Gelbes Elend

Gelbes Elend

Im sächsischen Bautzen gab es historisch zwei Gefängnisse, die heute insbesondere für Unrecht und politische Verfolgung in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR bekannt sind.

Das zwischen 1900 und 1904 gebaute Zuchthaus Bautzen, später Bautzen I genannt, im Volksmund wegen der gelben Fassade Gelbes Elend, ist heute Justizvollzugsanstalt des Landes Sachsen. Etwa gleichzeitig wurde in Bautzen in der Nähe des Amts- und Landgerichtes ein Untersuchungsgefängnis gebaut, später Bautzen II genannt, welches heute eine Gedenkstätte für beide Gefängnisse beherbergt. In der Zeit des Nationalsozialismus, der Zeit der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR dienten beide Gebäudekomplexe unter anderem als Gefängnisse für politische Gefangene.

Inhaltsverzeichnis

Bautzen I: „Gelbes Elend“

Teil des Gebäudekomplexes der Strafvollzugseinrichtung (StVE) Bautzen
Der Komplex kurz nach seiner Errichtung

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde am nördlichen Stadtrand von Bautzen die ihrerzeit modernste Strafvollzugsanstalt Sachsens errichtet. Schon in dieser Zeit erhielt sie wegen der Bauweise sowohl der Gebäude als auch der Gefängnismauern aus gelben Klinkern den heute berüchtigten Beinamen „Gelbes Elend“. Das Gefängnis orientierte sich in den ersten Jahrzehnten an Plänen zur Einführung eines modernen, menschenwürdigen, nach liberalen Grundsätzen gestalteten Strafvollzugs.

Das änderte sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Zwischen 1933 und 1945 waren in Bautzen I politische Gegner aus der KPD und der SPD (so z. B. 1943/44 Ernst Thälmann) und anderen von den Nazis verfolgten Gruppen, wie beispielsweise Zeugen Jehovas, und aus kirchlichen Oppositionskreisen inhaftiert.

Von Juni 1945 bis Februar 1950 richtete die Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) in der Haftanstalt das Speziallager Nr. 4, später Speziallager Nr. 3 ein. Zunächst wurden dort Nationalsozialisten interniert. Internierungen fanden teilweise ohne konkrete Einzelfallprüfung statt.

Spätestens ab 1946 wurden auch sozialdemokratische und bürgerliche Gegner der SED sowie willkürlich Festgenommene in der Vollzugsanstalt festgehalten. In einem provisorisch errichteten Barackenlager lebten 5.000 bis 7.000 Gefangene, weitere rund 7.000 Häftlinge in den Sälen und Zellentrakten der Haftanstalt (normalerweise fünf, vereinzelt auch sechs Mann in einer „Einzelzelle“). Die Haftbedingungen waren unmenschlich. Rund 5.000 Internierte wurden im Sommer 1948 entlassen, weitere 1.350 im Januar 1950. Bis dahin starben etwa 4.100 Gefangene, die in anonymen Massengräbern bestattet wurden. 1992 wurden bei gezielten Grabungen in früheren Schützengraben die sterblichen Überreste von 180 Menschen gefunden.

In einem Gebäude waren ab 1946 - völlig getrennt von den Insassen des Speziallagers - von Sowjetischen Militärtribunalen (SMT) nach dem Strafrecht der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) Verurteilte untergebracht. Zum Beispiel wurde die KZ-Wächterin Margot Drechsel in Bautzen zum Tode verurteilt und gehängt. Unter den verurteilten Insassen waren aber auch sowjetische Militärangehörige. Die Aufsicht im Gebäude hatten ausschließlich sowjetische Uniformierte. Vor den Zellenfenstern wurden große Blechblenden montiert, die keinerlei Ausblick mehr zuließen.

Vom 15. Februar 1950 bis 1989 unterstand Bautzen I dem Innenministerium der DDR. Der größte Teil der SMT-Verurteilten, 5.400 Gefangene, verblieben zunächst in der Haftanstalt, 700 wurden in die Justizvollzugsanstalt Waldheim verlegt. Nur 650 von ihnen wurden freigelassen. Im März 1950 kam es in der Anstalt zu Hungerprotesten, die von der Deutschen Volkspolizei niedergeschlagen wurden. Seit den 1950er Jahren diente Bautzen I in erster Linie zur Inhaftierung mehrfach Vorbestrafter und wegen schwerer Delikte zur Langzeithaft Verurteilter.

Seit 1990 ist Bautzen I eine Justizvollzugsanstalt des Landes Sachsen und dient dem Vollzug langer Freiheitsstrafen von Männern.

Bautzen II: „Stasi-Knast“ (heute Gedenkstätte)

Volker Rühe auf Besichtigung, 1990
Gedenkstätte
Eingangsbereich Gedenkstätte

Zwischen 1902 und 1906 wurde an der Lessingstraße in der Bautzener Ostvorstadt ein großzügiges neues Gerichtsgebäude errichtet, dem ein Vollzugskomplex (51° 10′ 41″ N, 14° 26′ 12″ O51.17805555555614.4366666666677) angeschlossen war. Dieser umfasste 134 Einzel-, 23 Dreimann-, 2 Durchgangs-, 4 Kranken- und 5 Arrestzellen. Am 1. Oktober 1906 wurde der Komplex vom Gerichtsvollzug in eine Gefangenenanstalt umgewandelt. 1933 wurde Bautzen II offiziell zur Zweigstelle von Bautzen I umfunktioniert.

In Bautzen II waren in der Zeit des Nationalsozialismus auch politische Gefangene in Untersuchungshaft. Von 1945 bis 1949 diente es der sowjetischen Militärverwaltung als Untersuchungsgefängnis, von wo aus die Verurteilten direkt nach Bautzen I kamen. Ab 1949 unterstand es als Untersuchungsgefängnis dem Justizministerium der DDR, seit 1951 dem Innenministerium.

Von 1956 bis 1989 wurde es faktisch vom Ministerium für Staatssicherheit kontrolliert, obwohl es offiziell dem Ministerium des Innern unterstellt war, und wurde deshalb auch als Stasi-Knast bezeichnet. Die überwiegende Zahl der Insassen war aus politischen Gründen inhaftiert. Zu den Gefangenen zählten vor allem politische Gegner der SED-Führungsspitze, ausländische Häftlinge, die wegen Spionage und Fluchthilfe verurteilt waren, aber auch straffällig gewordene Funktionäre aus dem DDR-Herrschaftsapparat. Durchschnittlich waren in dieser Zeit 150 bis 180 Gefangene in Bautzen II inhaftiert.

Auch in Bautzen fanden Montagsdemonstrationen in der Wendezeit statt, vor der Haftanstalt Bautzen II wurden Kerzen angezündet und unter anderem die Freilassung der Gefangenen gefordert. Im Dezember 1989 wurden die letzten politischen Gefangenen entlassen.

Von 1990 bis 1992 war Bautzen II wieder wie vor 1945 eine Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Bautzen I. Aufgrund der Initiative des „Bautzen-Komitee“ e.V., einer 1990 gegründeten Vereinigung ehemaliger Häftlinge wurde Bautzen II 1992 geschlossen und ab 1993 zu einer Gedenkstätte umfunktioniert. Seitdem gibt es dort eine Dauerausstellung, die noch regelmäßig erweitert wird. Vorträge, Filmvorführungen, Rundgänge mit Zeitzeugen sind möglich.

„Bautzen“ in der öffentlichen Wahrnehmung

Insbesondere in den ersten Nachwendejahren wurde „Bautzen“ als ein Inbegriff des DDR-Unrechtes über die deutschen Grenzen hinaus bekannt. Dazu beigetragen haben hauptsächlich die Initiativen ehemaliger Häftlinge, wie das Bautzen-Komitee e.V., und eine ausführliche Berichterstattung in der deutschen Presse. Die Tatsache, dass einige bedeutende Schriftsteller in Bautzen gefangengehalten wurden, ist ebenfalls zu erwähnen, da diese ihre Erlebnisse auch literarisch verarbeitet haben. Bedeutend ist die Tatsache, dass Bautzen II über einen längeren Zeitraum faktisch vom Ministerium für Staatssicherheit kontrolliert wurde. Berücksichtigt werden muss allerdings, dass Bautzen bei weitem nicht das einzige Gefängnis der DDR war, wo Menschen auch aus politischen Gründen inhaftiert waren. Des Weiteren wurden in öffentlichen Äußerungen teilweise die Verbrechen in der Sowjetischen Besatzungszone fälschlicherweise auch der DDR angerechnet. Begriffe wie „Gelbes Elend“ und „Stasi-Knast“ wurden und werden häufig vermengt. Bautzen war aber nur eines (und auch nicht das größte) von zehn Speziallagern der Sowjetischen Besatzungszone. Aus Bautzen II sind für die DDR-Zeit unmenschliche Haftbedingen erwiesen, einige Häftlinge haben dauerhafte psychische und physische Schäden davongetragen, es sind aber keine Ermordungen nachgewiesen, einige wenige Gefangene starben allerdings unter ungeklärten Umständen in ihren Zellen.

Bekannte Häftlinge

Literatur

  • Karl Wilhelm Fricke & Silke Klewin: Bautzen II. Sonderhaftanstalt unter MfS-Kontrolle 1956 - 1989. Bericht und Dokumentation. 2. durchgesehene Auflage. Kiepenheuer, Leipzig 2002, ISBN 3-378-01056-8
  • Winfried Köhler: Die Hoffnung gab uns Kraft. Pro Business, Berlin 2003, ISBN 3-937343-00-8

Weblinks

51.19012514.4328138888897Koordinaten: 51° 11′ 24″ N, 14° 25′ 58″ O


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