Fremdbestimmtheit

Fremdbestimmtheit

Heteronomie ist im Gegensatz zur Autonomie die Fremdgesetzlichkeit bzw. -bestimmtheit und bedeutet die Abhängigkeit von fremden Einflüssen bzw. vom Willen anderer.

Inhaltsverzeichnis

Philosophie

Seit Immanuel Kant wird der Begriff "Heteronomie" als Gegenbegriff zur Autonomie im Sinne der Willensfreiheit gebraucht. Aber schon bei ihm ist Heteronomie nicht gleichbedeutend mit uneingeschränkter Fremdbestimmung, die keine Eigenverantwortung mehr kennen würde. Heteronomie kann auch selbst gewählt werden.

Biologie

In der Biologie wird die Heteronomie-Diskussion vor allem in der Evolutionstheorie geführt (Determinismus).

Psychologie

In der Psychologie wird das Thema der Heteronomie als Abhängigkeitsverhältnis zu Personen oder von Krankheiten diskutiert, aufgrund dessen ein Mensch nicht mehr freien Willens entscheiden kann. Seit kurzer Zeit wird vor allem von den Vertretern der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung die Ansicht vertreten, dass ebenfalls andere Faktoren wie z. B. Vorurteile, bauliche Gegebenheiten oder gesellschaftlichen Konventionen zu solchen beschränkenden Abhängigkeitsverhältnissen führen können.

Pädagogik

In der Pädagogik bildet bei Autoren wie Jean Piaget und Lawrence Kohlberg die Heteronomie ("Regeln sind heilig") gemeinsam mit der Autonomie von den jeweiligen Entwicklungsbedingungen abhängige bereichsspezifische Entwicklungsstände im moralischen Urteil.

Soziologie

Max Weber zum Beispiel behandelt das Thema Heteronomie im Kontext seiner Studien zur mittelalterlichen Stadt des Okzidents, in der er eine Entwicklung von der Heteronomie zur Autonomie beobachtet. Die Kriterien für die autonome im Unterschied zur heteronomen Stadt sind ihr Anstaltscharakter, die Gemeindeautonomie, die Form der Rechtsgenossenschaft mit einem rationalen, gesatzten öffentlichen und subjektiven Recht, beginnenden demokratischen Strukturen, die ökonomische Ausrichtung des Bürgers an Marktchancen und die Anfänge eines modernen Proletariats. Dazu kommen die Durchbrechung traditionaler Bindungen und eine scharfe Trennung von Stadt und Land. In diesem Sinne ist die vorherige heteronome Stadt von den gegenteiligen Kriterien geprägt. Die stadtsoziologischen Beobachtungen Max Webers lassen sich analog auch auf andere natürliche, soziologische und juristische Personen und Gruppen übertragen.

Politikwissenschaft

In der Politikwissenschaft wird der Begriff vor allem in Bezug auf die Souveränität eines Staates oder politischen Verbandes verwendet. Dort wo die Verfassungsordnung eines Staates bzw. Verbandes von außen gesatzt wird, ist diese heteronom. Umgekehrt ist aber gerade der Staat eine Institution, gegenüber der die einzelne Person oder darin organisierte Gruppen heteronom sind. Dabei sind dann Staatsabsolutismus und Anarchie die korrespondierenden Extreme des Verhältnisses von Heteronomie und Autonomie.

Jura

In der Rechtswissenschaft spricht man in Bezug auf Körperschaften von Heteronomie, wenn diese sich z. B. durch rechtliche Regelungen nach anderen Akteuren richten müssen (beispielsweise werden bei einem heterokephalen Verband Leiter und Verbandsstab durch Außenstehende bestellt).

Auch spricht man beim Rücktritt vom Versuch einer Straftat (§ 24 StGB) im Rahmen der Freiwilligkeit von heteronomen Gründen, die im Gegensatz zu den autonomen Gründen stehen. Diese bezeichnen die Beweggründe, die den Täter zur Aufgabe der weiteren Tatbestandsverwirklichung veranlassen. Heteronome Gründe sind Gründe außerhalb der Willenssphäre des Täters, beispielsweise die heraufziehende Gefahr der Entdeckung der Straftat durch die Polizei. Im Gegensatz dazu stehen die autonomen Gründe, wenn die Entscheidung zum Rücktritt also nicht durch zwingende, äußerliche Hinderungsgründe veranlasst wird, sondern auf einer freiwilligen Entscheidung des Täters beruht, beispielsweise wenn den Täter seine Tat reut. Freilich sind die Einzelheiten der Abgrenzung in der Literatur stark umstritten.

Quelle: Wessels / Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, 34. Auflage, Heidelberg 2005.

Theologie

In der Theologie wird zwischen der Heteronomie als unfreiwilliger Willensabhängigkeit (Tyrannei), Heteronomie als freiwilliger Willensgehorsam gegenüber natürlichen Autoritäten und der Heteronomie als Willensgehorsam gegenüber Gott (Theonomie) unterschieden. In diesem Sinne ist die natürliche Heteronomie und die Theonomie die Bedingung der Möglichkeit von Autonomie.

Nach Roger Lenaers bezeichnet Heteronomie bzw. heteronomes Denken die Vorstellungen und die Gedankenwelt traditioneller Religionen, nach denen es eine Parallelwelt außerhalb der für Menschen direkt wahrnehmbaren gibt. In ihr leben leben Gott, Götter, Heilige, Engel und andere himmlische Wesen. Diese heteronome Welt wird als real gedacht und ähnelt (durch Projektion) in vieler Hinsicht der real wahrnehmbaren Welt. Die heteronome Welt beeinflusst die reale in vielfältiger Weise. Diese Sicht sei mit zunehmender Aufklärung überholt.

Das Gegenstück zum heteronomen Denken ist bei Roger Lenaers das autonome Denken bzw. die Autonomie, nach der es ausschließlich die naturwissenschaftlich wahrnehmbare Welt gibt. Als modernen Kompromiss sieht er das theonome Denken bzw. die Theonomie. Darunter ist eine Weltsicht zu verstehen, die einerseits vollständig dem naturwissenschaftlichen Weltbild entspricht, andererseits alles Wahrnehmbare gleichzeitig als Selbstoffenbarung Gottes ansieht.

Alternativbegriff: Allonomie

Romano Guardini, der selbst kein dialektisches Verhältnis, sondern eine polare Spannungseinheit zwischen Autonomie und Heteronomie gegeben sieht, hat aufgrund der abschätzigen Wertung des Begriffs Heteronomie für die natürliche Heteronomie den aus dem französischen Wort für "fremd" abgeleiteten Begriff Allonomie eingeführt.

Literatur

  • Frankfurter Arbeitskreis für politische Theorie & Philosophie (Hrsg.): Autonomie und Heteronomie der Politik. Politisches Denken zwischen Post-Marxismus und Poststrukturalismus, Transcript-Verlag, Bielefeld 2004, ISBN 3-89942-262-7
  • Roger Lenaers: Der Traum des Königs Nebukadnezar. Das Ende einer mittelalterlichen Kirche. copy-us Verlags GmbH, Kleve 2005, ISBN 3-935861-15-X

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