Gansfort

Gansfort

Johann Wessel (* 1419 in Groningen; † 4. Oktober 1489 ebenda; auch unter den Beinamen Gansfort, Goesfort, Gösevort oder Basileus, dem griechischen Wort für Wessel) [1] war berühmter Platoniker und Humanist, Vorläufer der deutschen Reformation, von seinen Zeitgenossen wegen seiner scharfsinnigen Beweisführungen gegen alle Autoritäten, insbesondere Thomas von Aquin mit dem Titel Lux mundi (Licht der Welt) und Magister contradictionis (Meister des Widerspruchs) geehrt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Johann Wessel Gansfort war Sohn eines Bäckers. Früh verwaist kam er auf die berühmte Schule in Zwolle (heute Niederlande) und lebte im Konvikt der Brüder vom gemeinsamen Leben im nahen Kloster auf dem Agnetenberg. Dort begegnete er dem Augustiner-Mönch und Mystiker Thomas von Kempen, der das nach der Bibel meistverbreitete Buch des Spätmittelalters, die Nachfolge Christi (De imitatione Christi) und zahlreiche asketische, historiographische und biographische Werke verfasste. Wessel beschäftigte sich intensiv mit Thomas von Kempens innerlicher Vertiefung und gläubiger Heilsverfassung. Er verband diese Erfahrung mit der Schärfe seines logischen Denkens und der Freude an dialektischen Untersuchungen und Auseinandersetzungen. Er erhielt in Zwolle schon nach kurzer Zeit ein Lehramt. [2]

Zur weiteren Studien und intensiverer Bildung in der Dialektik ging er 1449 nach Köln und kam dort in der Bursa Laurentiana unter, die ein Landsmann von ihm gegründet hatte. Die damaligen Lehrer an der Universität waren fast durchgängig Anhänger des Realismus. Auch Wessel sympathisierte mit dieser philosophischen Denkrichtung und begann gleichzeitig seine humanistischen Studien. An alten Sprachen studierte er Griechisch und – wahrscheinlich unter Anleitung jüdischer Lehrer – Hebräisch. Den aus Vorlesungen und Lektüre angehäuften Wissensstoff legte er in einer Sammlung an, die er mare magnum nannte.

In Köln erwarb er die Magisterwürde. Vom Beichtvater des Erzbischofs von Köln empfohlen, erhielt er einen Ruf an die Universität Heidelberg. Er setzte 1456/57 dort das Studium fort und lehrte auch in der Artistenfakultät [3].

Nach einem kurzen Aufenthalt in Löwen zog es ihn zur weiteren wissenschaftliche Ausbildung nach Paris, dem geistigen Mittelpunkt jener Zeit. Dort war gerade die Auseinandersetzung im Universalienstreit der Verfechter des Nominalismus gegen jene des Realismus, insbesondere der Landsleute Wessels Heinrich von Zomeren und Nikolaus von Utrecht, heftig im Gange. Wessel wollte sich auf der Seite des Realismus an der philosophischen Auseinandersetzung beteiligen. Während der Vorbereitungen überzeugten ihn aber die Argumentes des Nominalismus. Zwar behielt er seine Einstellung zu Plato, Augustinus und der Scholastik bei, jedoch ist anzunehmen, dass sich seine Einstellung zur Kirchenpolitik änderte. Die Nominalisten waren fast durchgängig antipäpstlich gesinnt und auch Wessel wandte sich allmählich dieser Gesinnung zu. [2]

Wessel blieb 16 Jahre in Paris. Ob er dort als akademischer Lehrer wirkte, ist umstritten [4]. Schließlich wurde der Nominalismus verboten und Wessel, der Auseinandersetzungen überdrüssig, widmete sich hauptsächlich der Unterstützung des Humanismus

Vorübergehend weilte er in Angers. Nach Rom zog ihn 1470 seine Freundschaft mit Kardinal Bessarion und sein Interesse an weiteren Studien. Von Papst Sixtus IV. angebotene Ämter schlug er aus. Seine weiteren Stationen waren Venedig und Basel. In Basel traf er Johann Reuchlin und Rudolf Agricola und unterhielt mit ihnen eine lebhafte wissenschaftliche Beziehung. 1474 kehrte Johann Wessel Gansfort über Heidelberg und Köln in seine Heimat zurück-

Seine letzten Jahre lebte Wessel in verschiedenen Klöstern teils in Groningen, teils auf dem Agnetenberg bei Zwolle unter dem Schutz seines Gönners, des Bischofs David von Utrecht, denn seitdem man Männer wie den Theologen Johann Rucherath (Wesel) verfolgte [2], fühlte auch er sich nicht mehr sicher. [2].

Wirkung auf die Reformation

Unter dem Einfluss der Brüder vom gemeinsamen Leben und der Schriften des Aurelius Augustinus befasste sich Wessel mit gewissen Anschauungen der Bibel. [5]

Martin Luther bezog sich 1522 in seinem Vorwort zu einer Sammlung kleinerer Traktate und Briefe Wessels auf dessen sehr auf die Bibel ausgerichteten Glauben und seine Lehre:

hic si mihi antea fuisset lectus, poterat hostibus meis videri Lutherus omnia ex Wesselo hausisse adeo spiritus utriusque conspirat in unum. [2]
„Wenn ich den Wessel zuvor gelesen hätte, so ließen meine Widersacher sich dünken, Luther habe alles Wessel entnommen, also stimmt unser beider Geist zusammen.“ [5]

Das Bibliographische Kirchenlexikon lässt jedoch die Aussage, Wessel sei ein Vorläufer der Reformation gewesen, nur bedingt gelten und begründet dies damit, Wessel stehe in grundlegenden Punkten wie im Artikel von der Rechtfertigung noch ganz auf dem Boden der mittelalterlichen Lehre.

Die meisten der Schriften Wessels wurden von der Inquisition vernichtet.

Kennzeichnend für seine theologische Auffassung ist sein Bekenntnis auf dem Sterbebett:

Ich kenne Niemand als Jesus den Gekreuzigten

Seine Freunde waren die gleichgesinnten Theologen und Humanisten Heinrich von Rees, Abt von Advert, Rudolf Lange, Johann Agricola, Hermann von dem Busch [6].

Werke/Schriften

Hauptschriften: (neben den verlorenen)

  • De oratione
  • De sacra Eucharistia
  • De passione Christi
  • De purgatorio et indulgentia

Ausgaben:

  • Farrago rerum theologicarum, mit Vorrede von Martin Luther, (Wittenberg, 1522), auch (Groningen, 1614) und (Amsterdam, 1617)

Quellen

  1. laut ADB kommt der Beiname Goesfort von Goes in Westfalen, wo die Familie Wessel herstammte
  2. a b c d e siehe Weblink Allgemeine Deutsche Bibliothek ADB
  3. siehe Weblink Heidelberg mobil
  4. Das BBKL behauptet das, die AGB stellt ein öffentliches Lehramt Abrede, hält jedoch Lehrauftritte in größeren und kleineren Kreisen für wahrscheinlich
  5. a b siehe Weblink Kirchenlexikon BBKL
  6. ADB Bd. 3, S. 637-640

Literatur

  • B. Bähring: Johann Wessels Leben, 1846; M. van Rhijn, Studien over Wessel Gansfort en zijn tijd, 1933
  • H. J. J. Wachters: Wessel Gansfort, 1940
  • L. D. Snyder: Wessel Gansfort and the Art of Meditation, Diss. Cambridge/ Mass. 1966
  • F. Akkermann: Wessel Gansfort (1419 - 1489) and Northern Humanism, Leiden 1993

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • GANSFORT (W.) — GANSFORT WESSEL (1419 env. 1489) Né à Groningue, en Frise, Wessel Gansfort fait ses études à Cologne. Doté d’une immense culture, il vient, peu après 1450, affronter les maîtres nominalistes à Paris, où il resta près de vingt ans, avant de… …   Encyclopédie Universelle

  • Gansfort — Gansfort, Wessel (dies der Vorname, nicht Johann), Vorläufer der Reformation, geb. um 1420 in Groningen, erzogen von den Brüdern des gemeinsamen Lebens zu Zwolle, lehrte nachmals die Philosophie in Köln, Löwen, Heidelberg und Paris und starb nach …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Gansfort — Gansfort, Vorläufer Luthers, s. Wessel, Joh …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Gansfort —   [ xansfɔrt], Wessel, eigentlich Johan Wẹssel, niederländischer Reformtheologe, Philosoph und Humanist, * Groningen um 1419, ✝ ebenda 4. 10. 1489; Schüler der Brüder vom gemeinsamen Leben; bestritt die kirchlichen Lehren von der Unfehlbarkeit… …   Universal-Lexikon

  • Gansfort, John Wessel — • A fifteenth century Dutch theologian, born at Gröningen in 1420; died there on 4 Oct., 1489 Catholic Encyclopedia. Kevin Knight. 2006 …   Catholic encyclopedia

  • Gansfort, Wessel — (ca. 1419 1489)    Dutch humanist and theologian, closely linked to the spiritual movement known as Devotio Moderna. A native of Groningen, about 1432 he went to Zwolle, where he lived in a house of the Brethren of the Common Life, first as a… …   Historical Dictionary of Renaissance

  • GANSFORT, Wessel — (c. 1419–1489)    Born in Groningen, Gansfort studied with the Brothers of the Common Life, founded by Geert Groote, in Zwolle and in Cologne and Heidelberg, Germany. He later taught at the University of Paris for many years. His broad eru dition …   Historical Dictionary of the Netherlands

  • Wessel Gansfort — Wessel Harmensz Gansfort (1419 ndash; October 4 1489), was a theologian and (proto)humanist of the northern Low Countries. Many variations of his last name are seen and he is sometimes incorrectly called Johan Wessel.Gansfort was born at… …   Wikipedia

  • Juan Wessel Gansfort — Este artículo o sección sobre biografías y religión necesita ser wikificado con un formato acorde a las convenciones de estilo. Por favor, edítalo para que las cumpla. Mientras tanto, no elimines este aviso puesto el 21 de abril de 2007. También… …   Wikipedia Español

  • John Wessel Goesport (Gansfort) —     John Wessel Goesport     † Catholic Encyclopedia ► John Wessel Goesport     (GANSFORT).     A fifteenth century Dutch theologian, born at Gröningen in 1420; died there on 4 Oct., 1489. He was educated at Zwolle and lived in the seminary of… …   Catholic encyclopedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”