Gebärschemel

Gebärschemel
Gebärende "Muttergöttin" in Çatal Höyük.
Geburtsschemel in Kom Ombo
Gebärstuhl aus dem 19. Jahrhundert Sülzenbrücken.

Ein Geburtsstuhl, auch „Gebärstuhl“ oder „Gebärschemel“ ist ein spezielles Sitzmöbel, das Frauen die Geburt erleichtern soll.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zu allen Zeiten und in allen Teilen der Erde haben Frauen versucht, sich durch die Einnahme unterschiedlicher Haltungen bei der Geburt zu entspannen und dazu auch unterschiedliche Hilfen eingesetzt. Es wurde meist die aufrechte Haltung des Oberkörpers bevorzugt und unterstützt, da diese die Nutzung der Schwerkraft erlaubt. Die gewählten Sitzgelegenheiten reichen von geeigneten Steinen, über Schemel bis zu aufwendig konstruierten Spezialmöbeln mit kunsthistorischer Bedeutung oder aktuellem Patentwert.

Weibliche Figurinen in Çatal Höyük

In der jungsteinzeitlichen Siedlung Çatal Höyük ist die „Muttergöttin“ das berühmteste Exemplar der dort gefundenen Figurinen. Sie ist auf 5750 v Chr. datiert und im Museum für anatolische Zivilisationen in Ankara zu sehen. Da sie gebärend auf einem stattlichen Stuhl sitzt, könnte dieser als frühester dokumentierter Geburtsstuhl angesehen werden.

Geburtstuhl bei den Ägyptern

In Ägypten gab es bereits um 2500 v. Chr. Geburtsstühle. Ein fast 4000 Jahre altes Exemplar wurde 2002 in Oberägypten von amerikanischen Archäologen ausgegraben. Dargestellt sind sie besonders häufig in den Reliefdarstellungen an den Wänden der Mammisi (Geburtsheiligtümer) der Spät- und Römerzeit. Aus dieser Zeit zeigt die Wand des äußeren Tempelumgangs von Kom Ombo (40 km nördlich von Assuan) nicht nur den berühmten „Instrumentenschrank“, das umfangreiche Instrumentarium, das einem ägyptischen Arzt zur Verfügung stand. Links davon sitzen zwei weibliche Gestalten (die untere Gestalt ist durch den Thron auf ihrem Kopf als die Gottesmutter Isis zu identifizieren) auf Geburtsschemeln.

Die Bibel erwähnt für die Periode der Knechtschaft der Israeliten in Ägypten die Existenz ägyptischer Geburtsstühle. Im zweiten Buch Mose graut es einem neuen Pharao, der nichts mehr von den großen Verdiensten des Josef wusste, vor dem starken Anwachsen der Anzahl Israeliten in seinem Lande. Er fürchtet, dass diese, wie wir heute sagen würden, eine „fünfte Kolonne“ bilden könnten. So befiehlt er den beiden hebräischen Hebammen Schifra und Pua (Exodus 1, 16): Wenn ihr die Hebräerinnen gebären lasst und auf dem Geburtsstuhl seht, dass es ein Sohn ist, so tötet ihn; ist es aber eine Tochter, so soll sie leben!

Für Geburtsstuhl steht an dieser Stelle in der hebräischen Bibel אָבְנָיִם, das ist der Dualis von Stein, bedeutet also Doppelstein. Der Name stammt offensichtlich von einem archaischen Sitzmöbel, das aus zwei Steinen (Ziegelsteinen) bestand und dazwischen Platz für den Austritt des Kindes aus dem Mutterleib ließ.

Zur Erinnerung: die beiden Hebammen entgegnen, nachdem der König sie wegen Nichtbefolgung seines Befehls zu sich zitiert (Exodus 1, 19): „Nicht wie die die ägyptischen Frauen sind die Hebräerinnen. Sie sind wie Tiere, noch bevor die Hebamme zu ihnen kommt, haben sie geboren.“ Bei den Hebräerinnen war demnach zumindest in dieser Zeit keine Geburtsstühle üblich.

Geburtsstühle in Mittelalter und Neuzeit

Die Geburt auf einem Gebährstuhl kommt der natürlichen Hockhaltung bei der Geburt sehr nahe, wie sie bei Naturvölkern, z.B. Afrikas, aus vielen Quellen bekannt ist. In den Ländern und Zeitperioden, in denen stundenlanges Kauern am Boden bei der Arbeit, beim Essen, bei der Unterhaltung etc. nicht üblich war, hätte diese Haltung für die gebärende Frau keine Entspannung der Muskulatur gebracht. Es wurden daher die unterschiedlichsten Bauweisen für Sitzmöbel konzipiert und mit dem Aufkommen der Buchdruckkunst auch kommuniziert.

Wegen des Fehlens wirksamer Verhütungsmittel und wegen der starken religiösen und gesellschaftlichen Vorbehalte gegen die Abtreibung folgte früher bei den meisten Frauen eine Schwangerschaft auf die andere. Ein eigener Geburtsstuhl gehörte daher schon im Altertum vielfach zur Grundausrüstung einer Hebamme oder einer wohlhabenden Frau. Solche Möbelstücke waren denn auch nicht nur nüchtern funktionell sondern oft aufwendig künstlerisch gestaltet.

Die heute im Kreißsaal angebotenen Betten und Stühle sind pflegeleichte und komfortable Konstruktionen mit motorisch verstellbaren Abschnitten und Stützen (eventuell sogar mit der Gebärenden schwenkbar wie in Falle des Romarads), die eine große Variabilität in der Körperhaltung bei der Geburt erlauben. Somit kann einerseits die Schwerkraft beim Geburtsvorgang genutzt und andererseits der Hebamme bzw. dem Arzt der Blick und Zugriff auf den Geburtskanal erleichtert werden.

Weblinks

  • Umfassende Arbeit zum Thema Geburt und Geburtsstühle [1]
  • Kurzartikel im der Ärztewoche [2]
  • Geburtsstuhl und altägyptische Geburtsszene [3]
  • Bericht über Fund des ägyptischen Geburtsstuhls (engl.)[4]

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