Freuden des jungen Werthers

Freuden des jungen Werthers
Titelseite der Erstausgabe, 1755

Freuden des jungen Werthers ist der Titel einer 1775 erschienenen Erzählung von Friedrich Nicolai und gehört zu den sogenannten Wertheriaden. Sie ist eine Parodie auf „Die Leiden des jungen Werthers“ von Johann Wolfgang von Goethe, die gegen die sich im Zuge von Goethes Erfolgsroman ausbreitende Schwärmerei für den Selbstmord, den später so genannten Werther-Effekt, gerichtet war.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Die Erzählung beginnt mit einem Gespräch zwischen Martin, einem Mann von zweiundvierzig Jahren, und Hanns, einem Jüngling von einundzwanzig Jahren. Hanns soll die Art von Leser darstellen, die im Werther eine Rechtfertigung des Selbstmords findet, während Martin das Geschehen anders beurteilt und darin den Selbstmord nicht gerechtfertigt sieht: „Schau, Hanns, dazu hat, wenn ich's recht sehe, der Autor die ‹Leiden des jungen Werthers› nicht geschrieben, dir und deinesgleichen nicht.“ Hanns ist aber trotzdem der Meinung, Werther könne nicht anders handeln. Da beginnt Martin die Geschichte anders weiter zu erzählen.

Die Handlung knüpft an der Stelle an, an der Werther Albert um die Pistolen bittet. Bevor dieser aber Werther die Pistolen gibt, spricht er erst nochmal mit Lotte und sagt ihr, dass er der „wechselseitigen Liebe“ von ihr und Werther nicht entgegenstellen will, was Lotte zunächst jedoch nicht ernstnimmt. Anschließend gibt Albert Werther die Pistolen. Nachdem er die Nachricht von Werthers Selbstmord (bzw. den Versuch dazu) erhält, besucht Albert Werther auf dem „Sterbebett“ und sagt ihm, dass er Lotte abtreten wolle. Werther denkt, Albert wolle ihn nur kurz, bevor er stirbt, noch ärgern, aber Albert gesteht ihm, dass er, die Absicht hinter Werthers Bitte vorausahnend, die Pistole nur mit Hühnerblut geladen hatte; darauf steht Werther gleich voller Freude auf. Werther beginnt jetzt mit Lotte eine Beziehung und sie vermählen sich schließlich. Albert zieht sich erstmal von den beiden zurück.

Hier beginnt ein neues Kapitel mit dem Titel: „Leiden Werthers des Mannes“. Hier wird berichtet, dass Lotte ein Kind von Werther bekommt, dieses aber nicht selber stillen kann; deshalb stellen Werther und Lotte eine Amme an. Nach kurzer Zeit schon stirbt das Kind. Aber es kommt noch schlimmer: Werther muss arbeiten gehen und verbringt deshalb bald wenig Zeit mit Lotte. Weil Lotte in ihrer Einsamkeit die Gesellschaft von mehr romantisch veranlagten Männern (wie Werther es selbst mal war) gesucht hat, trennen sie sich. Albert kehrt von seiner Reise aus Wien zurück und versöhnt die beiden wieder, indem er einzeln mit Lotte und Werther spricht und sie so ihre Gefühle zueinander wieder entdecken lässt.

Und damit beginnt das letzte Kapitel, die „Freuden Werthers des Mannes“. Werther und Lotte führen für längere Zeit einen sehr sparsamen Haushalt, bis sie sich endlich ein Haus kaufen können. Doch dann zieht ein verrückter und reicher Nachbar in die Nähe, der im Bemühen, sich einen Lustgarten zu erbauen, das Landgut von Lotte und Werther überschwemmt. Ohne sich davon verdrießen zu lassen, geht Werther zum Nachbarn und schlägt ihm vor, dass er ihm sein Haus verkaufen wolle. Der Nachbar nimmt dieses Angebot dankbar an, und Werther kann sich von dem Erlös sogar noch ein größeres Haus kaufen. Dort lebte er dann sehr glücklich mit Lotte.

Zuletzt erwähnt der Verfasser, was Werther gelernt hatte: „Erfahrung und kalte gelassne Überlegung, hat ihn gelehrt, ferner nicht das bisschen Übel, das das Schicksal ihm vorlegte, zu wiederkäuen, dagegen aber die Wonne, die Gott über ihn ausgoss, mit ganzem, innig dankbarem Herzen aufzunehmen.“ Und diese Worte sollte man auch bedenken, wenn man die Leiden des jungen Werthers liest.

Reaktionen

Die Reaktionen auf Nicolais Parodie waren unterschiedlich. Viele, besonders aus den Reihen der Aufklärer, lobten diese Version, während aus den Reihen der Stürmer und Dränger viele die beißend satirische Darstellung der Protagonisten, die eine deutliche Anspielung auf das Genre sind, kritisierten.

Die wohl heftigste Reaktion kam aber vom Verfasser des Originals, Johann Wolfgang von Goethe, selbst. Aufs äußerste verärgert über diese Verunglimpfung seines Romans, obwohl er sich in späteren Jahren deutlich davon distanzierte, begann er einen aufs Heftigste geführten literarischen Feldzug gegen Nicolai, der zeit seines Lebens anhalten sollte. Neben einzelnen Streitgedichten verfasste Goethe weitere schriftliche Angriffe, die zum Teil sehr offensichtlich waren, in den Xenien und 'widmete' Nicolai sogar einen kleinen Auftritt in seinem Faust als „Proktophantasmist“, eine Anspielung darauf, dass Nicolai an Phantasmen litt.

Als einer der bissigsten Kommentare Goethes zu Werthers Freuden gilt sein Gedicht Nicolai auf Werthers Grab, erschienen etwa 1775:

Ein junger Mensch ich weiß nicht wie,
Starb einst an der Hypochondrie
Und ward dann auch begraben.
Da kam ein schöner Geist herbei
Der hatte seinen Stuhlgang frei,
Wie ihn so Leute haben.
Der setzt sich nieder auf das Grab,
Und legt ein reinlich Häuflein ab,
Schaut mit Behagen seinen Dreck,
Geht wohl erathmend wieder weg,
Und spricht zu sich bedächtiglich:
„Der arme Mensch, er dauert mich
Wie hat er sich verdorben!
Hätt' er geschissen so wie ich,
Er wäre nicht gestorben!'' [1]

Literatur

  • Friedrich Nicolai: Freuden des jungen Werthers. Leiden und Freuden Werthers des Mannes. Voran und zuletzt ein Gespräch, Textausgabe mit Materialien, Klett, Stuttgart 1980, ISBN 3-12-353600-9

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Die Freuden des jungen Werthers — Freuden des jungen Werthers ist ein 1775 erschienenes Buch von Friedrich Nicolai. Das Buch „Freuden des jungen Werthers“ ist – wie man vielleicht aus dem Titel annehmen könnte – keine Parodie und also auch kein Angriff auf „Die Leiden des jungen… …   Deutsch Wikipedia

  • Die Leiden des jungen Werthers — Werther (Zeichnung von Chodowiecki) …   Deutsch Wikipedia

  • Die Leiden des jungen Werthers —   Der Briefroman Goethes, der diesen Titel trägt, erschien 1774. Er war aus Goethes Erlebnissen in der Zeit seines Aufenthaltes am Kammergericht in Wetzlar hervorgegangen. Der Roman spiegelt die innere Entwicklung des Helden bis zu seinem… …   Universal-Lexikon

  • Die Leiden des jungen Werther — Titelblatt des Erstdruckes „Die Leiden des jungen Werthers“ lautet der Titel eines von Johann Wolfgang Goethe verfassten Briefromans, in dem der junge Rechtspraktikant Werther bis zu seinem Freitod über seine unglückliche Liaison mit der… …   Deutsch Wikipedia

  • Werthers Leiden — Titelblatt des Erstdruckes „Die Leiden des jungen Werthers“ lautet der Titel eines von Johann Wolfgang Goethe verfassten Briefromans, in dem der junge Rechtspraktikant Werther bis zu seinem Freitod über seine unglückliche Liaison mit der… …   Deutsch Wikipedia

  • Werters Leiden — Titelblatt des Erstdruckes „Die Leiden des jungen Werthers“ lautet der Titel eines von Johann Wolfgang Goethe verfassten Briefromans, in dem der junge Rechtspraktikant Werther bis zu seinem Freitod über seine unglückliche Liaison mit der… …   Deutsch Wikipedia

  • Wertheriaden — Als Wertheriaden bezeichnet man Werke, die sich am Vorbild von Johann Wolfgang Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers orientieren. Die produktive Rezeption des Textes setzt unmittelbar nach seiner Veröffentlichung im Jahre 1774 ein und …   Deutsch Wikipedia

  • Christoph Friedrich Nicolai — Friedrich Nicolai Christoph Friedrich Nicolai, auch Nickolai (* 18. März 1733 in Berlin; † 8. Januar 1811 ebenda) war ein deutscher Schriftsteller, Verlagsbuchhändler, Kritiker, Verfasser satirischer Romane und …   Deutsch Wikipedia

  • Friedrich Nicolai — Friedrich Nicolai …   Deutsch Wikipedia

  • The Sorrows of Young Werther —   …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”