- Fristenlösung
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Der Begriff Fristenregelung, auch Fristenlösung, wird im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch verwendet. Die Frist versteht sich dabei als der Zeitraum, gemessen ab der Zeugung (Empfängnis), innerhalb der ein Abbruch straffrei möglich ist.
Inhaltsverzeichnis
Unterschiedliche sprachliche Verwendung
Die Begriffe, die gleichzeitig politische Schlagworte bilden, sind nicht länderübergreifend eindeutig definiert. Das beginnt bereits mit der umstrittenen Fragestellung, ob Fristenlösung und Fristenregelung Synonyme darstellen, oder ob einer der Begriffe als "neutraler" zu bewerten ist.
In der Sprachpraxis (verschiedener deutschsprachiger Länder) werden die Begriffe teilweise unterschiedlich verwendet. Es findet sich die "weitergefasste Verwendung" und die "enge Verwendung" der Begriffe. Eine Fristenlösung/-regelung im Sinne der "weitergefasste Verwendung" existiert in manchen Staaten, wenn ein legaler Schwangerschaftsabbruch nur innerhalb einer festgelegten Frist in der Entscheidungskompetenz der Frau liegt. Allerdings können daneben durchaus weitere Einschränkungen, wie eine Beratungspflicht (Schwangerschaftskonfliktberatung) oder die Berufung auf eine Notlage seitens der Schwangeren, existieren. Im Sinne einer sprachlich "engeren Verwendung", existiert eine Fristenlösung/-regelung nur dann, wenn die Entscheidung über einen Abbruch der Schwangerschaft ausschließlich an die Frist als solche gebunden ist und somit keinerlei weitere Einschränkungen, wie eine Beratungspflicht, bestehen.
Als Beispiel für eine unterschiedliche Verwendung des Begriffs sei Deutschland erwähnt: Ein Schwangerschaftsabbruch ist bis zur 14. Schwangerschaftswoche (d.h. bis 12 Wochen ab Befruchtung) straffrei möglich, unterliegt jedoch Einschränkungen wie der Beratungspflicht mit 3-tägiger Bedenkzeit. Ein Abbruch nach der 14. Schwangerschaftswoche ist straffrei nur aufgrund medizinischer Indikation möglich.
Diese Regelung wird in Deutschland selbst umgangssprachlich sehr wohl als Fristenlösung oder Fristenregelung bezeichnet. Das deutsche Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht hingegen spricht für Deutschland keineswegs von einer Fristenregelung. Es definiert einerseits die Indikationslösung als Zulässigkeit des Schwangerschaftabbruchs nur bei Vorliegen - mehr oder weniger weitgehender - besonderer, einer eigenen (fremden???) Feststellung unterliegender Zulässigkeitsvoraussetzungen und andererseits die Fristenlösung als Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs bis zu einem bestimmten Schwangerschaftsalter. Das Institut bezeichnet die aktuelle deutsche Regelung als "Beratungsmodell" und "dritten Weg".
Indikationsregelung und Fristenregelung in Westdeutschland
Mit dem fünften Strafrechtsreformgesetz wurde die Fristenregelung 1974 vom Parlament beschlossen. Diese Fristenregelung wurde aber nicht wirksam, das Gesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht kassiert. In der Begründung erklärte das Gericht, das Recht auf körperliche Unversehrtheit beziehe sich auch auf das werdende Leben im Mutterleib. Der Schutz dieses werdenden Lebens ergebe sich aus Artikel eins des Grundgesetzes, wonach die staatliche Gewalt die Würde des Menschen zu schützen hat. Nach Auffassung des höchsten Gerichts war der Embryo nicht nur Teil des mütterlichen Organismus, sondern ein selbständiges menschliches Wesen. Dies dominiere über das Recht der Schwangeren auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit, erklärte das höchste Gericht. Ausgenommen waren folgende vier Indikationen
- medizinische Indikation (Gefahr für die gegenwärtige oder zukünftige körperliche und/oder psychische Gesundheit der Schwangeren),
- eugenische Indikation (Diagnose einer schwerwiegenden Behinderung des werdenden Kindes),
- soziale Indikation (drohende Notlage)
- ethische Indikation oder kriminologische Indikation (Schwangerschaft aufgrund einer Vergewaltigung oder sexuellen Missbrauchs).
Diese Rechtsauffassung wurde 1976 als sogenannte Indikationsregelung in Gesetzesform gebracht.
Die Indikationslösung wurde aber in den folgenden Jahrzehnten immer wieder Gegenstand einer breiten Diskussion und öffentlicher Proteste. Von Ärzten wurde insbesondere die soziale Indikation zunehmend weiter ausgelegt, sodass bereits Arbeitslosigkeit oder ein geringes Einkommen als Begründung ausreichte. 1993 änderte sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes: Der Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten (bis zur 12. Schwangerschaftswoche) sei zwar rechtswidrig, sollte strafrechtlich aber nicht verfolgt werden. Mit dieser Änderung trat nun in Deutschland eine faktische Fristenregelung in Kraft.Gegenwärtiger Stand in Deutschland
In Deutschland existiert heute eine faktische Fristenregelung: Die Abtreibung ist rechtswidrig, aber bis zum dritten Schwangerschaftsmonat straffrei, wenn vor dem Eingriff eine Beratung stattgefunden hat. Nach dem dritten Monat ist ein Abbruch legal, wenn eine medizinische Indikation vorliegt, die dann gegeben ist, wenn eine Gefahr für das Leben der Schwangeren oder eine Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen ode seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden ist - und die Gefahr nicht auf andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann, § 218 a Abs. 2 StGB. Eine solche Gefahr für die Schwangere kann z.B. entstehen, wenn eine vergleichsweise schwerwiegende Behinderung beim Ungeborenen festgestellt worden ist. Eine Beratungspflicht vor einem Abbruch nach medizinischer Indikation ist nicht Pflicht, steht der Schwangeren bzw. den werdenden Eltern jedoch von Rechts wegen zu.
In der DDR existierte allerdings seit 1972 die Fristenlösung im engeren Sinne. Ein Überblick über die gesamte historische Entwicklung ist im Artikel zum Schwangerschaftsabbruch zu finden.
Gegenwärtiger Stand in Österreich
Am 29. November 1973 wurde die Fristenlösung mit 93 SPÖ-Stimmen gegen die 88 Nein-Stimmen von ÖVP und FPÖ verabschiedet. Am 6. Dezember des gleichen Jahres erhob die ÖVP im Bundesrat Einspruch, das Gesetz wurde trotzdem mittels Beharrungsbeschluss am 23. Januar 1974 wiederum durch die absolute SPÖ Mehrheit durchgesetzt. Somit trat in Österreich mit 1. Januar 1975 die Fristenlösung in Kraft. Nach § 97 des StGB ist der Schwangerschaftsabbruch bis zum Ende der 12. Woche nach der Einnistung der befruchteten Eizelle straffrei, also spätestens bis zum Ende der 16. Schwangerschaftswoche ab Beginn der letzten Regelblutung (d.h. der 14. Woche ab Befruchtung)[1]. Die Entscheidung, den Schwangerschaftsabbruch straffrei zu stellen, blieb jedoch weiterhin umstritten. Die Positionen von damals blieben bis heute die gleichen: Die Befürworter verwiesen auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, während die Gegner der Fristenlösung von Mord an ungeborenem Leben sprachen. Die erste Frauenministerin Österreichs, Johanna Dohnal, bezeichnete die Fristenlösung als großen Erfolg der Frauenpolitik. In Wien wurde im Jahr 2005 ein Gesetz beschlossen, um eine rechtliche Handhabe gegen radikale Abtreibungsgegner zu haben und um sie daran zu hindern, psychischen Druck auf Frauen auszuüben, die Abtreibungskliniken betreten wollen.
Das embryonale Leben ist bis zur Nidation strafrechtlich nicht geschützt. Ab der Nidation bis zu den Eröffnungswehen sind die §§ 96 und 97 StGB anzuwenden. Ab den Wehen, bzw. ab der Öffnung der Bauchdecke kommen die §§ 75 und 190 zum Tragen.
Gemäß § 97 StGB ist ein Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar, wenn er
- a) innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft nach vorhergehender ärztlicher Beratung von einem Arzt vorgenommen wird, dies ist die sogenannte Fristenlösung oder
- b) wenn medizinische Indikationen vorliegen oder
- c) wenn die Schwangere zur Zeit der Schwängerung unmündig war. Gemäß §21 Abs.2 ABGB sind jene Personen unmündig, die das 14 Lebensjahr noch nicht vollendet haben (kriminologische Indikation).
§97 Abs.1 Z2 StGB "Medizinische Indikation": Darunter sind Gefahren für das Leben der Schwangeren zu subsumieren wie auch schwere Schäden für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren. Ebenso fallen darunter die sogenannten "embryopathischen Indikationen", d.h. Fehlbildungen des Fötus, wie zum Beispiel Trisomie 21.
(Man beachte den Unterschied zwischen Präimplantationsdiagnostik und Pränataldiagnostik. Die Präimplantationsdiagnostik ist in Österreich untersagt, die Pränataldiagnostik dagegen zugelassen.)
Gegenwärtiger Stand in der Schweiz
In der Schweiz gilt seit 1. Oktober 2002 eine Fristenregelung. Bis zur 12. Schwangerschaftswoche (ab dem ersten Tag der letzten Menstruation) liegt der Entscheid über den Abbruch bei der schwangeren Frau. Sie muss eine Erklärung unterschreiben, dass sie sich in einer Notlage befindet, den Schwangerschaftsabbruch wünscht und die gesetzlich vorgeschriebene Beratung durch den Arzt erhalten hat. Nach der 12. Woche braucht es die Bestätigung eines Arztes, dass eine medizinische Indikation vorliegt, d.h. dass die körperliche oder seelische Gesundheit der Frau durch die Schwangerschaft gefährdet ist. Die Gefahr muss umso grösser sein, je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten ist.[2]
Einzelnachweise
- ↑ A. Eser/H-G. Koch. Schwangerschaftsabbruch im internationalen Vergleich, Landesbericht Österreich. Nomos Verlagsgesellschaft 1988
- ↑ Gesetzestext Schweiz
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