Alexander Nikolajewitsch Romanow

Alexander Nikolajewitsch Romanow
Zar Alexander II. von Russland

Alexander II. Nikolajewitsch (russisch Алекса́ндр II Никола́евич; * 17.jul./ 29. April 1818greg.; † 1.jul./ 13. März 1881greg. in Sankt Petersburg) war Zar des Russischen Reiches aus dem Haus Romanow-Holstein-Gottorp.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Alexander II. wurde 1818 als Sohn des Zaren Nikolaus I. und der Kaiserin Alexandra Fjodorowna geboren. Er wurde unter der Leitung des Dichters Wassili Schukowski erzogen. Sein Charakter wurde als friedlich, weise und wohlwollend, aber auch wankelmütig und wenig tatkräftig beschrieben.

Regentschaft

Alexander II. von Russland

Als Alexander nach dem Tod seines Vaters am 18. Februarjul./ 2. März 1855greg. den Zarenthron bestiegen hatte, befand sich Russland im Krimkrieg, der unter Alexander zunächst unverändert fortgesetzt wurde. Der Zar besuchte im November selbst Odessa und die Krim.

Der Pariser Frieden von 1856 beendete diesen Krieg. Er schwächte zwar Russlands Machtstellung im Orient sehr, doch erholte es sich von dieser Niederlage durch die nach außen wie im Innern vorsichtige, aber energische Politik des Kaisers bald völlig. Auch nach diesem Frieden wurde die Unterwerfung der kaukasischen Bergvölker fortgesetzt, während zugleich die weiten Gebiete zwischen dem Kaspischen Meer und dem Aralsee unter russischen Einfluss gebracht und zum Teil völlig okkupiert wurden.

Kriege und Revolten

Als Reaktion auf die in der Niederlage im Krimkrieg zutage getretene Rückständigkeit Russlands nahm Alexander weitreichende Reformen in Angriff, deren wesentlichste Bestandteile die seit 1861 durchgeführte Aufhebung der Leibeigenschaft und eine neue Militärorganisation waren. Alexander setzte diese Reformen gegen große Widerstände durch.

1863 wurde der polnische Januaraufstand mit schonungsloser Härte niedergeschlagen. Die große Bedeutung der Reformen und die völlige Umgestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die sie zur Folge hatten, riefen in vielen Bevölkerungsgruppen Ablehnung hervor. Im Zuge dieser Unzufriedenheit und als Folge der immer noch bestehenden großen Ungleichheit in der Gesellschaft breiteten sich sozialistische, kommunistische und nihilistische Ideen aus und gewannen an Bedeutung. Gleichzeitig stärkte der Sieg über Polen nationalistische Gefühle und führte zum Erstarken des Panslawismus. Alexander machte keine ernsthaften Versuche, die Korruption in der Bürokratie zu unterdrücken; vielmehr duldete er korrupte Beamte in seiner nächsten Umgebung in hohen Stellungen. Daher stieg die Unzufriedenheit im Volk gegen Alexanders Regierung weiter.

Ein am 4. Apriljul./ 16. April 1866greg. [1] von dem Revolutionär Dimitrij Karakosow versuchtes Attentat auf den Kaiser, das durch den Bauern Kommissarow verhindert wurde, hatte eingehende Untersuchungen zur Folge, die die Existenz zahlreicher politischer Geheimbünde aufdeckten. Dieses und ein zweites Attentat, das während der Pariser Weltausstellung des Jahres 1867 von dem Polen Berezewski versucht wurde, übten auf den Kaiser einen nachhaltigen Eindruck aus und ließen seine Neigung zu Reformen schwinden. Die Zensur wurde in alter Strenge wiederhergestellt und ein umfassendes polizeiliches Überwachungssystem eingerichtet.

Alexander II.-Denkmal in Moskau

Während des Kriegs zwischen Österreich und Preußen im Jahr 1866 bewahrte Alexander eine neutrale, aber preußenfreundliche Haltung. Auch während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 lagen Alexanders Sympathien bei Deutschland, was er unter anderem durch Ordensverleihungen an die deutschen Heerführer und durch Ernennung des Kronprinzen Friedrich zum russischen Generalfeldmarschall zeigte. Infolge dieses Krieges stieg Alexanders Einfluss: Wilhelm I., der neue deutsche Kaiser, war nicht nur mit ihm verwandt, sondern ihm auch aus Dankbarkeit für seine Unterstützung verpflichtet, während Frankreich sich um sein Wohlwollen in einem eventuellen Revanchekrieg bemühte. Zu einer Krise kam es am 15. August 1879, als der Zar dem deutschen Kaiser den so genannten Ohrfeigenbrief zusandte. Alexander bewahrte aber seine deutschfreundliche Haltung. Russland schloss 1881 mit den Kaisern Wilhelm I. von Deutschland und Franz Joseph I. von Österreich in Berlin das Dreikaiserbündnis. Damit wurden die lange bestehenden Spannung zwischen Russland und Österreich-Ungarn zunächst abgebaut und der Frieden in Europa vorübergehend gefestigt. Russland erklärte sich in einem etwaigen Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich für neutral und erlangte dafür freie Hand im Osten.

Der Feldzug nach Chiwa 1873 erweiterte Russlands Macht im Innern Asiens beträchtlich, hatte aber zunächst noch keinen Konflikt mit Großbritannien zur Folge. Im Gegenteil schien sich 1874 durch die Heirat der einzigen Tochter Alexanders, Maria, mit Alfred, dem Herzog von Edinburgh, sogar eine Annäherung zwischen Russland und Großbritannien anzubahnen. Im Mai absolvierte Alexander einen Staatsbesuch in Großbritannien. Im Sommer 1874 fand auf Initiative von Alexander eine internationale Konferenz in Brüssel statt, die eine Konvention zu den Gesetzen und Gebräuchen des Krieges verabschieden sollte. Die Deklaration von Brüssel trat jedoch mangels Ratifikationen nie in Kraft.

Währenddessen reorganisierte er die Armee nach deutschem Muster. Noch ehe diese Reorganisation beendet war, wurde Alexander fast wider Willen durch die Ausbreitung des Panslawismus vor allem in Adels- und Beamtenkreisen zum Engagement Russlands auf dem Balkan gedrängt. Er duldete in der Balkankrise die Unterstützung Serbiens und Montenegros durch Freiwillige und Gelder, wurde selbst Pate für einen Sohn des serbischen Fürsten Milan III. und nahm öffentlich für die Christen im Osmanischen Reich Stellung.

Sarkophag Alexander II und dessen Frau in der Peter und Paul Kathedrale

Im April 1877 erklärte Russland im Gefolge des niedergeschlagenen Bulgarischen Aprilaufstand von 1876 dem Osmanischen Reich den Krieg. Alexander zog mit Gortschakow nach Bessarabien, folgte der vorrückenden Donauarmee durch Rumänien nach Bulgarien und schlug sein Hauptquartier in Gorny Studen auf, wo er auch während der militärischen Rückschläge blieb, die Russland im Juli bis September erlitt. Als mit dem Fall von Plewen wieder ein Erfolg erzielt wurde, kehrte er am 15. Dezember 1877 nach Sankt Petersburg zurück, wo er am 22. Dezember mit großem Jubel empfangen wurde.

Auch nach dem Krieg blieb seine Lage inmitten der sich bekämpfenden Richtungen in Russland schwierig, besonders nach neuen Anschlägen von Nihilisten 1879. Auf Alexander selbst wurden mehrere Anschläge verübt: am 14. April 1879 schoss Alexander Konstantinowitsch Solowjow auf ihn; am 1. Dezember 1879 versuchten Nihilisten, bei Moskau den Eisenbahnzug, in dem Alexander fuhr, zu sprengen; am 17. Februar 1880 gab es einen Versuch, das Winterpalais zu sprengen. Als Reaktion wurde die Überwachung und Verfolgung von Regimegegnern verschärft.

Alexander plante auch weiterhin Reformen der Gesellschaft.

Attentat

Als am 1.jul./ 13. März 1881greg. Alexander II. mit seiner Begleitmannschaft den Michalowski-Palast verließ, wurde nur wenige Meter entfernt beim Sankt Petersburger Gribojedow-Kanal seine Kutsche durch eine mit Dynamit gefüllte Dose von einer Explosion getroffen. Der Zar blieb noch unverletzt und wollte in Richtung Winterpalast gehen. Doch als der Urheber des Attentats, der Student Nikolai Ryssakow überwältigt wurde, rief er dem Zaren zu: "Freuen Sie sich nicht zu früh!". Ein zweiter Attentäter warf eine weitere Sprengbombe, die vor den Füßen des Zaren explodierte. Für den Herrscher kam jede Hilfe zu spät, er starb nach wenigen Stunden an seinen schweren Verletzungen an beiden Beinen. Sein damals zwölfjähriger Enkel Nikolaus, der spätere Nikolaus II., war Zeuge dieser Bluttat. Der Anschlag war eine Tat der Untergrundorganisation Narodnaja Wolja (Volkswille) . An dieser Stelle ließ sein Sohn Alexander III. die Auferstehungskirche bauen. Sein Grab befindet sich wie das aller Romanows in der Peter-und-Paul-Kathedrale. [2]

Nachkommen

Alexander II.-Denkmal im Zentrum von Helsinki
Denkmal für den "Befreier-Zar" in Sofia

Am 16. April 1841 heiratete Alexander II. die deutsche Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt (* 8. August 1824 als Maximiliane Wilhelmine Auguste Sophie Marie von Hessen-Darmstadt) mit der er acht Kinder hatte:

Am 3. Juni 1880 starb die Kaiserin Maria Alexandrowna. Wenige Wochen darauf, am 19. Juli 1880, heiratete er in morganatischer Ehe Jekaterina Dolgorukaja, mit der er schon seit längerer Zeit ein Verhältnis und fünf Kinder hatte, von denen zwei als Säuglinge starben:

  • Alexander (* 1868; † 1868), Fürst Jurjewski
  • Georgij (* 30. April 1872; † 31. August 1913), Fürst Jurjewski
  • Olga (* 27. Oktober 1873; † 1. August 1925), Gräfin von Merenburg
  • Boris (* 11. Februar 1876; † 30. März 1876), Fürst Jurjewski
  • Jekaterina (* 9. September 1878; † 22. Dezember 1959), Gräfin Obolinsky

Jekaterina Dolgorukaja wurde als Kammerfrau bei der Zarin eingeführt, um sie an den Hof zu bringen und nach der Eheschließung vom Zaren zur Prinzessin Jurjewskaja erhoben. Dennoch akzeptierte die Familie sie nie. Nach der Beisetzung des Zaren verließ sie mit ihren Kindern Russland.

Literatur

  • Heinz-Dieter Löwe in: Hans-Joachim Torke (Hrsg.), Die Russischen Zaren 1547–1917, C.H. Beck, München, 1999, ISBN 3-406-42105-9
  • Adelskalender, Heft 10, Verlag WIRD, Sankt Petersburg 2003, ISBN 5-94030-045-6

Einzelnachweise

  1. http://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=133799
  2. Michael Gregor: Das Ende des Zarenreiches. Komplett-Media 2007, ISBN 978-3-8312-9362-9 (Imperium, 2. Staffel, 2. Teil), S. 131

Weblinks


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