayerischen Nationalheiligtum Altötting abreiste, um sich dort für eine kurze Zeitspanne zurückzuziehen.

Kardinal-Erzbischof von München

Am 15. August 1909 (Hochfest Maria Himmelfahrt) empfing Franziskus Bettinger im Liebfrauendom zu München die Bischofsweihe durch den Apostolischen Nuntius Msgr. Andreas Frühwirt, unter Assistenz der Bischöfe von Augsburg, Dr. Maximilian von Lingg und von Passau, Freiherr Sigismund von Ow. Zu seinem bischöflichen Wahlspruch erklärte er das Motto: „Pax in Virtute“ („Kraftvoll im Frieden“). In München machte in jenen Tagen der Scherz die Runde, die höchsten Autoritäten in der Stadt stammten nunmehr alle aus der Pfalz – Oberbürgermeister Dr. Wilhelm Ritter von Borscht aus Speyer, der Erzbischof aus Landstuhl und der Prinzregent aus Zweibrücken (als Abkömmling des wittelsbachischen Familienzweiges Pfalz-Zweibrücken). Bettinger wurde zum „Reichsrat der Krone Bayerns“ (d.h. zum Mitglied der 2. bayerischen Parlamentskammer) ernannt u. erhielt 1910 den hohen Orden der Bayerischen Krone, verbunden mit dem persönlichen Adelstitel; der Papst zeichnete ihn am 8. Dezember 1911 mit dem Pallium aus. 1912 bettete der Metropolit den fast 92-jährigen Prinzregenten Luitpold zur letzten Ruhe, am 12. November 1913 geleitete er dessen Sohn, Prinz Ludwig, als Ludwig III., feierlich in sein Königsamt (eine Krönung gab es in Bayern nicht, da die Krone nur Symbol war). Am 25. Mai 1914, kurz vor Ausbruch des I. Weltkriegs, ernannte Papst Pius X. den Münchner Oberhirten zum ersten Kardinal in der Geschichte des Erzbistums (Kardinalpriester mit der Titelkirche San Marcello). Schon 4 Monate später nahm Franziskus von Bettinger in dieser Eigenschaft am Konklave teil, das am 3. September 1914 Giacomo della Chiesa, der mit ihm zusammen Kardinal geworden war und im Konklave neben ihm saß, als Benedikt XV. zum Papst wählte. Es wird überliefert, dass Benedikt XV. sein Amt erst annahm, nachdem ihm der befreundete Bettinger Mut zugesprochen hatte.

Frontbesuch 1916. Rechts vom Kardinal, mit hellem Mantel in die Kamera blickend, der Sekretär Konrad von Preysing; links hinter diesem, nur mit Kopf zu sehen, der andere Sekretär Michael Buchberger.

Die rasche Bevölkerungsentwicklung der bayerischen Landeshauptstadt erforderte die Schaffung neuer Pfarreien und den Bau zusätzlicher Kirchen. Der Erzbischof, in einer Handwerkerfamilie aufgewachsen, kümmerte sich rastlos um viele Details, was ihm auch den Beinamen „Kardinal mit dem Zollstock“ eintrug. Mit Ausbruch des Weltkrieges übernahm er überdies das Amt des „Bayerischen Feldpropstes“, des höchsten bayerischen Feldgeistlichen. Auch diese weitere Aufgabe versuchte er gewissenhaft zu erfüllen. Trotzdem Bettinger seit 1912 um eine ernsthafte Herzerkrankung wußte, begab er sich im Herbst 1916 zu einem strapaziösen Besuch der bayerischen Truppen an der Westfront. Er wollte die ihm anvertrauten Soldaten in ihrer Not nicht allein lassen, sondern sie durch sein persönliches Erscheinen ermutigen u. trösten. Über diese Front-Seelsorgefahrt des Kardinals erschien später unter dem Buchtitel „Im Purpur bei den Feldgrauen“, der Erlebnisbericht seines ihn begleitenden Sekretärs Dr. Michael Buchberger (nachmals Bischof von Regensburg). In der Liller Kriegszeitung stand über ihn folgendes: „Möge (den Soldaten) diese tiefe Glaubenstreue und Glaubenstiefe (des Kardinals) Kraft und Trost geben in den schweren Stunden.“ Erzbischof Bettingers letzter Hirtenbrief würdigt die Einführung des Festes „Patrona Bavariae“ – „Maria Schutzfrau Bayerns“, auf Antrag von König Ludwig III..

Kardinal Bettinger, Sterbebildchen, 1917

Tod und Erinnerung

Kardinal-Erzbischof Dr. Franziskus von Bettinger starb am 12. April 1917, in seinem Münchner Palais, am plötzlichen Herztod. Er hatte in der Frühe die Hl. Messe gelesen, machte dann einen Besuch bei dem todkranken Apostolischen Nuntius Msgr. Giuseppe Aversa, von wo er sichtlich erschüttert zurückgekehrt sei. Um 10 Uhr gab er noch eine Audienz. Gegen 11 Uhr fand der Hausdiener den Kardinal regungslos vor seinem Lehnstuhl auf dem Boden liegen. Der schnell herbeigerufene Sekretär Graf von Preysing (der spätere Kardinal-Bischof von Berlin) erteilte ihm rasch die letzte Ölung und ein inzwischen erschienener Arzt konnte nur noch den schon eingetretenen Tod feststellen. Sein Nachfolger wurde der damalige Speyerer Bischof Dr. Michael von Faulhaber.

Kardinal Bettinger, aufgebahrt, 1917

An der Beisetzung Kardinal von Bettingers im Münchner Liebfrauendom, nahm außer einer Abordnung des Speyerer Domkapitels auch der aus Lambsheim stammende Priester Franz-Joseph Gebhardt (1869-1945) teil, der es sich nicht nehmen ließ, seinem alten Dorfpfarrer die letzte Ehre zu erweisen. Er sollte 1918 Bettingers Nachfolger als Domkapitular und Speyerer Dompfarrer, 1933 als Domdekan werden.

Kardinal Bettinger auf dem Sterbebett, 1917

Der bereits mehrfach genannte Konrad von Preysing, langjähriger Sekretär des Erzbischofs, später namhafter Gegner des NS-Regimes und Kardinal-Bischof von Berlin, veröffentlichte 1918 das Gedenkbuch „Kardinal Bettinger nach persönlicher Erinnerung“. Darin gibt er über ihn die treffende Kurzcharakteristik ab, die seinem gesamtem Wirken zu Grunde liegt:„Kardinal Bettinger hat seine eigene Person im Dienste seiner Herde vergessen.“

Im Liebfrauendom zu München, der auch Bettingers Grab birgt, steht links vom Hauptportal seine eindrucksvolle Marmorstatue mit Kardinalshut; im II. Weltkrieg stark beschädigt, aber wieder restauriert. Die Gemeinde Landstuhl errichtete 1966 an der Stelle wo das Geburtshaus ihres großen Sohnes stand (Schulhof der Grundschule), eine Bronze-Gedenktafel mit seinem Bild. Auch Bobenheim-Roxheim gedachte seines berühmt gewordenen Pfarrers, indem es eine Straße nach ihm benannte.

Pater Prior Justin Bettinger OFMCap., Neffe des Kardinals.

Nach Angaben des Speyerer Diözesanpriesters Pfarrer Mathias Köller (Lauterecken) bewahren Verwandte des Erzbischofs, in St. Ingbert, noch verschiedene persönliche Erinnerungsstücke von ihm auf, u.a. sein Bischofskreuz und sein purpurnes Kardinals-Zingulum (schärpenartiger Seidengürtel), die sie gleich kostbaren Reliquien hüten.

Kardinal Bettingers Neffe, Pater Justin Bettinger OFMCap. (1887-1947), erhielt von ihm die Priesterweihe am 14. Juli 1913 in München. Er war Prior im Kapuzinerorden, zuletzt in Blieskastel.

Erzbischof Bettinger; zeitgenössische Medaille als Erinnerungsgeschenk zur Firmung.

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