- Gariban
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Als Brünnen (auch Brunnika, Panzerhemd und Haubert) werden verschiedene mittelalterliche, teilweise hypothetische Körperpanzerungen bezeichnet. Die waffenkundliche Forschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts entwickelte ein ganzes System unterschiedlicher Rüstungsformen, die heute von den meisten Fachleuten auf das herkömmliche Ringpanzerhemd (fälschlich "Kettenhemd") und verschiedene Abarten des Schuppenpanzers reduziert werden.
Inhaltsverzeichnis
Die Brünne im 19. und frühen 20. Jahrhundert
Nach der Ansicht der älteren Forschung war die Brünne eine aus gepolsterter Leinwand oder Leder gefertigte Panzerjacke, welche ab dem 7./8. Jhd. von deutschen und fränkischen Fußkämpfern und Rittern getragen wurde.
Seit dem Hochmittelalter habe man eiserne Ringe, Ketten, Metallplatten oder dicke, vernietete Nagelköpfe auf derben Stoff, Leder, Filz oder Loden befestigt. Die so entstandene einfachen Panzerungen sollen bis ins Spätmittelalter besonders von weniger wohlhabenden Edelleuten und Kriegern verwendet worden sein. Aufwändige Sonderformen wären etwa aus Panzerringen oder Plättchen angefertigt gewesen, die auf Lederstreifen oder Schnüre aufgefädelt wurden ("Lederstreifige Ringbrünne", engl. "banded mail".)
Mangels erhaltener Originalexemplare und entsprechender archäologischer Fundstücke müssen die damals entwickelten Vorstellungen bislang spekulativ bleiben. Eindeutig nachweisbar und von der modernen Forschung anerkannt sind in im abendländischen Kulturkreis bislang nur herkömmliche Ringpanzerhemden aus vernieteten oder verschweissten Eisenringen und zahlreiche Abarten von Schuppenpanzern.
Als Primärpanzerung des hochmittelalterlichen Ritters wird das vernietete Ringgeflecht angesehen, das über einem gepolsterten Untergewand (Gambeson) getragen wurde. Ab dem 13. Jahrhundert verstärkte man den Körperschutz durch Plattenröcke, Panzerplatten und Schienen. Diese Entwicklung endete im Spätmittelalter im geschlossenen Plattenharnisch.
Die Brünne hatte zuerst die Form eines mit Ärmeln versehenen und bis zu den Knien reichenden Rockes oder Hemdes, mit Kapuze. Im Spätmittelalter schützte die Brünne nur noch den gefährdeten Halsbereich des Kriegers und war direkt mit der Beckenhaube oder dem Helm verbunden (Helmbrünne). In Persien waren ähnliche Panzerkrägen unter dem Namen Gariban bekannt.
Die Brünne wurde vom frühen Mittelalter bis zu dessen Ausgang benutzt, in der Tat wird sie in der latinisierten Form brunia bereits in den Kapitularien Karls des Großen erwähnt.
Die Entstehung der älteren Vorstellungen
Besonders im 13. und 14. Jahrhundert wurden verschiedene Methoden zur künstlerischen Abbildung mittelalterlicher Körperpanzerungen verwendet. Diese meist stilisierten Darstellungsarten sorgen bis in die Gegenwart für reichlich Verwirrung. In der Vergangenheit sah man die unterschiedlichen künstlerischen Umsetzungen als tatsächliche Wiedergaben verschiedener Abarten an. Diese Auffassung lässt sich aus heutiger Sicht bis auf einige Zweifelsfälle meist eindeutig widerlegen. Die zahlreichen Miniaturen, Zeichnungen und Skulpturen aus dem Hochmittelalter zeigen zweifelsfrei in der Regel herkömmliche Ringpanzerhemden oder Schuppenpanzer.
Neben den hochmittelalterlichen Miniaturen diente den damaligen Fachleuten besonders der berühmte „Teppich von Bayeux“ als Quelle ihrer Interpretationen. Die dargestellten Panzerungen werden von der modernen Forschung als herkömmliche Ringpanzerhemden gedeutet. Die ältere Waffenkunde „übersetzte“ die stark stilisierten Abbildungen des Bildteppichs „wörtlich“ und entwickelte so insbesondere die Vorstellung einer Panzerung aus aufgenähten Ringen. Eine voll funktionsfähige Brünne dieses Typs wurde etwa um 1900 von Karl Gimbel rekonstruiert. Dieser Laienforscher erschuf auch zwei Rekonstruktionen von „lederstreifigen Brünnen“ (banded mail) nach mittelalterlichen Miniaturen.
Offen bleibt allerdings die Frage, ob die verwirrenden unterschiedlichen Darstellungsarten auf real existierende Sonderformen im Sinne der älteren Forschung zurückgehen. Besonders die Schöpfer der unzähligen Buchillustrationen benutzten offenbar Vorlagen aus Musterbüchern, die teilweise auch auf Vorbilder (Ikonen, Holzschnitte) aus dem orthodoxen Kulturkreis zurückzuführen sein könnten. Dort wurden bis in die frühe Neuzeit verschiedene Abarten und Sonderformen der Körperpanzerung verwendet, die sich eindeutig nachweisen lassen und in Originalstücken erhalten blieben. Es ist hier durchaus wahrscheinlich, das solche Panzerungen als Handelsware oder Beutestücke etwa in Folge der Kreuzzüge oder der Ostkolonisation nach West- und Zentraleuropa gelangt sein könnten.
Die neuere Forschung begründet ihre ablehnende Haltung meist mit dem Fehlen entsprechender archäologischer Nachweise oder Originalstücke. Allerdings wäre die Erhaltung entsprechender Funde wegen der Vergänglichkeit der organischen Trägermaterialien rein zufällig. Die Forschung des 19. und frühen 20 Jahrhunderts ging auch deshalb von der Existenz zahlreicher Sonderformen der Brünne aus, da man annahm, die Technik des Drahtziehens sei erst im Laufe des 14. Jahrhunderts in Europa entwickelt worden. Bis dahin seien herkömmliche Ringpanzerhemden nur sehr wohlhabenden Kriegern erschwinglich gewesen. Tatsächlich gibt es jedoch Hinweise, dass rationelle Methoden zur Herstellung eiserner Panzerringe bereits im frühen 11. Jahrhundert angewendet wurden.
Nachwirkung
Trotz der überwiegenden Ablehnung der beschriebenen Sonderformen der Brünne durch die moderne Fachwissenschaft sind die älteren Vorstellungen besonders in der populärwissenschaftlichen Literatur noch stark verbreitet.
Sogar im 2008 erschienenen Katalog zur Bayerischen Landesausstellung "Adel in Bayern" deutet der Autor des Beitrages über den spektakulären Fund eines zu 80 Prozent erhaltenen Plattenrockes im Areal des niederbayerischen Burgstalles Hirschstein die Panzerung in dieser Weise: Da das technische Problem einer selbsttragenden flexiblen Verbindung der Komponenten eines Harnischs damals noch nicht gelöst war, dürften der Panzerkragen, die beiden Schulterstücke, die große Brustplatte und die drei Schoßreifen mit schmalen Abstandsfugen zur besseren Beweglichkeit auf einer Weste oder einer Jacke aus festem Stoff oder aus Leder befestigt gewesen sein. Möglicherweise waren diese Metallteile nicht blank sichtbar, sondern mit Stoff bezogen (S. 39).[1]
Panzerungen dieser verschiedenen Macharten erscheinen häufig in Spielfilmen, die historische Ereignisse thematisieren. Ein extremes Beispiel ist hier Mel Gibsons „Braveheart“-Epos um den schottischen Freiheitskämpfer William Wallace. Hier trägt nahezu die gesamte englische Okkupationsarmee uniforme Rüstungen mit aufgesetzten Panzerplatten. Nur hochgestellte Krieger tragen Panzerungen aus Ringgeflecht.
Die großen kostümgeschichtlichen Tafelwerke des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sind heute oft wieder als Reprints erhältlich. Auch einige moderne populärwissenschaftliche Bilderwerke greifen die älteren Interpretationen wieder auf.
Von den neueren seriösen Fachautoren ging nur noch Francois Buttin von der tatsächlichen Existenz von Panzerungen in der Art des "banded mail" aus. Er glaubte, Hinweise auf diese Abart ("besongne quasiguesnée") in französischen Schriftquellen gefunden zu haben. Allgemein folgt man heute der Meinung F.M. Kellys und Claude Blaires, die alle verschiedenen Sonderformen der Brünne und sonstigen mittelalterlichen Körperpanzerung für unwahrscheinlich ansahen.
Literatur
- Claude Blaire: European Armour circa 1066 to circa 1700. London, 1959
- Francois Buttin: Du costume militaire au Moyen Age et pendant la Renaissance. - Barcelona 1971 (Memorias de la Real Academia de Buenas Letras de Barcelona, 12)
- Liliane und Fred Funcken: Historische Waffen und Rüstungen. - München, 1980 (zahlr. spätere Aufl. enthält einige umstrittene Vorstellungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts)
- Karl Gimbel: Die Reconstructionen der Gimbel'schen Waffensammlung. Berlin, 1902
- John Hewitt: Ancient armour and weapons in Europe. 3 Bde. Oxford, 1855/60
- F. M. Kelly: Römisch-Romanische Ringelpanzer - Ihre Darstellung in der gleichzeitigen Kunst. In: Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde, 13 (Neue Folge, 4), Berlin, 1923/34
- Samuel R. Meyrick: A critical inquiry into ancient armour.... - London, 1824
- Niels M. Saxtorph: Kriegstrachten in Farben. Von den Anfängen der Geschichte bis zum 17. Jahrhundert. Berlin, 1971
- Eugène Viollet-le-Duc: Encyclopédie mediévale, 2 Bde. - Bayeux, 1879
Einzelnachweise
- ↑ Adel in Bayern - Ritter, Grafen, Industriebarone (Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2008, 26. April bis 5. Oktober 2008 Schloss Hohenaschau, Aschau i. Ch. / Ausstellungszentrum Lokschuppen Rosenheim). Augsburg, Haus der Bayerischen Geschichte, 2008. ISBN 978-3-937974-19-4
Siehe auch
Weblinks
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