G. H. Hardy

G. H. Hardy
Godfrey Harold Hardy

Godfrey Harold Hardy (* 7. Februar 1877 in Cranleigh, Surrey; † 1. Dezember 1947 in Cambridge, England) war ein britischer Mathematiker. Seine Arbeitsgebiete waren Analysis und Zahlentheorie. Enge Freunde sprachen ihn mit „Harold“ an, aber sonst wird er allgemein „G. H. Hardy“ genannt.

In der englisch-sprachigen Welt ist er Nicht-Mathematikern durch seine Schrift A Mathematician's Apology (etwa: „Verteidigungsrede eines Mathematikers“) bekannt, einen Essay über die Schönheit der Mathematik. Sie gilt als eine der besten Darstellungen zur Arbeit professioneller Mathematiker, die sich an Laien wendet.

Seine Entdeckung von und spätere Zusammenarbeit mit dem indischen Mathematiker Srinivasa Ramanujan ist berühmt geworden. Hardy erkannte 1913 praktisch auf Anhieb Ramanujans außerordentliche, wenn auch bis dahin nicht geschulte Begabung. Als Hardy von Paul Erdős einmal gefragt wurde, worin sein größter Beitrag zur Mathematik bestehe, antwortete er ohne zu zögern, es handele sich um die Entdeckung Ramanujans; er nannte sie „den einzigen romantischen Vorfall in meinem Leben“.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

G. H. Hardy wurde am 7. Februar 1877 in Cranleigh in der Grafschaft Surrey südwestlich von London in eine Lehrerfamilie geboren. Sein Vater unterrichtete Geographie und Zeichnen, seine Mutter war stellvertretende Leiterin einer Lehrerausbildungsanstalt gewesen; beide Eltern zeigten mathematische Neigungen. Hardys Talent war bereits in jungen Jahren spürbar. Schon im Alter von zwei Jahren schrieb er Zahlen bis in den Millionen-Bereich auf, und beim Kirchgang beschäftigte er sich mit der Faktorzerlegung der Gesangbuchsnummern.[1]

Nach seiner Schulzeit in Cranleigh erhielt Hardy 1890 im Alter von zwölf ein Stipendium für das Winchester College, damals die Schule mit dem besten Mathematik-Unterricht in England; anscheinend ist er an beiden Schulen in diesem Fach sogar immer einzeln unterrichtet worden. Er studierte ab 1896 am Trinity College in Cambridge. Nach nur zwei Jahren Vorbereitungszeit bestand er dort die berüchtigte Tripos-Prüfung als Vierter; Jahre später bemühte er sich, den Tripos abzuschaffen, da er seiner Meinung nach zum Selbstzweck verkommen war.

Als prägenden Einfluss in dieser Zeit nennt Hardy allerdings das Studium des Buchs Cours d'analyse de l'Ecole Polytechnique des französischen Mathematikers Camille Jordan, aus dem er die sehr viel präzisere Mathematik-Tradition von Kontinentaleuropa kennen lernte. Im Jahre 1900 absolvierte er den zweiten Teil des Tripos so gut, dass er als Mitarbeiter (fellow) aufgenommen wurde, womit die weitere Karriere vorgezeichnet war. 1903 erhielt er den M.A., den damals höchsten akademischen Grad an englischen Universitäten; ab 1906 war er Dozent (lecturer) mit sechs Vorlesungsstunden pro Woche, was ihm reichlich Zeit zur Forschung ließ. In Folge der Bertrand-Russell-Affäre wechselte er 1919 als Geometrie-Professor nach Oxford, wo er bis 1931 blieb. Danach kehrte er nach Cambridge zurück, wo er noch bis 1942 eine Professur innehatte.

Ehrungen

1910 wurde Hardy als Mitglied („Fellow“) in die Royal Society aufgenommen, die ihm 1920 die Royal Medal, 1940 die Sylvester-Medaille und 1947 die Copley-Medaille verlieh.[2] Hardy war zweimal Präsident der London Mathematical Society.

Werk

Hardys frühe, heute fast vergessene Arbeiten handeln von den Eigenschaften von Funktionen, die als bestimmte Integrale gegeben sind; später veröffentlichte er Beiträge zur Theorie der Integralgleichungen. Ab etwa 1906 begann seine Beschäftigung mit unendlichen Reihen, insbesondere Fourierreihen, dem Randverhalten von Potenzreihen und der Summation divergenter Reihen. Ab etwa 1912 kamen auch Ergebnisse auf dem Gebiet der Zahlentheorie hinzu, etwa zur diophantischen Approximation, über die Nullstellen der Zetafunktion (1914) und den Primzahlsatz (1915).

In diese Zeit fällt seine Zusammenarbeit mit dem indischen Naturtalent Srinivasa Ramanujan, das er entdeckt hatte und zu dessen durch Inspiration gefundene mathematische Sätze er exakte Beweise ausarbeitete. Wesentlich ertragreicher war aber seine Kooperation seit 1912 mit seinem Kollegen John Edensor Littlewood; beide zusammen wurden zu Namensgebern mehrerer Sätze und einer berühmten unbewiesenen Vermutung zur Primzahlverteilung. Bleibende Bedeutung haben seine Arbeiten zur analytischen Zahlentheorie erlangt (z.B. Goldbachsche Vermutung, Waringsches Problem), da Hardy und Littlewood hier ab etwa 1917 eine neue Methode (sog. Kreismethode) verwendeten, die bis heute ein Standardverfahren darstellt.

Neben diesen großen Themen liegen auch viele kleinere Arbeiten vor, hauptsächlich zur Analysis. Etwa Mitte der 30er-Jahre begann eine Phase von Buchpublikationen, die bis zu seinem Lebensende anhielt. Seine Lehrbücher über Zahlentheorie (mit Edward Maitland Wright), Ungleichungen (mit George Pólya und John Edensor Littlewood) und divergente Reihen werden heute noch verwendet. Seine gesammelten Werke liegen gedruckt vor.

Reine versus angewandte Mathematik

Hardy wird die Reform der britischen Mathematik zugeschrieben, in die er die in Kontinentaleuropa übliche strenge Begriffsklärung und Beweisführung einführte. Die britische Mathematik hatte zuvor lange nur noch vom Ansehen Isaac Newtons gezehrt und beschäftigte sich hauptsächlich mit angewandten Problemen. Hardy setzte die Tradition des französischen cours d'analyse dagegen und verfocht aggressiv eine „reine Mathematik“, womit er sich besonders von der in Cambridge betriebenen Hydrodynamik absetzte.

Hardy bestand darauf, dass auch seine eigene Arbeit „reine Mathematik“ sei, was möglicherweise aus seiner Ablehnung aller militärischen Anwendung der Mathematik resultierte. In seiner 1940 geschriebenen A Mathematician's Apology betont er: „Ich habe nie etwas 'Nützliches' gemacht. Keine Entdeckung von mir hat je oder wird wahrscheinlich je, direkt oder indirekt, zum Guten oder Bösen einen Unterschied im Lauf der Welt machen.“ Allerdings hatte er eine eigenwillige Auffassung von „wahrer Mathematik“, zu der er wegen ihrer mathematischen Eleganz auch die Arbeiten von Einstein und Maxwell zählte.

Merkwürdigerweise hat aber eine relativ einfache Überlegung in einem Brief an den Herausgeber von Science[3] ihn unter Evolutionsbiologen dauerhaft bekannt gemacht. Diese Hardy-Weinberg-Regel, wonach die relative Häufigkeit der Allele in einem Genpool über die Generationen hinweg konstant bleibt, hat er unabhängig von Wilhelm Weinberg formuliert. So wurde ausgerechnet der Verächter aller angewandten Mathematik zum Begründer eines Zweigs der angewandten Mathematik, der Populationsgenetik. Abgesehen von der Hardy-Weinberg-Regel sollen einige seiner Ergebnisse aus der Zahlentheorie inzwischen auch in der Kryptographie Verwendung finden.

Ansichten

Bereits in seiner Jugend war Hardy bekennender Atheist, später ging er soweit, dass er sich weigerte, bei formalen Anlässen die Universitätskapelle zu betreten. Nach Aussage von Littlewood war Hardy auch ein „nicht-praktizierender Homosexueller“. Diese Aussage wird jedoch von Robert Kanigel (siehe Literatur) relativiert, der darauf hinweist, dass das Universitätsleben in Cambridge und Oxford generell weitgehend frei von Frauen ablief. Jedenfalls heiratete Hardy nie und wurde in seinen letzten Lebensjahren von seiner Schwester betreut.

Während seiner Studienzeit trat Hardy der elitären Geheimgesellschaft Cambridge Apostles bei; später verkehrte er auch in der Bloomsbury Gruppe. Er war mit G. E. Moore, Bertrand Russell, C. P. Snow und John Maynard Keynes befreundet. Zeitweise engagierte er sich auch politisch. So beteiligte er sich während des Ersten Weltkriegs an der Union of Democratic Control und in den späten 30er-Jahren an der Aktion For Intellectual Liberty. Seine einzige große Leidenschaft neben der Mathematik war jedoch Cricket.

Aphorismen

  • „Für einen intelligenten Menschen ist es Zeitverschwendung, mit der Mehrheit zu gehen. Definitionsgemäß gibt es bereits genügend Leute dafür.“
  • „Ein Mathematiker erschafft – wie ein Maler oder ein Dichter – Muster. Wenn seine Muster dauerhafter sind, so liegt das daran, dass sie mit Ideen gemacht sind.“
  • „Manchmal muss man schwierige Dinge sagen, aber man sollte sie so einfach sagen, wie man kann.“

Einzelnachweise

  1. C. P. Snow: Foreword. In: G. H. Hardy: A Mathematician's Apology. Cambridge University Press, Cambridge 2006, ISBN 0-521-42706-1, S. 14
  2. Eintrag im Archiv der Royal Society.
  3. G. H. Hardy: Mendelian proportions in a mixed population. Science 28, 1908. S. 49-50.

Literatur

von Hardy:

  • mit Wright Einführung in die Zahlentheorie, Oldenbourg 1958, engl. An introduction into the theory of numbers, 5.Aufl. Oxford 1993
  • A Mathematician's Apology. Cambridge University Press, Cambridge 2006, ISBN 0-521-42706-1 (enthält ein ausführliches Vorwort von C. P. Snow zum Leben G. H. Hardys, zuerst 1941).
  • A course in pure mathematics, 10.Aufl., Cambridge 1960 (zuerst 1908)
  • Collected papers, 7 Bde., 1966-1979
  • Divergent series, Oxford 1973
  • Fourier Series, 3.Aufl., Cambridge 1956
  • mit George Polya, John Edensor Littlewood Inequalities, 1934
  • Orders of infinity, Cambridge 1924
  • Ramanujan - 12 lectures suggested by the subject of his life and work, AMS 1999

zu Hardy und seinem Werk:

  • Robert Kanigel: Der das Unendliche kannte. Das Leben des genialen Mathematikers Srinivasa Ramanujan. Vieweg, Braunschweig und Wiesbaden 1993, ISBN 3-528-06509-5 (Kapitel 4 auf S. 89-127 und große Teile des restlichen Buches handeln von G. H. Hardy).
  • Titchmarsh u.a., Nachruf in London Mathematical Society 1950

Weblinks


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