Freundeskreis der Wirtschaft

Freundeskreis der Wirtschaft

Der Freundeskreis Reichsführer SS, auch Freundeskreis Himmler, ist ein Beispiel für den Zusammenhang von Großindustrie und Aufstieg der NSDAP.

Inhaltsverzeichnis

Der Keppler-Kreis

Der Freundeskreis ging 1933 aus dem von Wilhelm Keppler, Mitglied der NSDAP seit 1927, auf Veranlassung Hitlers im Frühjahr 1932 gegründeten „Studienkreis für Wirtschaftsfragen“ hervor. Am 20. Juni 1932 wurde daraus der Keppler-Kreis. Initiator war Fritz Kranefuß (1900–1945), ein früherer Mitarbeiter Kepplers. Der Keppler-Kreis beschäftigte sich mit der Erstellung eines Wirtschaftsprogramms für die NSDAP. In 3 Unterausschüssen (Finanz-, Industrie und allgemeine Wirtschaftsfragen) wurden zahlreiche Denkschriften entworfen. Laut dem Historiker Dirk Stegmann ist im Keppler-Kreis die Keimzelle für wichtige Grundsatzentscheidungen der späteren nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik zu suchen. Vom Keppler-Kreis ging auch die Initiative zur Industrielleneingabe aus.

Die Mitglieder gelten als spätere Gewinner der Arisierung. Der Historiker Hans-Ulrich Thamer urteilt, dass diesen dem Nationalsozialismus nahestehenden Industriellenzirkeln mit wenigen Ausnahmen bis 1933 „nur Wirtschaftsvertreter aus dem zweiten und dritten Glied der Eisen- und Stahlindustrie angehörten“.[1]

Mitglieder des Keppler-Kreises

Der ursprüngliche Keppler-Kreis hatte nach Aussage von Emil Helfferich folgende Mitglieder:[2]

  1. Wilhelm Keppler
  2. Hjalmar Schacht
  3. Albert Vögler
  4. Friedrich Reinhart
  5. Ewald Hecker
  6. August Rosterg
  7. Kurt Freiherr von Schröder
  8. Emil Heinrich Meyer (Vorstandsmitglied der Dresdner Bank, Schwager von Wilhelm Keppler)
  9. Franz Heinrich Witthoefft
  10. Emil Helfferich
  11. Leopold Plaichinger (Mitarbeiter von Wilhelm Keppler aus den Odin-Werken)
  12. Max Otto Luyken
  13. Gottfried Graf von Bismarck-Schönhausen

Der Historiker Henry Ashby Turner nennt noch:[3]

  1. Otto Steinbrinck (Privatsekretär von Friedrich Flick)

Der Freundeskreis Reichsführer SS

Nach der Machtübergabe wurde der Keppler-Kreis zum Freundeskreis Reichsführer SS umgebildet. Die Mitglieder spendeten von 1935 bis 1944 jährlich ungefähr 1 Million Reichsmark an den Reichsführer SS Heinrich Himmler. Dafür wurde das „Sonderkonto S“ bei der J. H. Stein Bank in Köln eingerichtet, wie aus dem Schreiben vom 25. Februar 1936 von Otto Steinbrinck und Kurt Freiherr von Schröder an Emil Heinrich Meyer, Vorstandsmitglied der Dresdner Bank, hervorgeht. Kurt Freiherr von Schröder war Teilhaber und Verwalter des Kontos. Von den damals 32 nicht der SS angehörenden Mitgliedern erhob Heinrich Himmler 15 in den Rang von SS-Ehrenführern.[4]

Wilhelm Keppler wurde später im Rahmen der Nürnberger Prozesse verhört. Er benannte eine Reihe von Mitgliedern, die dem Freundeskreis mindestens zeitweise angehört haben sollen, aus dem Gedächtnis. Andere Dokumente belegen die aktive Beteiligung anhand der Spendenlisten. Das Schreiben des Bankiers Kurt Freiherr von Schröder an Heinrich Himmler vom 21. September 1943 enthält eine Liste von Beiträgen in der Gesamthöhe von 1.100.000 RM für das Jahr 1943. Dieses Schreiben wird im Nürnberger I.G.-Farben-Prozess als Beweisstück US-322 bzw. EC-453 aufgeführt.

Mitglieder des Freundeskreises

Die Mitglieder sind alphabetisch nach Nachnamen sortiert. Die Nennung der Funktionen ist nicht abschließend.

  1. Hermann Behrends, Dr. jur., SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei und SS-Sturmbannführer der Reserve der Waffen-SS, Höherer SS- und Polizeiführer in Serbien und Montenegro sowie Stabsführer der Volksdeutschen Mittelstelle[5][6][7]
  2. Rudolf Bingel, Siemens-Halske[5][6]
  3. Gottfried Graf von Bismarck-Schönhausen, Regierungspräsident in Stettin und später in Potsdam[5][6]
  4. Karl Blessing, Unilever, später Bundesbankchef[5][6]
  5. Wilhelm Börger, Arbeitsministerium[5][6]
  6. Heinrich Bütefisch, I.G. Farben[5][6]
  7. Kurt Dellmann, SS-Obersturmführer[6]
  8. Friedrich Karl Dermietzel, Stellvertreter des Reichsarztes SS und Polizei, SS-Brigadeführer[5][6][8]
  9. Hans Fischböck, Reichskommissar im Vierjahresplan[5][6]
  10. Friedrich Flick, Mitteldeutsche Stahlwerke[5][6]
  11. Rudolph Firle, Norddeutscher Lloyd[9]
  12. Herbert Ludwig Wilhelm Göring, Wirtschaftsministerium, Vetter von Hermann Göring[5][6]
  13. Karl Ritter von Halt, Deutsche Bank[5][6]
  14. Franz Hayler, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium[5][6]
  15. Ewald Hecker, Ilseder Hütte[5]
  16. Emil Helfferich, Aufsichtsratsvorsitzender der Hapag, Direktor der DAPG[5][6][9][10]
  17. Otto Heuer, Generaldirektor der Schütte AG[11]
  18. Erich Hilgenfeldt, Leiter der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt[5][6]
  19. Richard Kaselowsky, August Oetker, Bielefeld[5][6][9]
  20. Hans Kehrl, SS-Oberführer[8]
  21. Wilhelm Keppler, ab 1938 Staatssekretär im Außenministerium[5][6][9]
  22. Fritz Kiehn, Papierfabrikant und SS-Obersturmbannführer[12]
  23. Wilhelm Kleinmann, Staatssekretär im Reichsverkehrsministerium[6]
  24. Fritz Kranefuss, Brabag, Himmlers Adjutant[5][6]
  25. Carl Vincent Krogmann, Erster Bürgermeister von Hamburg[5][6]
  26. Karl Lindemann, Direktor der Dresdner Bank, Deutsche Reichsbank, DAPG[10] Norddeutscher Lloyd, Melchers&Co., Bremen[5][6][9]
  27. Freiherr von Lüdinghausen[8][13]
  28. Emil Heinrich Meyer, Vorstand der Dresdner Bank[5][6]
  29. Werner Naumann, Staatssekretär im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda[5][6]
  30. Otto Ohlendorf, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium[5][6]
  31. Alfred Olscher, Reichskreditgesellschaft[5][6]
  32. Oswald Pohl, Leiter des Wirtschaftsamtes der SS[5][6]
  33. Karl Rasche, Mitglied im Vorstand der Dresdner Bank[5][6]
  34. Herbert Reichenberger, SS-Untersturmführer[8]
  35. Friedrich Reinhart, Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank[5][6]
  36. Hellmut Röhnert, Rheinmetall-Borsig[14]
  37. Erwin Rösener, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS, Mitglied des Reichstages[6][15]
  38. August Rosterg, Kali-Konzern Wintershall AG[5][6]
  39. Hjalmar Schacht, Reichsbankpräsident[16]
  40. Ernst Schäfer, SS-Standartenführer des SS-Amtes Ahnenerbe[5][6]
  41. Walter Schieber, Leiter des Rüstungslieferungsamtes im Rüstungsministerium[6]
  42. Heinrich Schmidt, Wintershall Kali-Konzern[5][6]
  43. Kurt Schmitt, früher Wirtschaftsminister, Vorstandsvors. der Allianz AG[6]
  44. Kurt Freiherr von Schröder, Bankier, J. H. Stein Bank[5][6]
  45. Wolfram Sievers, Leiter des Amtes Ahnenerbe[5][6]
  46. Otto Steinbrinck, Gewerkschaft Preußen[5][6]
  47. Albert Vögler, Vereinigte Stahlwerke AG[5][6] – seine Mitgliedschaft wird mit gewichtigen Gründen bezweifelt.[17]
  48. Wilhelm Voss, Hermann-Göring-Werke[5][6]
  49. Hermann Waldhecker, Direktor der Reichsbank[5][6]
  50. Hans Walz, Boschwerke[5][6]
  51. Franz Heinrich Witthoefft, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Commerz- und Privatbank[6][18]
  52. Karl Wolff, persönlicher Adjutant Himmlers[5][6]
  53. Walther Wüst, Professor für Indogermanistik, SS-Oberführer, Amtschef der SS-Forschungs- und Lehranstalt „Das Ahnenerbe[6][15]

Einzelnachweise

  1. Hans-Ulrich Thamer: Verführung und Gewalt. Deutschland 1933–1945. Siedler Verlag, Berlin 1994. ISBN 978-3442755288. S. 211.
  2. Dirk Stegmann: Zum Verhältnis von Großindustrie und Nationalsozialismus 1930–1933. In Archiv für Sozialgeschichte XIII, Bonn-Bad Godesberg 1973, S. 427 f
  3. Henry Ashby Turner: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers. Siedler Verlag, Berlin 1985, S. 299 f.
  4. Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS, Welbild Verlag 1992, ISBN 3-89350-549-0, S. 132
  5. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak al Liste nach Aussage von Wilhelm Keppler, Nürnberg Military Tribunal, Volume VI, Page 287 (online).
  6. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak al am an ao ap aq ar Friedemann Bedürftig, Christian Zentner: Das große Lexikon des Dritten Reiches.; 1992; ISBN 3-89350-5636 (online).
  7. Tobias Bütow, Franka Bindernagel: Ein KZ in der Nachbarschaft. Das Magdeburger Außenlager der Brabag und der 'Freundeskreis Himmler' , Köln 2003, ISBN 3-412-09303-3, S. 48. Anmerkung: Der Schreibfehler im Namen „Behrens“ resultiert aus den Angaben der alliierten Dokumente.
  8. a b c d Karl-Heinz Thieleke (Hrsg.): Fall 5. Anklageplädoyer, augewählte Dokumente, Urteil des Flick-Prozesses, mit einer Studie über die „Arisierungen“ des Flick-Konzerns. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1965, S. 301.
  9. a b c d e Hartmut Rübner: Konzentration und Krise der deutschen Schiffahrt. Maritime Wirtschaft und Politik im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, Bremen 2005, ISBN 3-89757-238-9.
  10. a b Antony C. Sutton: Wall Street and the rise of Hitler. 1976, ISBN 978-0892450046, Kapitel 4 (online).
  11. Bundesarchiv: Statistisch-wissenschaftliches Institut des Reichsführers-SS.
  12. Hartmut Berghoff, Cornelia Rauh-Kühne: Fritz K. – Ein deutsches Leben im 20. Jahrhundert. Stuttgart und München (Deutsche Verlags-Anstalt), 2000, ISBN 3421053391, (Info).
  13. Veröffentlicht ist ein Veranstaltungsprogramm für eine Tagung am 12. Dezember 1943 und eine Einladungsliste, also keine Teilnehmerliste mit Unterschriften. Unter Nr. 35 erscheint ein Freiherr von Lüdinghausen ohne SS-Dienstgrad, Titel oder Berufsbezeichnung. Ein Rückschluss auf eine konkrete Person ist damit nicht möglich.
  14. Horst Bartel u.a. (Hrsg.): Sachwörterbuch der Geschichte Deutschlands und der deutschen Arbeiterbewegung., Band 1, Dietz Verlag, Berlin, 1969, S. 639.
  15. a b Hermann Weiß: Personen Lexikon 1933–1945, Wien 2003.
  16. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 522.
  17. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, 2003, ISBN 3-10-039309-0, S. 105. Anmerkung: Die inkorrekte Schreibweise „Fritz Dermitzel“ ist auf alliierte Dokumente zurückzuführen.
  18. Erich Stockhorst: 5000 Köpfe – Wer war was im 3. Reich. Arndt-Verlag, Kiel, 2000. ISBN 3-8874-1116-1. Anmerkung: Der Name „Rösener“ wird in der Literatur auch inkorrekt mit „Roesener“ angegeben.

Weblinks


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