Fraternisierungsverbot

Fraternisierungsverbot
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Als Fraternisierung (von lateinisch frater: „Bruder“) bezeichnet man im Kontext von Krieg und Besatzung die Verbrüderung von Soldaten untereinander oder zwischen Besatzungssoldaten und der einheimischen Bevölkerung. Oft ist die Fraternisierung den Soldaten durch die militärische Führung verboten.

Inhaltsverzeichnis

Fraternisierungsverbot

Als Fraternisierungsverbot bezeichnet man das Dekret der westlichen Alliierten, dass ihre Truppen keinen gesellschaftlichen Umgang mit der deutschen Bevölkerung pflegen durften. Das Verbot währte von Herbst 1944 bis zum 1. Oktober 1945. Diese Besatzungspolitik war Teil der US-amerikanische Direktive JCS 1067, die zwei Jahre später durch eine Richtlinie der Umerziehung der deutschen Bevölkerung zu einem demokratischen Mitglied der Völkergemeinschaft und westlichem Bündnispartner ersetzt wurde.

In dem Ausbildungsfilm No Fraternisation der US Army aus dem Jahr 1945 lauten die Warnungen und Ermahnungen:

„Deutschland scheint geschlagen. Du siehst Ruinen, du siehst Blumen, du siehst schöne Landschaften. Lass dich nicht verwirren; du bist in Feindesland. Sei auf der Hut, sei misstrauisch; jeder Deutsche kann eine Gefahr sein. Es darf keine Fraternisierung geben. Fraternisierung heißt: sich Freunde machen, aber die Deutschen sind nicht unsere Freunde. Sie können nicht kommen und ihre Hand ausstrecken und sagen: Es tut uns leid. Es tut ihnen nicht leid, dass sie den Krieg verursacht, sondern dass sie ihn verloren haben.“

Im Herbst 1944 betraten erstmals alliierte Verbände deutschen Boden: Aachen wurde erobert und der weitere Vormarsch war nur eine Frage der Zeit. Aus mehreren Gründen erwog deshalb die alliierte Truppenleitung das Verbot des Umgangs mit der deutschen Bevölkerung:

  1. Widerstand: Man befürchtete deutsche Sabotageakte oder Untergrundbewegungen, nachdem Joseph Goebbels über einen Rundfunkappell noch am 1. April 1945 die von Heinrich Himmler aufgestellte nationalsozialistische Freischärler-Bewegung Werwolf zum Widerstand in den bereits von alliierten Truppen besetzten deutschen Gebieten aufgerufen hatte.
  2. Kriegsschuld: Durch das öffentliche Zeigen der Ignoranz sollte den Deutschen deutlich werden, dass sie alle am Krieg und seinen Verbrechen Schuld hätten, und nicht nur das Militär oder das NS-Regime.
  3. Heimat: Man wollte in den eigenen Ländern die Vorstellung vermeiden, dass man Deutsche nach all den Kriegsgräueln wie Freunde behandelte.

In den ersten Monaten nach Kriegsende wurde dieser Befehl, zumindest von der amerikanischen Militärpolizei, durch häufige Razzien in denjenigen Lokalen, die mit dem Hinweis „off limits“ gekennzeichnet waren, rigoros durchgesetzt; oft unter brutalem Einsatz ihrer Schlagstöcke. Die Angst der Alliierten vor dem durch die Nazis kurz vor dem Zusammenbruch propagierten bewaffneten Widerstand stellte sich jedoch nach kurzer Zeit als unbegründet heraus. Allmählich merkten die alliierten Soldaten, dass von den Deutschen kaum Gefahr ausging. Somit wurde das Fraternisierungsverbot inoffiziell immer mehr gelockert, bis es schließlich am 1. Oktober 1945[1], am Anfang der Besatzungszeit, endgültig aufgehoben wurde.

Bis zum Jahre 1949 kam es allein im deutsch-amerikanischen Besatzungsgebiet bereits zu geschätzten 33.000 Eheschließungen zwischen amerikanischen GIs und deutschen Frauen.[2]

Literatur

  • John D. Montgomery: Aftermath: Tarnished Outcomes of American Foreign Policy., Aubern House, Dover(MA) 1986, ISBN 978-0-86569-126-1 (engl.)
  • Eiji Takemae, Robert Ricketts (Übers.), Sebastian Swann (Übers.): The Allied Occupation of Japan. Continuum International Publishing Group, London 2003, ISBN 978-0-8264-1521-9 (engl. Neuauflage)

Einzelnachweise

  1. SPIEGEL online:Fraternisierungsverbot aufgehoben
  2. Symposionsdokumentation zum Jahrestag der Stuttgarter Rede des US-amerikanischen Aussenministers James F. Byrnes am 6. August 1946, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

siehe auch

Weblinks


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