Staatshoheit

Staatshoheit

Der Begriff Souveränität (v. frz.: souveraineté, aus lat.: superanus, „darüber befindlich“, „überlegen“) bezeichnet in der Rechtswissenschaft die Fähigkeit einer natürlichen oder juristischen Person zu ausschließlicher rechtlicher Selbstbestimmung. Diese Selbstbestimmungsfähigkeit wird durch Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Rechtssubjektes gekennzeichnet und grenzt sich so vom Zustand der Fremdbestimmung ab. Geprägt wurde der Begriff im 16. Jahrhundert durch die Absolutismuslehre des französischen Staatsphilosophen Jean Bodin.

Inhaltsverzeichnis

Souveränität nach Bodin

Jean Bodin verstand unter Souveränität die höchste Letztentscheidungsbefugnis im Staat. Gemäß Bodins Konzeption der absolutistischen Herrschaft sollte diese Befugnis stets nur der Person des Königs zukommen, prinzipiell unteilbar sein und es dem Herrscher ermöglichen, Recht auch gegen den Willen der Untertanen verbindlich setzen zu können. Bodins Forderung nach einer höchsten und letztverantwortlichen Herrschergewalt stand in direktem Zusammenhang mit den konfessionellen Bürgerkriegen in Frankreich, durch die Bodin die Fähigkeit des Staates zu friedlicher Konfliktbewältigung gefährdet sah.

Souveränität im Völkerrecht

Im Völkerrecht wird Souveränität als die grundsätzliche Unabhängigkeit eines Staates von anderen Staaten (Souveränität nach außen) und als dessen Selbstbestimmtheit in Fragen der eigenen staatlichen Gestaltung (Souveränität nach innen) verstanden. Die äußere Souveränität eines Staates besteht somit in seiner Völkerrechtsunmittelbarkeit, während seine innere Souveränität umgekehrt durch die Fähigkeit zu staatlicher Selbstorganisation bestimmt wird.

In der modernen Staatenwelt ist die ursprünglich von Bodin mit Souveränität gemeinte Idee von der völligen Unabhängigkeit des Staates, über seine inneren und äußeren Belange zu bestimmen, an ihre Grenzen gestoßen. Die äußere Souveränität der Staaten im klassischen Sinn wurde durch den stetig wachsenden Einfluss des internationalen Systems von zwischenstaatlichen und supranationalen Organisationen sowie durch die vergrößerte politische und wirtschaftliche Interdependenz der Staaten immer mehr geschwächt. Im selben Zuge erhielten die Staaten die Möglichkeit, mit gleichrangigen Staaten die internationale Politik zu gestalten. Dabei haben sie Teile ihrer Herrschaftsmacht an supranationale Organisationen wie die Europäische Gemeinschaft oder EURATOM delegiert. Ihre Souveränität wurde dadurch zwar begrenzt, aber nicht aufgehoben. Diese Beschränkung der Souveränität dehnt sich sogar auf Nichtmitglieder der EU aus: Die Schweiz besitzt als Nichtmitglied theoretisch noch immer die Möglichkeit, ihr Recht unabhängig von der EU zu gestalten. In der Praxis wird der Gesetzgeber jedoch aus wirtschaftlichen und handelspolitischen Gründen oft dazu gezwungen, seine Rechtsetzung derjenigen der Europäischen Union anzugleichen. In diesem Zusammenhang spricht man in der Schweiz vom „Autonomen Nachvollzug“.

Insbesondere außerhalb der global vernetzten Zentren des Nordens gerät die absolute Interpretation von Souveränität immer mehr unter Druck. Während die Zwänge des Welthandelssystems und die Konditionalitäten der Bretton-Woods-Institutionen, aber auch der Entwicklungszusammenarbeit noch durch den betroffenen Staat akzeptiert werden müssen, verletzen internationale Interventionen gegen den Willen des Staates dessen Souveränität direkt. Im internationalen Diskurs um Responsibility to Protect wird daher seit einiger Zeit versucht, Souveränität neu zu definieren: nicht mehr als absolutes Abwehrrecht eines Staates, sondern als Verpflichtung, für den Schutz seiner Bürger zu sorgen. Komme er dieser Verpflichtung nicht nach, gehe die Verantwortung auf die internationale Staatengemeinschaft über. Das Konzept der Schutzverantwortung wurde von 150 UN-Mitgliedstaaten im Schlussdokument der UN-Vollversammlung 2005 akzeptiert und gilt als sich entwickelndes internationales Recht.

Einen wichtigen Streitpunkt in der Rechtswissenschaft bildet hier die Unterscheidung in äußere und innere Souveränität des Staates an sich: Während diese von einem Großteil der Rechtswissenschaftler als notwendig erachtet wird, gehen die Vertreter der monistischen Rechtslehre von der prinzipiellen Einheit der Staatssouveränität aus.

Das Gegenstück zur staatlichen Souveränität im völkerrechtlichen Sinne ist die frühneuzeitliche Rechtsfigur der Suzeränität.

Siehe auch: Autonomie

Souveränität im Staatsrecht

Der Begriff Souveränität, deutsch auch „Staatshoheit“, wird im innerstaatlichen Recht und in der politischen Theorie verwendet, um die oberste Kompetenz zur Machtausübung im Inneren eines Staates zu bezeichnen. Staatshoheit heißt also „Staatsgewalt innehalten“.

In Staaten, in denen diese Kompetenz nur einer einzigen Person zukommt, wird von einem Souverän gesprochen, während in demokratischen Staatsformen von der Volkssouveränität die Rede ist. Diese bezieht sich in aller erster Linie auf die Eigenschaft des Volkes als verfassunggebende Gewalt, vermittels derer das Volk über die Staatsform und über andere Staatsgrundsätze bestimmt. Zudem muss die Staatsgewalt nach dem Prinzip der Volkssouveränität durch das Volk in Wahlen und Abstimmungen legitimiert werden; alle Staatsgewalt muss vom Volk ausgehen (Volkssouveränität zum Beispiel in Deutschland: Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG, in Österreich: BVG Art. 1).

Der Begriff der Souveränität ist im staatsrechtlichen Sinne vor allem bei der Definition des Staatsbegriffes unklar: In der „klassischen“ Drei-Elemente-Lehre Georg Jellineks wird die Souveränität lediglich als Eigenschaft der Staatsgewalt verstanden, die in einem Staat nicht zwingend vorliegen muss. Vor allem in der Völkerrechtspraxis, wie etwa in der Konvention von Montevideo aus dem Jahr 1933, kann die Souveränität der Staatsgewalt jedoch zum zwingenden Definitionsmerkmal der Staatlichkeit werden.

Siehe auch: Georg Jellinek

Souveränität und Föderalismus

Da auf einem bestimmten Gebiet und über ein bestimmtes Volk immer nur ein Gemeinwesen souverän sein kann, dient der Begriff der Souveränität auch zur Unterscheidung von Bundesstaaten und Staatenbünden: Bei Staatenbünden liegt die staatliche Souveränität immer noch bei den einzelnen Staaten. Bei der Gründung eines föderalen Gesamtstaates hingegen geben die nachmaligen Gliedstaaten – wie etwa in Deutschland und Österreich die Länder/Bundesländer, in der Schweiz die Kantone oder in den USA die Bundesstaaten (states) – ihre Souveränität teilweise an den Bund ab. Dies äußert sich insbesondere dadurch, dass im Bundesstaat der Bund die sogenannte Kompetenz-Kompetenz (oder auch Kompetenzhoheit) besitzt. Diese ermöglicht es ihm, die Kompetenzen zur Wahrnehmung neuer Staatsaufgaben aus seiner eigenen Machtfülle heraus an sich zu binden. Die Gliedstaaten können die Erfüllung von Staatsaufgaben nur in dem Maße selbst leisten, wie ihnen die dafür nötigen Kompetenzen vom Bund zugestanden werden. In Staatenbünden hingegen entscheiden die einzelnen Staaten, ob sie dem Bund Kompetenzen überlassen wollen.

Nichtsdestoweniger ist das Verhältnis der Souveränität zum Föderalismus von begrifflichen Spannungen geprägt: Die Souveränität als Letztentscheidungsbefugnis der Staatsgewalt wurde von Jean Bodin ausschließlich für einen vollkommen zentral organisierten Staat konzipiert und könnte dem Dualismus von Entscheidungszentren, der den Föderalismus kennzeichnet, begrifflich widersprechen.

Souveränität als menschliche Eigenschaft

Ein Zustand von Eigenständigkeit und Selbstbestimmtheit, im Gegensatz zur Fremdbestimmtheit.

Siehe auch


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Staatshoheit — (Souveränität), die dem Staate zukommende Unabhängigkeit; s. im übrigen die Artikel »Souverän«, »Staat« und »Oberhoheit« …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Staatshoheit — Staatshoheit, s.v.w. Staatsgewalt (s. Staat) oder die in ihr enthaltenen Herrschaftsrechte (s. Regal); je nach dem Inhalt und der Richtung der letztern bezeichnet man die S. als Gebiets , Militär , Gerichts , Finanz etc. Hoheit …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Staatshoheit — höchste Staatsgewalt; Oberherrschaft * * * Staats|ho|heit 〈f. 20; unz.〉 = Staatsgewalt * * * Staats|ho|heit, die <o. Pl.>: ↑Hoheit (1) eines Staates …   Universal-Lexikon

  • Staatshoheit — Staats|ho|heit, die; …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Hermann Mosler — (* 26. Dezember 1912 in Hennef; † 4. Dezember 2001 in Heidelberg) war einer der bekanntesten deutschen Völkerrechtler der Nachkriegszeit. Von 1954 bis 1980 war er Direktor des Max Planck Instituts für ausländisches öffentliches Recht und… …   Deutsch Wikipedia

  • Nationale Unabhängigkeit — Der Begriff Souveränität (v. frz.: souveraineté, aus lat.: superanus, „darüber befindlich“, „überlegen“) bezeichnet in der Rechtswissenschaft die Fähigkeit einer natürlichen oder juristischen Person zu ausschließlicher rechtlicher… …   Deutsch Wikipedia

  • Souveränität — Unter dem Begriff Souveränität (frz. souveraineté, aus lat. superanus, „darüber befindlich, überlegen“) versteht man in der Rechtswissenschaft die Fähigkeit einer natürlichen oder juristischen Person zu ausschließlicher rechtlicher… …   Deutsch Wikipedia

  • Souveränitätsprinzip — Der Begriff Souveränität (v. frz.: souveraineté, aus lat.: superanus, „darüber befindlich“, „überlegen“) bezeichnet in der Rechtswissenschaft die Fähigkeit einer natürlichen oder juristischen Person zu ausschließlicher rechtlicher… …   Deutsch Wikipedia

  • Staatliche Gewalt — Staatsgewalt bezeichnet die Ausübung hoheitlicher Macht innerhalb des Staatsgebietes eines Staates durch dessen Organe und Institutionen wie z. B. Staatsoberhaupt und Regierung (Verwaltung, Beamte, Polizei, Armee), Parlament und Gerichte in Form… …   Deutsch Wikipedia

  • Staatliche Souveränität — Der Begriff Souveränität (v. frz.: souveraineté, aus lat.: superanus, „darüber befindlich“, „überlegen“) bezeichnet in der Rechtswissenschaft die Fähigkeit einer natürlichen oder juristischen Person zu ausschließlicher rechtlicher… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”