Friedrich Wilhelm Herrmann Wagener

Friedrich Wilhelm Herrmann Wagener

Friedrich Wilhelm Herrmann Wagener (* 8. März 1815 in Segelitz bei Kyritz; † 22. April 1889 in Friedenau bei Berlin) war ein preußischer Jurist, Chefredakteur der Neuen Preußischen Zeitung (Kreuzzeitung) und war konservativer preußischer Ministerialbeamter und Politiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wagener war der Sohn eines Landpfarrers bei Neuruppin. Nach seinem Abitur in Salzwedel studierte er ab 1835 Rechtswissenschaften in Berlin. Er beschäftigt sich mit der Rechtsphilosophie Friedrich Julius Stahls und den ökonomischen Ideen von Karl Ludwig von Haller zum Legitimitätsprinzip.

Herrmann Wagener durchlief die gewöhnliche juristische Laufbahn, wurde 1838 Rechtsreferendar am Oberlandesgericht Frankfurt/Oder unter dem Vizepräsidenten Ludwig von Gerlach und arbeitete von 1844 bis 1847 als Assessor bei den Meliorationsanlagen in Preußen; später im Konsistorium der Provinz Sachsen. 1847 wurde er Oberlandesgerichts- und Konsistorialassessor in Magdeburg und war mit den disziplinarischen Auseinandersetzungen gegen Leberecht Uhlich beschäftigt.

1848 schied er aus dem Staatsdienst, ließ sich als Rechtsanwalt beim Obertribunal nieder und kam der Bitte des in Magdeburg tätigen Appellationsgerichtspräsidenten Gerlach nach und gründete das Parteiorgan der konservativen Partei, die Neue Preußische Zeitung zur Rettung der Monarchie. Bis 1854 leitete er sie als Chefredakteur. Theodor Fontane, der in dieser Zeit unter ihm arbeitete, sagte ihm in seinen Lebenserinnerungen politischen Weitblick nach und nannte ihn „eine Art Nebensonne zu Bismarck“. Mit dieser Tätigkeit entwickelte sich Wagener zu einem der bekanntesten und umstrittensten konservativen Publizisten, sicherlich auch durch die erfolgreiche publizistische Zusammenarbeit mit Otto von Bismarck. 1848 gründete er den Verein für König und Vaterland.

1854 schied er aus der Redaktion der Kreuzzeitung aus und investierte seine Abfindung in das Gut Dummerwitz bei Neustettin und wirkte bis 1856 als Rechtsanwalt in Berlin. Nachdem er 1856 mit dem Titel Justizrat aus seinem Amt als Rechtsanwalt ausgeschieden war, ließ er sich in Hinterpommern zum Abgeordneten wählen. Wie er sich als gewandter und schlagfertiger Redner auf der Tribüne des Preußisches Abgeordnetenhauses sowie seit 1867 im Norddeutschen und 1871 im Deutschen Reichstag große Verdienste um seine Partei erwarb, so nicht minder durch die wissenschaftliche Begründung, welche er den konservativen Anschauungen in dem seit 1859 von ihm herausgegebenen „Staats- und Gesellschaftslexikon“ zu geben versuchte.

1861 beteiligte er sich an der Gründung des konservativen Preußischen Volksvereins, der bis 1872 aktiv war.

Am 29. März 1866 wurde er gegen den Willen König Wilhelm I. zum vortragenden Rat im Staatsministerium berufen, da Bismarck durch ihn wenigstens einen Teil der alten konservativen Partei an seine Politik zu ketten suchte. Zugleich zog Bismarck ihn in den sozialen Fragen zu Rate. (Fontane berichtet, Wagener habe versucht, Bismarck einzuträufeln, „die verhasste Bourgeoisie durch die Sozialdemokratie zu bekämpfen“. Das heißt, er habe Bismarck zu seinen Gesprächen mit Ferdinand Lassalle angeregt.) Im ersten deutschen Reichstag unterstützte er Bismarck auch erfolgreich durch seine Reden über die deutsche Reichsverfassung und das Jesuitengesetz. Bestrebungen Wageners zur Gründung einer sozial-konservativen Partei 1872 schlugen fehl.

1873 wurde er erster Rat im Staatsministerium, aber von Kaiser Kaiser Wilhelm I. nicht zum persönlichen Vortrag zugelassen, da sich inzwischen Gerüchte über seinen Anteil an unsoliden Gründungen (Pommerschen Zentralbahn Conitz-Wangerin) verbreitet hatten, die sein politischer Widersacher Eduard Lasker 1873 im Abgeordnetenhaus öffentlich darlegte. Wagener musste nicht bloß seinen Abschied einreichen, sondern wurde auch gerichtlich zum Ersatz von 40.000 Talern unrechtmäßigen Gewinns verurteilt, wodurch er sein ganzes Vermögen verlor.

1878 gründete er noch eine interkonfessionelle „Sozialkonservative Vereinigung”.

Herrmann Wagener publizierte zahlreiche aktuelle Schriften, wie beispielsweise zur sozialen Frage. Sein wichtigstes Werk war das „Staats- und Gesellschaftslexikon“ von 1862. Das Programm der Deutschen Konservative Partei von 1876 wurde von ihm verfasst. Ebenso war er der geistige Vater des Entwurfs einer Arbeiterversicherung.

Herrmann Wagener, Angehöriger der katholisch-apostolische Gemeinden, verstarb 1889 in Friedenau im Alter von 74 Jahren.

Politisch wollte W. zur Eindämmung des Einflusses der katholischer Kirche dem “Sozialpapst” einen “Sozialkaiser” entgegenstellen (“Eine Lösung der sozialen Frage vom Standpunkt der Wirklichkeit und der Praxis”, 1878).

Zitate

  • "... klügsten Ruppiner ..." - Theodor Fontane
  • "... Vater des kleinen, aber nie verschwindenden sozialpolitischen Flügels des deutschen Konservatismus ..." - Thomas Nipperdey

Schriften

  • Das Judentum und der Staat, Berlin 1857
  • Denkschrift über die wirtschaftlichen Associationen und sozialen Koalitionen, Neuschönefeld 1867
  • Staats- und Gesellschaftslexikon, Berlin 1859-67, 23 Bde.; Supplement 1868 [1]
  • Die Lösung der sozialen Frage vom Standpunkt der Wirklichkeit und Praxis. Von einem praktischen Staatsmanne, Bielefeld/Leipzig 1878
  • Die Politik Friedrich Wilhelm IV, Berlin 1883
  • Erlebtes. Meine Memoiren aus der Zeit von 1848-1866 und von 1873 bis jetzt. 1. Abteilung, Berlin 1884
  • Erlebtes. Meine Memoiren aus der Zeit von 1848-1866 und von 1873 bis jetzt. 2. Abteilung, Berlin 1885
  • Die kleine aber mächtige Partei. Nachtrag zu "Erlebtes". Meine Memoiren aus der Zeit von 1848-1866 und von 1873 bis jetzt, Berlin 1885
  • Die Mängel der christlich-sozialen Bewegung, Minden 1885

Literatur

  • Siegfried Christoph: Hermann Wagener als Sozialpolitiker. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Ideen und Intentionen für die große deutsche Sozialgesetzgebung im 19. Jahrhundert, Erlangen 1950 (Dissertationsschrift)
  • Wolfgang Saile: Hermann Wagener und sein Verhältnis zu Bismarck. Ein Beitrag zur Geschichte des konservativen Sozialismus, Tübingen 1958
  • Klaus Hornung: Preußischer Konservatismus und soziale Frage - Hermann Wagener (1815-1889); in: Kraus, Hans-Christof (Hrsg.): Konservative Politiker in Deutschland. Eine Auswahl biographischer Porträts aus zwei Jahrhunderten, Berlin 1995
  • Florian Tennstedt: Politikfähige Anstöße zu Sozialreform und Sozialstaat: Der Irvingianer Hermann Wagener und der Lutheraner Theodor Lohmann als Ratgeber und Gegenspieler Bismarcks; in: Kaiser, Jochen-Christoph und Wilfried Loth (Hrsg.): Soziale Reform im Kaiserreich. Protestantismus, Katholizismus und Sozialpolitik, Stuttgart/Berlin/Köln 1997 (Konfession und Gesellschaft; 11)

Weblinks

Dieser Artikel basiert auf einem gemeinfreien Text („public domain“) aus Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage von 1888–1890. Bitte entferne diesen Hinweis nur, wenn Du den Artikel so weit überarbeitet oder neu geschrieben hast, dass der Text den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema widerspiegelt und dies mit Quellen belegt ist, wenn der Artikel heutigen sprachlichen Anforderungen genügt und wenn er keine Wertungen enthält, die den Wikipedia-Grundsatz des neutralen Standpunkts verletzen.

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