- Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen
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Der Langnam-Verein (auch Langnamverein) wurde am 30. März 1871 von rheinisch-westfälischen Eisen-, Textil- und Kohleindustriellen als industrieller Interessenverband gegründet.
Der volle Name des Vereins lautete „Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen“. Die Bezeichnung Langnam-Verein erhielt der Verband von Reichskanzler Otto von Bismarck.
Inhaltsverzeichnis
Ziele
Ursprünglich entstanden zur Verbesserung der Verkehrswege der Industrieregion und der Überwindung von Kohlenknappheit, kam 1873 die Einführung von Schutzzöllen gegen billige Roheisenimporte hinzu, schließlich nach dem Ersten Weltkrieg das Ziel, im gesamten Deutschen Reich ein vertikales Monopol für Kohle, Koks, Gas und Stahl einzurichten.
Rolle in der Weimarer Republik und im Dritten Reich
- 1924
Vortrag Oswald Spenglers im Langnam-Verein auf Einladung von Paul Reusch.
- 1930
Am 30. März 1930 wurde Heinrich Brüning Reichskanzler des ersten „Präsidialkabinetts“ der Weimarer Republik. In der Hauptversammlung des Vereins am 4. November 1930 zeigte sich die gespaltene Haltung der rheinisch-westfälischen Großindustrie zu diesem Kabinett:
pro Brüning: Max Schlenker hatte bereits vor der Veranstaltung geäußert, Brüning habe als Kanzler „wirklich seine Pflicht zu tun versucht“. In der Versammlung selbst wurde Brüning u.a. durch Müller-Oerlinghausen (RDI), Kehl (Deutsche Bank) und Schreiber (preußischer Handelsminister) unterstützt. Kehl z.B. erklärte, eine Regierung mit der NSDAP als Alternative zum Brüning-Kabinett sei nicht akzeptabel, da die Industrie „keine Experimente“ wolle, „weder auf dem Gebiet der Politik noch auf dem der Wirtschaft selbst“.
contra Brüning: Fritz Springorum und Ernst Poensgen. Letzterer forderte einen „Führer (…), der unser Volk wieder einheitlich und zielbewusst führen möge“. Beide machten sich entgegen dem durch die Reichsregierung anerkannten Versailler Vertrag für ein Ende der Reparationszahlungen und die Wiederherstellung der Souveränität Deutschlands stark.
Die Gastrede hielt der renommierte Staatsrechtler Carl Schmitt.
- 1931
Der Öffentlichkeit blieben die anti-parlamentarischen Forderungen eines Teils der Mitglieder des Langnam-Vereins nicht verborgen. Poensgen hielt es daher für geboten, am 17. Juni 1931 ein öffentliches Dementi abzugeben „gegen die Behauptung, dass die Ruhrindustrie ein Direktorium und die Diktatur verlangt habe. Die westliche Industrie wolle keine Diktatur, sie wolle eine Führung der Wirtschafts- und Finanzpolitik, die die deutsche Wirtschaft vor dem drohenden Zusammenbruch bewahrt.“
Bei verschiedenen Gelegenheiten machte die Führung des Langnam-Vereins zu dieser Zeit geltend, bei der Schaffung der gewünschten „Rechtsregierung“ müsse zwar die NSDAP beteiligt werden. Dadurch, dass die Industriellen der NSDAP helfen, an die Regierung zu kommen, habe man dann aber auch die Möglichkeit, „die allzu radikalen Strömungen innerhalb der NSDAP in etwa abzubiegen“ – dies allerdings nicht zur Wahrung der rechtsstaatlichen und demokratischen Errungenschaften der Weimarer Republik, sondern weil die Großindustrie den rein wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Partei nicht traute und sie nach den eigenen Interessen beeinflussen wollte.
- 1932
Am 30. Mai 1932 trat Brüning zurück, 2 Tage darauf wurde Franz von Papen Kanzler. Er löste bald den Reichstag auf und plante, die Verfassung der Weimarer Republik im Sinne einer Präsidialdiktatur zu ändern und keine Partei mehr an der Regierung zu beteiligen, auch nicht die NSDAP. Diese Ziele wurden vom Langnam-Verein vorwiegend unterstützt, der in dieser Zeit also auf Abstand zu den Nationalsozialisten ging. Es gelang von Papen aber nicht, hierfür eine Mehrheit im Reichstag zu erhalten; er trat am 17. November 1932 seinerseits zurück.
In diesen Tagen wurde der Langnam-Verein in die Aktivitäten des sogenannten Keppler-Kreises einbezogen: Der süddeutsche Chemie-Unternehmer Wilhelm Keppler hatte von Hitler den Auftrag erhalten, die Beziehung der Partei zu Industrie- und Wirtschaftskreisen zu pflegen. Dessen Industrielleneingabe vom 19. November 1932, in der mehrere Bankiers, Unternehmer und Landwirte den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg auffforderen, Hitler zum Kanzler zu ernennen, wurde wurde von fast keinem Vertreter der Großindustrie im Langnam-Verein unterschrieben – außer von Fritz Thyssen und Emil Kirdorf: Zu dieser Zeit wollte die Großindustrie eher eine erneute Kanzlerschaft von Papens erreichen.
Dessen als Kanzler eingeschlagene Strategie – Abbau des Sozialstaats, Zurückdrängen der Gewerkschaften und des „Parlamentarismus“ zu Gunsten einen autoritären „präsidialen“ Regierung – entsprach damals den im Langnam-Verein vorherrschenden politischen Vorstellungen.
Wenige Tage später, am 23. November 1932, traf sich daher der Langnam-Verein, um die Linie von Papens trotz seines Rücktritts weiter zu unterstützen. Als bekannter Befürworter von Papens war erneut Schmitt zu einem Vortrag eingeladen. Unter dem Titel „Starker Staat und gesunde Wirtschaft“ unterstützte er aber überraschend die Strategie Kurt von Schleichers, des nächsten Kanzlers, die bestehende Verfassung formal beizubehalten, aber den Notstands-Artikel 48 konsequent zu nutzen. (Schmitt war persönlich mit von Schleicher bekannt, der später von den Nationalsozialisten umgebracht wurde, trat aber am 1. Mai 1933 der NSDAP bei.)
Von Schleicher hatte während der Kanzlerschaft von Papens auf die bürgerkriegsähnliche Eskalation zwischen dessen präsidialer Machtausübung und der von der politischen Gestaltung ausgeschlossenen Linken hingewiesen und warb nicht zuletzt bei der Reichswehr für seinen „dritten“ Weg. Er bezeichnete sich ähnlich wie Hitler als „weder Anhänger des Kapitalismus noch des Sozialismus“. Anders als von Papen wollte er seine Ziele nicht durch Notverordnungen, sondern parlamentarisch erreichen mit Hilfe einer „Querfront“ durch Einbinden der Gewerkschaften, von Teilen der SPD und des „sozialistischen“ Strasser-Flügels der NSDAP. Am 3. Dezember 1932 wurde er zum Reichskanzler ernannt.
Führende im Langnam-Verein vertretene Industriellen misstrauten aber weiterhin der NSDAP. Hierzu hatte gerade die Rede von Gregor Strasser im Reichstag am 10. Mai 1932 zum „Wirtschaftlichen Sofortprogramm der NSDAP“ beigetragen. Sie bestärkte ihren Eindruck, dass diese Partei wirtschaftspolitisch „unzuverlässig“ sei, da sie vielleicht einen sozialistischen Kurs einschlagen könnte. Die Rede Strassers wurde daher z.B. in einem Artikel der „Deutschen Führerbriefe“ (siehe unten) heftig kritisiert.
Gleichschaltung, Auflösung und Ersatz
Die bisher so mächtigen Industrieverbände blieben nach der „Machtergreifung“ immer enger unter das Diktat der Staatswirtschaft gezwungen, gekennzeichnet durch „Gleichschaltung“ und zentralistisch in Berlin festgelegte Wirtschaftspläne.
Ein wichtiger Schritt zur Gleichschaltung des Langnam-Vereins erfolgte am 4. April 1933: Zusammen mit dem Wirtschaftsbeirat West der NSDAP wurde ein „Führungskreis“ unter Leitung des Düsseldorfer NSDAP-Gauwirtschaftsberaters Joseph Klein gebildet.
Schließlich wurde Springorum zum Verzicht auf sein Amt gedrängt und der Langnam-Verein auf Betreiben des Regimes endgültig aufgelöst. Die Schwerindustrie von Rhein und Ruhr hatte aber bereits zu Ende der Weimarer Republik in Berlin eine Ersatzorganisation in Form des Mitteleuropäischen Wirtschaftstags (MWT) bzw. der „Mitteleuropäischen Zentralstelle“ geschaffen. Der spätere marxistische Philosoph, Ökonom und Soziologe Alfred Sohn-Rethel, Ziehkind von Poensgen, war mit dessen Hilfe einige Jahre in dieser Organisation als Assistent des Geschäftsführers Max Hahn angestellt; u.a. redigierte er dort die „Deutschen Führerbriefe“.
Die Aktenbestände des Langnam-Vereins sind, soweit nicht im Zweiten Weltkrieg und danach vernichtet bzw. verschollen, verstreut untergebracht u.a. in
- Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv
- Industrie- u. Handelskammer Dortmund (Langnam-Verein 1920–1935)
- Bergbau-Archiv Bochum (1927–1935)
- Stadtarchiv Düsseldorf
- Bundesarchiv Koblenz
Bedeutende Mitglieder
- William Thomas Mulvany
- Henry Axel Bueck
- Max Schlenker
- Max Hahn
- Ernst Poensgen
- Paul Reusch
- Fritz Springorum
Literatur
- Henry Axel Bueck: Der Zentralverband Deutscher Industrieller, 1876–1901. Vol. 2, Guttentag, Berlin 1905.
- Mitteilungen des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen (Langnamverein), Düsseldorf, z.B. Jg. 1927, 6 Hefte; Jg. 1930, Heft 19.
- Josef Winschuh: Der Verein mit dem langen Namen. Geschichte eines Wirtschaftsverbandes. Dux, Berlin 1932.
- Martin F. Parnell: The German tradition of organized capitalism : self-government in the coal industry. Clarendon Press, Oxford 1994, ISBN 0-19-827761-X.
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