Gesetz der Verteilung rhythmischer Einheiten verschiedener Länge

Gesetz der Verteilung rhythmischer Einheiten verschiedener Länge

In der Sprachwissenschaft wird die Länge rhythmischer Einheiten danach bestimmt, wie viele Silben zwischen zwei betonten Silben in einem Satz oder Text vorkommen. Folgen zwei betonte Silben aufeinander, hat man eine rhythmische Einheit der Länge 1; sind zwei betonte Silben durch eine unbetonte getrennt, hat man eine rhythmische Einheit der Länge 2, etc.

Inhaltsverzeichnis

Zur Gesetzmäßigkeit der Verteilung rhythmischer Einheiten

Untersuchungen zur Verteilung rhythmischer Einheiten verschiedener Längen gehen auf den deutschen Psychologen Karl Marbe [1] zurück. Schüler und Kollegen haben diese Forschungen an mehreren Sprachen fortgeführt. Sie wurden im Göttinger Projekt Quantitative Linguistik [2] wieder aufgegriffen und daraufhin getestet, ob sie sich entsprechend einem Sprachgesetz verhalten, nicht immer mit guten Ergebnissen. Für die Erhebungen, die Marbe selbst an je einem Text von Goethe und Heine durchgeführt hat, und für neue Untersuchungen an weiteren Texten kann man aber zeigen, dass rhythmische Einheiten im Text dem gleichen Sprachgesetz unterliegen wie etwa die Wortlängen [3]. Dies gilt auch für 6 deutsche Text(konvolut)e, die Bianchi 1922 erarbeitet hat.[4] Bei altgriechischen Texten, die schon Albert Thumb bearbeitete, konnte die geometrische Verteilung erfolgreich verwendet werden. [5] Weitere Ergebnisse: Bei rund 50 deutschen und 30 englischen Texten [6] hat sich die Hyperpoisson-Verteilung als Modell bewährt, bei 20 russischen Texten die Binomialverteilung. [7]

Es handelt sich in allen Fällen um Verteilungen, die unter etwas verschiedenen Annahmen aus ein und demselben Ansatz heraus abgeleitet werden können.

Ein Beispiel

Ein Beispiel für eine Verteilung rhythmischer Einheiten verschiedener Länge (gemessen als Zahl der unbetonten Silben zwischen zwei betonten) in einem kurzen Pressetext [8]:

x
n(x)
NP(x)
1
20
20.29
2
113
110.45
3
111
114.49
4
69
65.58
5
22
25.95
6
10
7.85
7
2
2.40

(Dabei ist x: Zahl der unbetonten Silben zwischen zwei betonten, beginnend mit x = 0, n(x) die in diesem Text beobachtete Zahl der unbetonten Silben; NP(x) die Zahl der unbetonten Silben, die berechnet wird, wenn man die Hyperpoisson-Verteilung an die beobachteten Daten anpasst. Ergebnis: die Hyperpoisson-Verteilung ist für diesen Text ein gutes Modell mit dem Testkriterium P = 0.81, wobei P als gut erachtet wird, wenn es größer/ gleich 0.05 ist. Für ausführlichere Erläuterungen sei auf die angegebene Literatur verwiesen.)

Bedeutung des Gesetzes

Bei dem Gesetz der Verteilung rhythmischer Einheiten verschiedener Längen handelt es sich um eine recht neue (Wieder)-Entdeckung eines Sprachgesetzes durch die Quantitative Linguistik, die einmal mehr ihre Ansicht bestätigt sieht, dass die Sprachverwendung ebenso wie das Sprachsystem durch Gesetze gesteuert wird. [9]

Siehe auch

Literatur

  • Karl-Heinz Best: Probability Distributions of Language Entities. In: Journal of Quantitative Linguistics 8, 2001, 1-11.
  • Karl-Heinz Best: Längen rhythmischer Einheiten. In: Reinhard Köhler, Gabriel Altmann, & Rajmund G. Piotrowski (Hrsg.): Quantitative Linguistik - Quantitative Linguistics. Ein internationales Handbuch. de Gruyter, Berlin/ New York 2005, S. 208-214. ISBN 3-11-015578-8

Einzelnachweise

  1. Karl Marbe: Über den Rhythmus der Prosa. J. Ricker’sche Verlagsbuchhandlung, Giessen 1904
  2. http://wwwuser.gwdg.de/~kbest
  3. Gejza Wimmer, Gabriel Altmann: The Theory of Word Length Distribution: Some Results and Generalizations. In: Peter Schmidt (Hrsg.): Glottometrika 15. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 1996, S. 112-133; Gejza Wimmer, Reinhard Köhler, Rüdiger Grotjahn & Gabriel Altmann: Towards a Theory of Word Length Distribution. In: Journal of Quantitative Linguistics 1, 1994, 98-106
  4. Lorenzo Bianchi: Untersuchungen zum Prosa-Rhythmus Johann Peter Hebels, Heinrich von Kleists und der Brüder Grimm. Weiss'sche Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1922; Biographisches und Tests dazu: Karl-Heinz Best: Lorenzo Bianchi (1899-196). In: Glottometrics 14, 2007, 72-98
  5. Karl-Heinz Best: Rhythmische Einheiten im Altgriechischen. In: Göttinger Beiträge zur Sprachwissenschaft 13, 2006, 73-76
  6. Anja Kaßel: Zur Verteilung rhythmischer Einheiten in deutschen und englischen Texten. Staatsexamensarbeit; Göttingen 2002
  7. Marina Knaus: Zur Verteilung rhythmischer Einheiten in russischer Prosa. In: Glottometrics 16, 2008, 57-62
  8. Kaßel 2002, S. 78
  9. http://lql.uni-trier.de/index.php/Rhythmic_units

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